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Wir haben in Abschnitt 1.2 gesehen, daß die kleinen Hölderräume
für
eine von unten stetige Familie und eine normale Skala von Banachräumen bilden. Um diese Eigenschaften auch am Rand
zu erhalten, setzten wir
als den Raum
aller in 0 verschwindenden stetigen Funktionen auf
. (Da wir hier nur Isomorphie-Überlegungen anstellen, ist es einerlei, ob dieser Raum die Norm
oder die dazu äquivalente üblichere Supremumsnorm trägt.) Weiterhin haben wir in 1.2 festgestellt, daß die (rationalen) Polygone dicht in den kleinen Hölderräumen liegen. Dieses Ergebnis kennt man auch im Raum
, nur weiß man für diesen Raum noch mehr, denn eine gewisse Menge spezieller einfacher Polygone bildet sogar eine Schauderbasis in
bzw. in
. Aufgrund der Tatsache, daß
mit den kleinen Hölderräumen in der oben genannten Weise zusammenhängt, ist es daher naheliegend, diese Schauderbasis als Teilmenge der Hölderräume näher zu untersuchen. Genau dies hat Z. Ciesielski 1959/60 in [6] und [7] getan -- und er kam dabei auf bemerkenswerte Resultate.
Zu Beginn wollen wir die Schauderbasis in
(vgl. V.6.16 in [55]) einführen. Seien
die in
orthonormierten Haar-Funktionen, definiert durch
und für
Seien weiter für
und
die Funktionen
definiert durch
Man sieht, daß die Funktionen
einfache Polygone beschreiben, speziell für
liefert der Graph von
ein gleichseitiges Dreieck über dem Intervall
, mit dem Intervall als Basis, der halben Basislänge
, mit der Spitze für
und der Höhe
.
Satz 2.1.1
Die Menge

,

, ist eine Schauderbasis im Raum
![$ C_{0}([0,1])$](img791.png)
. Es gilt sogar
Beweis.
[Beweis]
Es sei eine Funktion
![$ f\in C_{0}([0,1])$](img808.png)
vorgelegt sowie

,

und

für

und

. Dann definiere

für

analog zum Beweis zu Satz
1.2.20 als das Polygon auf
![$ [0,1]$](img35.png)
, welches genau in

seine Knoten hat und

in diesen interpoliert. Es folgt aus der gleichmäßigen Stetigkeit von

wieder

für

, so daß (mit

) die Reihe
gleichmäßig gegen

konvergiert. Andererseits ``differieren''

und

um genau eine ``Polygonecke'', so daß die Differenz nach Wahl der

und Definition der

gerade ein Vielfaches von

ist. Mit gewissen reellen oder komplexen

,

, gilt also
und
![$\displaystyle f(x)=\sum_{n=1}^{\infty}a_{n}\varphi_{n}(x) \quad\forall x\in [0,1].$](img822.png) |
(1) |
Die Koeffizienten

ergeben sich nun leicht aus

und können abkürzend als Integral über die zugehörigen Haarfunktionen bezüglich

geschrieben werden. Zunächst sieht man
 |
(2) |
und weiter
für

;

. Beachte, daß

gerade die Höhe des von

beschriebenen Dreiecks und der Term in
![$ [{\dots}]$](img827.png)
die Höhe des durch

beschriebenen Dreiecks ist. (Es ist klar, wie man durch die

's das

wiedergewinnen kann, denn jedes

mit

liefert bei schon vorhandenen

und

den Wert

, und

liegt dicht in
![$ [0,1]$](img35.png)
.)
Zur Eindeutigkeit: Sei
mit reellen oder komplexen
und
für ein
, o.B.d.A.
kleinstmöglich. Dann ist entweder
und damit
ein Widerspruch oder
für ein
mit
, dann ist aber
ein Widerspruch.
Es ist klar, daß man den gleichen Satz für
erhält, wenn man zusätzlich
und im obigen Beweis
setzt. Wir wollen nun die Menge
in den Hölderräumen
mit
ansehen, und es liegt nahe, die
's hierfür zu normieren. Beachte, daß jedes
für
ein Dreieck mit der Höhe
und der halben Basislänge
beschreibt. Daher gilt mit der Definition
sowie

