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$ H_{\alpha }$ und $ H_{\alpha }^{0}$ als Standardbeispiele großer
und kleiner Lipschitzräume

In diesem Abschnitt wollen wir uns ein etwas genaueres Bild von Lipschitzräumen machen, indem wir eine gewisse Klasse von konkreten einfachen Lipschitzräumen näher ansehen. Es ist naheliegend, hierfür das Einheitskompaktum $ [0,1]$, versehen mit der gewöhnlichen Metrik, heranzuziehen und darauf gleich eine ganze Klasse von Lipschitzräumen zu betrachten, zum Beispiel mit dem Basispunkt $ x_{0}=0$ alle Hölderräume $ H_{\alpha}:=Lip_{0}([0,1]^{\alpha})$ und $ H_{\alpha}^{0}:=\ell ip_{0}([0,1]^{\alpha})$ mit $ 0<\alpha\leq 1$. Diese Räume wurden erstmals Anfang der 60er Jahre ausgiebig und gewinnbringend studiert. Die wichtigsten Ergebnisse aus dieser Zeit stammen von J. Musielak und Z. Semadeni [42], Z. Ciesielski [7], K. de Leeuw [33] sowie von S. G. Krein und Y. I. Petuin [32]. Hier wollen wir zunächst die grundlegenden Erkenntnisse von Musielak und Semadeni, die von Krein und Petuin ergänzt und erweitert wurden, genauer betrachten.

Erinnern wir uns an die in der Einleitung dieser Arbeit gestellte Frage, wie der kleine Lipschitzraum im großen liegt, so können wir diese Frage nun auf die ganze Familie von Lipschitzräumen $ \{H_{\alpha}\}$ bzw. $ \{H_{\alpha}^{0}\}$ mit $ 0<\alpha\leq 1$ ausdehnen. Mit Blick auf Satz 1.1.19 und der Beobachtung, daß für $ 0<\alpha'<\alpha$ die Metrik $ d^{\alpha'}=(d^{\alpha})^{\frac{\alpha'}{\alpha}}$ eine Höldermetrik zu $ d^{\alpha'}$ mit dem Exponenten $ 0<\frac{\alpha'}{\alpha}<1$ ist (also lokal größer als $ d^{\alpha}$), folgen die grundlegenden Mengeninklusionen

$\displaystyle H_{\alpha}\subseteq H_{\alpha'}^{0}\subseteq H_{\alpha'}$    für $\displaystyle \quad \alpha'<\alpha.$ (1)

$ \{H_{\alpha}\}$ und $ \{H_{\alpha}^{0}\}$ bilden also jeweils eine mit fallendem $ \alpha$ aufsteigende Familie von Mengen. Dabei ist jeweils die Einbettung in einen größeren Raum stetig mit (siehe Beweis zu Satz 1.1.19 mit $ d^{\alpha}$ statt $ d$ und $ d^{\alpha'}$ statt $ \omega(d)$)

$\displaystyle L_{\alpha'}(f)\leq L_{\alpha}(f)\quad \forall f\in H_{\alpha}.$ (2)

Des weiteren sind natürlich die obigen Inklusionen echt, da für $ h:x\mapsto x^{\alpha}$ stets $ h\in H_{\alpha'}\Leftrightarrow \alpha'\leq \alpha$ gilt: Wegen der Semiadditivität der Wurzelfunktion (siehe Beweis zu Satz 1.1.17) gilt für $ 0\leq y\leq x$ stets $ x^{\alpha}\leq y^{\alpha}+(x-y)^{\alpha}$, also $ \frac{x^{\alpha} - y^{\alpha}}{d^{\alpha}(x,y)}\leq 1$, und mit $ y=0$ sieht man $ L_{\alpha}(h)=1$ und (mit $ x\to 0$) $ h\notin H_{\alpha}^{0}$. Es ist klar, daß für jedes $ g\in H_{\alpha}$ auch die um $ c$ ($ 0<c<1$) nach rechts verschobene und in $ [0,c]$ durch 0 fortgesetzte Funktion $ g_{c}$ in $ H_{\alpha }$ ist. Für unser obiges $ h$ bedeutet dies, daß $ \{h_{c}\}_{c\in [0,1]}$ mit

\begin{displaymath}
h_{c}: x\mapsto \left\{
\begin{array}{cl}
0 & \mbox{ f\uml ...
...} & \mbox{ f\uml ur }\enspace c\leq x\leq 1
\end{array}\right.
\end{displaymath}

eine überabzählbare Familie von Funktionen in $ [0,1]$ ist, für die (mit $ c'\leq c$) gilt:

