Allgemeine Hinweise für Interessent(inn)en an einer Diplomarbeit an der Fachgruppe Praktische Informatik

Udo Kelter
Praktische Informatik, Fachbereich Elektrotechnik und Informatik
Universität Siegen, 57068 Siegen
kelter@informatik.uni-siegen.de

Juli 1999

Themen von Diplomarbeiten

Umfang der Aufgabenstellung: Laut Diplomprüfungsordnung ist die Diplomarbeit ``eine Prüfungsarbeit, die die wissenschaftliche Ausbildung abschließt und zeigen soll, daß der Kandidat in der Lage ist, innerhalb einer vorgegebenen Frist ein Problem aus seinem Fach selbständig nach wissenschaftlichen Methoden zu bearbeiten.''
Hieraus ergibt sich indirekt, daß das Thema so gewählt sein muß, daß es von einem Studenten, der das Hauptstudium in einer geeigneten thematischen Ausrichtung erfolgreich beendet hat, innerhalb von 4 bzw. 6 Monaten bearbeitet werden kann. Das Thema kann daher -- anders als bei einer Dissertation -- keine in der Forschung offene Fragestellung sein, deren Bearbeitungsaufwand nicht abschätzbar ist.

Fachliche Ausrichtung: Möglich sind verschiedenste Themen in den Gebieten Datenbanken und Softwaretechnik. Die Themen sind fast immer praktisch orientiert und beinhalten die Erstellung eines Softwaresystems. Über die Leitseite der Fachgruppe ist eine Liste laufender und abgeschlossener Arbeiten erreichbar; zu diesen Arbeiten ist jeweils eine Kurzbeschreibung angegeben. Diese Beschreibungen können als Beispiele dienen.

Typischerweise wird das Thema in mehreren Gesprächen konkretisiert (s.u.) und individuell mit einer Interessentin bzw. einem Interessenten festgelegt.

Vorkenntnisse

Generell erforderlich sind gute Allgemeinkenntnisse in der praktischen Informatik.

Im Bereich der Softwaretechnik werden Kenntnisse unterstellt, die in etwa der Wahlpflichtvorlesung ``Softwaretechnik'' entsprechen; derartige Kenntnisse können teilweise durch Selbststudium erworben werden, beispielsweise mit dem Lehrbuch ``Pagel, B.-U.; Six, H.-W.: Software Engineering, Band 1: Die Phasen der Softwareentwicklung; Addison Wesley (Deutschland) GmbH, Bonn; 1994 ISBN 3-89319-735-4 (hiervon sind mehrere Exemplare in der UB ausleihbar). Zusätzlich sollten unbedingt praktische Übungen durchgeführt werden.

In vielen Fällen sind auch gute Kenntnisse über Datenbanken erforderlich, in einem Umfang, der in etwa dem der Wahlpflichtvorlesung ``Informationssysteme'' entspricht. Auch hier kann der Stoff ggf. mit Hilfe von Lehrbüchern und begleitenden Übungen erworben werden.

Planung und Vorgehensweise

Es ist sinnvoll, sich möglichst frühzeitig (wenigstens 3 Monate) vor dem geplanten Beginn der Diplomarbeit mit potentiellen Betreuern in Verbindung zu setzen.

In einem ersten Gespräch können die aus Sicht der Fachgruppe interessanten Themenbereiche diskutiert und den Vorkenntnissen und Interessen des Diplomanden bzw. der Diplomandin gegenübergestellt werden. Ergebnis dieses ersten Gespächs sind typischerweise 1 - 3 mögliche Themengebiete für die Arbeit und eine Liste von Gebieten, in denen noch Vorkenntnisse fehlen.

In der folgenden ``Konkretisierungsphase'' werden das bzw. die angedachten Themen schrittweise verfeinert und auf ihre Durchführbarkeit untersucht. Da in den meisten Fällen im Rahmen der Diplomarbeit eine Software neu entwickelt bzw. eine vorhandene Software modifiziert wird, richtet sich die Vorgehensweise nach den üblichen Vorgehensmodellen bei der Softwareentwicklung. Ziel ist eine Entscheidung für eine der angedachten Alternativen und eine Zerlegung der Gesamtaufgabe in Teilaufgaben, für die sich die Aufwände halbwegs sicher schätzen lassen. Mit zu berücksichtigen sind ca. 3 Wochen für das Anfertigen des Berichts über die Diplomarbeit (üblicherweise einfach ``die Diplomarbeit'' genannt).

Während der Konkretisierungsphase müssen ferner ggf. fehlende Vorkenntnisse erworben werden; der Zeitaufwand hierfür sollte nicht unterschätzt werden.

Gestaltung des Berichts

Der Bericht über die Diplomarbeit sollte unter folgenden Annahmen geplant bzw. verfaßt werden:

Leserschaft: Der Bericht wird typischerweise nur von den Gutachtern / Betreuern und Bearbeitern paralleler / später aufbauender Diplomarbeiten gelesen, nicht hingegen von Erstsemestern oder Personen, die den Inhalt der einschlägigen Standardvorlesungen nicht kennen. Der Inhalt sollte auf diese Leserschaft hin ausgerichtet sein.
Generell darf unterstellt werden, daß diese Leser die Vorkenntnisse haben, die oben erwähnt sind. Von daher ist es überflüssig, diesen Stoff mehr oder weniger langatmig aufzubereiten; entsprechende Abschnitte der Arbeit können das Ergebnis nur verschlechtern.
Wo möglich, sollte bei allgemeinen Begriffsdefinition auf eine allgemein zugreifbare Quelle (z.B. Lehrbuch oder vorhandene Dokumentation) verwiesen werden.
Standardstoff sollte nur dann wiederholt werden, wenn dies wegen aufbauender spezieller Themen unbedingt notwendig ist.