und
für
, die Aussage
. Zudem ist Satz 2.1.1 für
und
anstelle von
und
richtig. Formuliert man (2.1.3) für
und entsprechend (2.1.1) für
um, so findet man sofort
falls
und
für
im Falle
. Die nun aufkeimende Hoffnung findet ihre Erfüllung in dem
Theorem 2.1.2
Es sei

. Dann gilt:
- Der Lipschitzraum
ist isomorph zum Folgenraum
. Der Isomorphismus
ist gegeben durch
wobei die Reihe bezüglich
konvergiert.
ist gegeben durch
Dabei gilt

und
- Der kleine Lipschitzraum
ist isomorph zum Folgenraum
. Der Isomorphismus
ist gerade die Einschränkung des obigen
auf
. Insbesondere bildet die Menge
, eine Schauderbasis von
. Es gelten für
die gleichen Normabschätzungen wie für
.
Beweis.
[Beweis]
Ist

, so findet man schnell die gleichmäßige Konvergenz von

mit einer geometrischen Reihe wegen

und
supp

supp

für

und festes

. Damit ist

eine wohldefinierte stetige Funktion. Aber

ist sogar Hölder-stetig. Seien
![$ x,y\in[0,1]$](img562.png)
,

, gegeben, dann ist
 |
(4) |
einfach. Der Leser genieße die nun folgende virtuose Abschätzung der rechten Seite in (
2.1.4) durch zwei geometrische Reihen. Sei dafür

so gewählt, daß
 |
(5) |
gilt. Dann kann man zunächst
feststellen. Die für festes

durch

beschriebenen Dreiecke ``wandern'' mit steigendem

(disjunkt) über dem Intervall
![$ [0,1]$](img35.png)
von links nach rechts. Damit kann man die Summe

immer trivial durch die doppelte Höhe

der Dreiecke abschätzen. Dies wurde für

getan. Für

wurde die größtmögliche Steigung in einem solchen Dreieck abgeschätzt. Mit der halben Basislänge

und der Höhe

beträgt diese

. Liegen

und

nicht im gleichen Dreieck, sondern in zwei benachbarten, so rechnet man leicht nach, daß die Summe der zwei dann zu berechnenden Steigungen auch

ist. Diese Abschätzungen liefern nun nach einiger Detailarbeit den Beweis der Stetigkeit von

, ``doch ist dieser Rand hier zu schmal, um ihn zu fassen'' (siehe [
12, S. 3, II]).
Wir aber wollen ihn dennoch bringen.
Man rechnet
denn es gilt
Nun liefert (
2.1.4) die Wohldefiniertheit und die Stetigkeit von

mit
 |
(6) |
Die Injektivität von

folgt aus Satz
2.1.1. Aus (
2.1.3) im Beweis zu diesem Satz folgt

für

, womit die Surjektivität von

und darüberhinaus

gesichert ist.