$\displaystyle \frac{(h_{c'}-h_{c})(c)-(h_{c'}-h_{c})(c')}{(c-c')^{\alpha}}=\frac{(c-c')^{\alpha}-0}{(c-c')^{\alpha}}=1,
$

also $ L_{\alpha}(h_{c'}-h_{c})\geq 1$ (sogar $ =1$, wie man leicht sieht). Das bekannte Kardinalitätsargument (vergleiche Beispiel (c) zu Satz I.2.9 in [55]) liefert nun den

Satz 1.2.1   $ H_{\alpha }$ ist nicht separabel für $ 0<\alpha\leq 1$.

Bemerkung 1.2.2   Man wird über die Aussage dieses Satzes nach den in Abschnitt 1.1 zusammengestellten Ergebnissen nicht mehr sonderlich überrascht sein, denn wir haben im Beweis zu Satz 1.1.4 (ii) bereits einfache aus der Metrik $ d$ (was hat man auch sonst zur Verfügung!) gewonnene Lipschitzfunktionen $ f_{x_{0}}: x\mapsto d(x,x_{0})$ auf allgemeinen metrischen Räumen $ K$ mit $ L(f_{x_{0}})=1$ kennengelernt, die unseren obigen $ h_{c}$ ja im wesentlichen entsprechen. Mit verschiedenen $ x_{0}, y_{0}\in K$ hat man dann

$\displaystyle L(f_{x_{0}}-f_{y_{0}})$ $\displaystyle \geq \frac{\vert f_{x_{0}}(x_{0})-f_{y_{0}}(x_{0})-(f_{x_{0}}(y_{0})-f_{y_{0}}(y_{0}))\vert}{d(x_{0},y_{0})}$    
  $\displaystyle =\frac{\vert-d(x_{0},y_{0})-d(y_{0},x_{0})\vert}{d(x_{0},y_{0})}=2$    

und damit die Nicht-Separabilität von $ LiP(K)$, falls $ K$ überabzählbar ist. Mit den beschränkten Funktionen $ x\mapsto \min(d(x,x_{0}),d(y_{0},x_{0}))$ (siehe Satz 1.1.12) erhält man das gleiche für $ Lip(K)$. In Abschnitt 2.3 werden wir jedoch auch dieses Ergebnis weiter verallgemeinern (siehe Korollar 2.3.5), indem wir uns noch der Überabzählbarkeit von $ K$ als Voraussetzung entledigen.

Analog zu obigem $ h:x\mapsto x^{\alpha}$ gilt auch $ f_{x_{0}}\in LiP(K)\backslash \ell iP(K)$, sobald $ x_{0}$ ein Häufungspunkt in $ K$ ist. Wir werden später, ebenfalls in Abschnitt 2.3, die Lücke zwischen den Hölderräumen $ Lip(K^{\alpha})$ und $ \ell ip(K^{\alpha})$ unter der an den metrischen Raum gestellten Voraussetzung $ \inf_{x\neq y}d(x,y)=0$ näher untersuchen und feststellen, daß diese, auch unter Banachraum-theoretischen Gesichtspunkten, ``ziemlich groß'' ist (vergleiche Theorem 2.3.1 und Korollar 2.3.4).

Wir werden sehen, daß die Eigenschaft der $ H_{\alpha }$, nicht separabel zu sein, von den kleinen Hölderräumen $ H_{\alpha }^{0}$ für $ 0<\alpha <1$ nicht geteilt wird. Doch zunächst wollen wir uns den Sonderfall $ \alpha=1$ (für den ja $ H_{1}^{0}=\{0\}$ gilt) noch etwas genauer ansehen.