Umfang: Der Umfang des Hauptteils des Berichts liegt typischerweise zwischen 50 und 100 Seiten. Nicht in den Hauptteil gehören längere Quelltexte und sonstiges Material, diese sind als Anhang hinten anzufügen.

Der Bericht über die Diplomarbeit hat üblicherweise folgenden Aufbau:

Extern durchgeführte Diplomarbeiten

Prinzipiell können Diplomarbeiten auch bei externen Instanzen (Forschungsinstitute, andere Fachbereiche, Privatfirmen) durchgeführt werden. Allerdings werfen externe Arbeiten einige Probleme auf:
  1. Nach meiner bisherigen Erfahrung treten immer wieder erhebliche Probleme bei der Betreuung der Diplomanden auf. Bei kleineren externen Partnern ist vielfach überhaupt kein Informatiker als Betreuer verfügbar, und/oder der Betreuer ist in termingebundene Projektarbeiten eingespannt und hat wenig Zeit. Darüber hinaus ist ein Techniker, der sich um die Rechner, deren Vernetzung, die Installation von Software und sonstige logistische Probleme kümmert, bei externen Partnern oft nicht vorhanden; entsprechende ``Neben-Probleme'' müssen daher vom Diplomanden - mit entsprechenden Zeitverlust - bearbeitet werden. Generell muß man sagen, daß die Arbeitsbedingungen bei externen Partnern vielfach schlechter sind als an unserem Fachbereich und daß hier vor Ort daher inhaltlich bessere Arbeiten möglich sind.

  2. Die Diplomarbeit soll auch an technologisches Neuland heranführen (s.o.). Die Aufgabenstellungen bei externen Partnern sind qualitativ vielfach vom fachlichen Niveau her eher anspruchslos und vergleichbar mit Übungen zu den Vorlesungen im Hauptstudium, dafür quantitativ umfangreich oder mit Nebenproblemen (s.o.) belastet. Da ferner meist irgendein konkret nutzbares System als Endergebnis geplant ist, können fast keine Risiken eingegangen werden, d.h. man beschränkt sich notwendigerweise auf überschaubare, kalkulierbare ``08/15-Technologien'' und Vorgehensweisen. Dies ist nur unter starker Dehnung des Begriffs ``wissenschaftlichen Methoden'' mit den Zielen vereinbar, die speziell mit einer HS II-Diplomarbeit verbunden sind.

  3. Aus den vorstehenden Gründen ergibt sich, daß es eher unwahrscheinlich ist, daß bei externen Arbeiten handwerkliches Rüstzeug erworben wird, das für eine spätere Promotion nützlich ist.

  4. In der Praktischen Informatik besteht ein großer Bedarf, die Forschungsaktivitäten der wissenschaftlichen Mitarbeiter durch Diplomanden zu unterstützen. Wissenschaftliche Mitarbeiter haben i.d.R. 4 - 5 Jahre Zeit, ihre Dissertation anzufertigen. In der Praktischen Informatik sind die für die Forschungen reglmäßig umfangreiche Implementierungsarbeiten durchzuführen, die von den Mitarbeitern selbst nicht alleine übernommen werden können, u.a. weil die wissenschaftlichen Mitarbeiter neben der Forschung auch noch in erheblichem Umfang in der Lehre eingesetzt werden. Durch die hohe Anzahl externer Arbeiten entfällt diese Unterstützung der wissenschaftlichen Mitarbeiter weitgehend. Statt einer Unterstützung von Forschungsvorhaben entsteht im Gegenteil bei externen Arbeiten für mich selbst und ggf. auch wissenschaftliche Mitarbeiter regelmäßig ein nicht unerheblicher Mehraufwand, insb. für die Einarbeitung in die Themenstellung und sehr häufig für Diskussionen und Aufwandsschätzungen mit dem Ziel, überzogene Erwartungen und Planungen auf ein realistisches Maß zurückzuführen. Im Endeffekt handelt es sich hier um Beratungsleistungen für das Unternehmen, in dem die Diplomarbeit durchgeführt wird. Diesem Aufwand steht kein Nutzen im Bereich der primären dienstlichen Aufgaben gegenüber. Da bereits seit einiger Zeit die Einwerbung von Drittmitteln als Erfolgsmaßstab für die Leistung von Fachbereichen herangezogen wird - insb. werden die laufenden Mittel inzwischen teilweise abhängig vom Drittmittelaufkommen vergeben, oder anders gesehen wird ein unzureichender Drittmittelumsatz mit Mittelkürzungen geahndet - vergebe ich externe Diplomarbeiten vorzugsweise im Kontext von Drittmittelprojekten.

Einschlägige Literatur

Deininger, Marcus; Lichter, Horst; Ludewig, Jochen; Schneider, Kurt: Studien-Arbeiten; B.G.Teubner Stuttgart; 1992 ISBN 3-519-02156-0
(sehr gut lesbares, kompaktes Bändchen über das Abfassen von wissenschaftlichen Arbeiten; kann aus dem Handapparat der Fachgruppe entliehen werden)