1.1 Einordnung und Ziele

Messen ist ein Prozeß, nämlich die Anwendung eines Maßes auf ein Objekt. Ein Maß ist eine Abbildung: die objektive Zuweisung einer Zahl oder eines anderen Symbols an ein Objekt zur Charakterisierung eines bestimmten Attributs des Objekts.

Im Bereich der Softwaretechnik ist der Begriff der ,,Metrik`` sehr gebräuchlich. Dieser Begriff stammt ursprünglich aus der Mathematik und bezeichnet symmetrische Abbildungen von Paaren von Objekten auf nichtnegative reelle Zahlen mit dem Ergebnis Null nur für identische Objekte. Das, was in der Softwaretechnik im allgemeinen unter Metrik verstanden wird, ist jedoch eher das, was die Mathematik als eine Norm bezeichnet. Der Begriff Metrik wird aber in der Softwaretechnik oft so lax verwendet, daß er überhaupt nicht mehr eine wohldefinierte Sache bezeichnet, sondern nur ein vages Konzept. In seinen ,,ordentlichen`` Verwendungen ist das Wort Metrik synonym zu dem Wort Maß (measure), das wir in diesem Kapitel zugrundelegen.

Das unmittelbare Ziel des Messens in der Softwaretechnik ist es, die Beschreibung und Beurteilung von Softwareprodukten und ihren Teilen sowie von Softwareproduktionsprozessen und ihren Teilen, Techniken und Werkzeugen zu objektivieren. Das mittelbare Ziel ist in fast allen Fällen eine Vorhersage. Der hinter diesem Ziel stehende Zweck liegt in der Verbesserung dieser Produkte und Prozesse, die auf den durch Messungen gewonnenen Informationen in vielfältiger Weise aufbauen kann. Vor Einsatz eines Maßes muß der jeweilige Zweck genau bekannt sein.

Grundsätzliche Anwendungen des Messens (und ihre Zwecke) sind:

1.

Beschreibung. Wir wollen kompakte und objektive Beschreibungen einzelner Aspekte von Produkten und Prozessen als Grundlage für Beurteilungen oder Planungen bekommen.

2.

Beurteilung. Manche Messungen eignen sich direkt zur Beurteilung der Qualität, Effektivität oder Effizienz von Produkten oder Prozessen. Solche Beurteilungen sind direkt Ansatzpunkt für Verbesserungen.

3.

Vorhersage. Objektivieren und Quantifizieren sind auch Voraussetzungen dafür, eine geordnete Planung vorzunehmen. Meßergebnisse lassen sich wesentlich zuverlässiger auf die Zukunft übertragen als Ahnungen, Eindrücke, Erfahrungen, Gefühle und Vermutungen. Das liegt zum einen am objektiven Charakter von Messungen, zum anderen daran, daß sie erheblich vom jeweiligen Einzelgegenstand abstrahieren.