ist also ein Isomorphismus. Die Darstellung von

ist nach Satz
2.1.1 auch klar.
Zur Einschränkung von
auf
: Hier liefert (2.1.3) für
wie schon gesehen
für
, so daß
ist. Andererseits sieht man mit dem Raum
aller abbrechenden Folgen in
die Inklusion
, denn Elemente aus
werden unter
auf Polygone, also sogar auf Elemente von
abgebildet. Aus der Stetigkeit von
, der Dichtheit von
in
und der Abgeschlossenheit von
in
folgt damit
. Insgesamt ist also
, die Einschränkung von
auf
, ein Isomorphismus. Da die Einheitsvektoren in
eine Schauderbasis liefern, gilt dies auch für ihre Bilder
, also auch für
in
. Die Konvergenz von
liegt also im Falle
sogar in der Höldernorm
vor. (Für
zum Beispiel ist dies sicher nicht so.)
Noch ein Wort zu den Normabschätzungen von unten: Für
sieht man am Beispiel der kleinen Hölderfunktion
mit
schnell
(und dies gilt analog für alle auf
normierten
), also
. Die Abschätzung für
von unten ist nicht so einfach, und der Aufwand ihrer Herleitung übersteigt noch den für die Herleitung von (2.1.6) bei weitem. Der Leser sei deshalb um Nachsicht dafür gebeten, daß statt einer Darstellung der Details (die sich in [7] finden) an dieser Stelle nur die Idee aufgezeigt wird, die zum Erfolg führt.
Man wird schnell auf die Vermutung kommen, daß die kleine Hölderfunktion
für große

in einer Umgebung von 0 ``sehr stark'' steigt und demzufolge womöglich eine ``große'' Höldernorm aufweist, obwohl stets

mit

gilt. Und dies erweist sich als richtig. Konkret kann man für

mit

die beileibe nicht offensichtliche Gleichheit (!)
nachweisen. Wie bei der Herleitung von (
2.1.6) erfolgt dies über verschiedene geometrische Summen, diesmal getrennt für

,

und

Nach einigem Hin und Her sieht man auch
und nun ist es einfach: Für

wähle

so groß, daß
gilt und danach

so riesig, daß auch
Bestand hat. Und damit ist alles gezeigt.
Man beachte, daß die Normabschätzungen auch für
nachgewiesen wurden. Natürlich ist die zuletzt behandelte Abschätzung der Norm von
von unten für das Isomorphie-Resultat nicht notwendig. Da jedoch die untere Schranke, die ihr Minimum für
annimmt, von unten durch
beschränkt bleibt, ist weder
noch
ein isometrischer Isomorphismus. Daß es einen solchen auch gar nicht geben kann, werden wir in Abschnitt 2.4 sehen, in dem wir einen Artikel von D. E. Wulbert [60] besprechen. Wulbert hat gezeigt, daß Isomorphismen zwischen den großen Lipschitzräumen
und
bzw. zwischen den kleinen Lipschitzräumen
und
nur ``sehr selten'', d.h. nur unter sehr restriktiven Voraussetzungen an den zugrundeliegenden metrischen Raum
, isometrisch sind.
Dennoch liefert unser Theorem viele Fakten über die Hölderräume, die wir in Abschnitt 1.2 zusammengestellt haben, quasi nebenbei, darunter zum Beispiel die Sätze 1.2.1, 1.2.7 und 1.2.9. In völligem Bewußtsein der Tatsache, damit alles andere als mathematische Pionierarbeit zu leisten, könnte man sich die Frage vornehmen, inwieweit die bisherigen Ergebnisse auch auf verallgemeinerte Hölderräume (siehe Definition 1.1.18) übertragbar sind (aber natürlich auch alle weiteren Resultate dieser Arbeit, die sich nur auf die klassischen Hölderräume beziehen). Für die Herleitung von (2.1.6) beispielsweise scheint die Forderung
nötig zu sein, so daß man allgemeiner an eine Normierungsbedingung
denken könnte. Interessant scheinen die verallgemeinerten Hölderräume indes lediglich im Hinblick auf einige Resultate in Abschnitt 3.5 zu werden (siehe die Sätze 3.5.8 und 3.5.9 und was danach noch folgt).
Hier verweilen wir noch ein wenig bei den kleinen Hölderräumen
und blicken noch einmal auf Theorem 2.1.2 zurück. Als weitere Folgerung aus Teil (ii) des Theorems erhalten wir nämlich mit dem Darstellungssatz
eine Aussage über den Dualraum von
.
Satz 2.1.3
Jedes beschränkte lineare Funktional

auf
![$ \ell ip_{0}([0,1]^{\alpha})=H_{\alpha}^{0}$](img863.png)
mit

hat die Gestalt
mit einem

. Es gelten die Abschätzungen

und
wobei die Konstanten

und

bestmöglich sind (d.h. der zugehörige Isomorphismus von

auf

hat die Norm

und seine Umkehrung die Norm

).
Beweis.
[Beweis]
Der Isomorphismus
liefert den dazu adjungierten Isomorphismus (siehe III.5.21 in [
55])
mit

, für den man unter Berücksichtigung von
schreiben kann. Aus der Normgleichheit

(siehe III.4.2 in [
55]) folgt dann

. Weiter erhält man nach Definition der Adjungierten für jedes

mit einem

aus

die Darstellung
Dabei gilt

bzw. genauer

, wobei wieder die Normgleichheit

besteht.
Dieser Satz mag ein kleiner Vorgeschmack auf unsere Arbeit in Abschnitt 2.4 und in Kapitel 3 sein, wo wir den Dualraum gewisser kleiner Lipschitzräume (mit Blick auf den zweiten Dual!) intensiver untersuchen werden.
Bemerkung 2.1.4
Nach Satz
1.1.6 erhalten wir für

auch die Isomorphien
![$ Lip([0,1]^{\alpha})\simeq \ell^{\infty}$](img947.png)
und
![$ \ell ip([0,1]^{\alpha})\simeq c_{0}$](img948.png)
. Man sieht schnell, daß die Beweismethode für den Fall

versagt. Dennoch sind auch die Lipschitzräume
![$ Lip([0,1])$](img949.png)
und
![$ Lip_{0}([0,1])=H_{1}$](img950.png)
isomorph zu

, denn

ist nach Satz
1.2.3 sogar isometrisch isomorph zu
![$ L^{\infty}([0,1])$](img467.png)
. Der Funktionenraum
![$ L^{\infty}([0,1])$](img467.png)
wiederum ist isomorph zum Folgenraum

. Dies liegt zum einen daran, daß

isomorph zu einem Unterraum von
![$ L^{\infty}([0,1])$](img467.png)
ist (das ist klar), aber auch umgekehrt
![$ L^{\infty}([0,1])$](img467.png)
seinerseits isomorph zu einem Unterraum von

ist (das ist weniger klar, und zur Aufklärung braucht man schon jemanden wie Lindenstrauss, der eine Quotientenabbildung
![$ T:\ell^{1}\to L^{1}([0,1])$](img951.png)
, diskutiert in [
20, § 23.D], gefunden hat, mit welcher dann nach II.5.17 und III.1.10 in [
55] kanonisch
![$ L^{\infty}([0,1])\cong \ker(T)^{\perp}\subseteq (\ell^{1})'\cong \ell^{\infty}$](img952.png)
gilt). Die Unterräume sind jeweils komplementiert, da sowohl

als auch
![$ Y=L^{\infty}([0,1])$](img954.png)
injektiv ist (siehe S. 105 und S. 111 in [
35]). Jetzt braucht man nur noch die einfache Tatsache

sowie

und schließt mit einem geeigneten Unterraum

und leicht zu verifizierenden ``Rechenregeln''
 |
(7) |
was für

genauso geht, mithin

. Dies ist der Beweis von A. Pe

czynski für
![$ L^{\infty}([0,1])\simeq \ell^{\infty}$](img961.png)
, zu finden in [
35, S. 54]. Der Beweis liefert unter der Voraussetzung

und

(die man nach einem vom W. T. Gowers gefundenen Gegenbeispiel nicht ohne weiteres weglassen darf, siehe [
58, S. 10]) eine Art Schröder-Bernstein-Theorem für Banachräume. Der, man möchte sagen ``genial einfache'', Gedanke in (
2.1.7), ist als
Dekompositionsmethode von Pe

czynski in die Geschichte der Banachraumtheorie eingegangen.
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Heiko Berninger
2003-04-25