Satz 1.2.3   $ H_{1}=Lip_{0}([0,1])$ ist isometrisch isomorph zu $ L^{\infty}([0,1])$ vermittels der Abbildung

$\displaystyle \varPhi : L^{\infty}([0,1])\to H_{1}
$

$\displaystyle \varPhi (g)(x)=\int_{0}^{x}g(t)dt.
$

Beweis. [Beweis] Die offenbar lineare Abbildung $ \varPhi$ ist wohldefiniert und kontraktiv, da für alle $ x,y\in [0,1],x\neq y$,

$\displaystyle \frac{\vert\varPhi (g)(x)-\varPhi (g)(y)\vert}{\vert x-y\vert}=\f...
...t)dt\right \vert\leq \Vert g\Vert _{\infty}\quad\forall g\in L^{\infty}([0,1])
$

erfüllt ist. Andererseits sind die Lipschitzfunktionen in $ H_{1}$ als absolut stetige Funktionen fast überall differenzierbar, und es gilt nach dem Hauptsatz (siehe A.1.10 (a) in [55])

$\displaystyle f(x)=\int_{0}^{x}f'(t)dt$    mit $\displaystyle \quad L(f)=\sup_{0\leq x< x+h\leq 1}\frac{\vert f(x+h)-f(x)\vert}{h}\geq \Vert f'\Vert _{\infty}.
$

Also ist $ \varPhi$ surjektiv mit $ \varPhi(f')=f$. Nach dem zweiten Teil des Hauptsatzes (siehe A.1.10 (b) in [55]) ist $ \varPhi$ auch injektiv mit $ (\varPhi(g))'=g\enspace\forall g\in L^{\infty}([0,1])$. Zusammen mit $ \Vert\varPhi^{-1}(f)\Vert _{\infty}\leq L(f)$ ist $ \varPhi$ also ein isometrischer Isomorphismus. $ \qedsymbol$

Definition 1.2.4   Sei mit $ 0=a_{0}<a_{1}<\dots<a_{n}=1, n\in {\mathbb{N}}$, eine Partition des Intervalls $ [0,1]$ gegeben. Bezeichnet $ \chi_{A}$ die charakteristische Funktion der Menge $ A\subseteq [0,1]$, so heißt eine Funktion $ g\in L^{\infty}([0,1])$ Treppenfunktion, wenn mit reellen oder komplexen $ b_{k}$, $ k=1,\dots, n$,

$\displaystyle g=\sum_{k=1}^{n}b_{k}\chi_{[a_{k-1},a_{k})}
$

fast überall auf $ [0,1)$ zutrifft. Die Menge der Regelfunktionen ist gerade der Abschluß der Treppenfunktionen in $ L^{\infty}([0,1])$. Weiter sei eine Funktion $ f\in H_{1}$, welche auf jedem Intervall $ [a_{k-1},a_{k}], k=1,\dots, n$, linear ist, als polygonale Funktion oder als Polygon bezeichnet. Die Punkte $ (a_{k},f(a_{k})), k=0,\dots, n$, heißen Knoten des Polygons. Sind die Koordinaten aller Knoten eines Polygons rational (oder in $ {\mathbb{Q}}+i{\mathbb{Q}}$ im Falle einer komplexwertigen Funktion), so nennt man das Polygon rational.

Bemerkung 1.2.5   Durch Satz 1.2.3 mag man eine Vorstellung davon gewinnen, wie ``stark'' die Lipschitznorm auf $ H_{1}$ ist, denn obwohl in der Supremumsnorm $ H_{1}$ nur ein kleiner Teilraum des vergleichsweise großen $ L^{\infty}([0,1])$ ist, erhält man durch die Lipschitznorm so viel Information über die Konvergenz in $ H_{1}$, daß man die ganze Reichhaltigkeit von $ L^{\infty}([0,1])$ dazu braucht, um diese zu beschreiben. Beispielsweise sieht man schnell, daß obiges $ \varPhi$ die Treppenfunktionen in $ L^{\infty}([0,1])$ auf die polygonalen Funktionen abbildet, so daß genau die Funktionen $ f\in H_{1}$ durch Polygone in der Norm $ L(\cdot)$ approximierbar sind, für die $ f=\varPhi(g)$ mit einer Regelfunktion $ g$ auf $ [0,1]$ gilt. Da Regelfunktionen insbesondere Riemann-integrierbar sind, kann kein $ f\in H_{1}$, für das $ \varPhi^{-1}(f)$ nicht Riemann-integrierbar ist, durch Polygone in der Lipschitznorm angenähert werden. Sind weiter $ f\in H_{1}$ differenzierbar in $ x_{0}\in (0,1)$ und $ h\in H_{1}$ nicht differenzierbar in $ x_{0}$ mit existenter links- und rechtsseitiger Ableitung $ h'_{-}(x_{0})$ und $ h'_{+}(x_{0})$ und gilt $ h'_{+}(x_{0})-h'_{-}(x_{0})=a$, so folgt $ (h'_{+}(x_{0})-f'_{+}(x_{0}))+(f'_{-}(x_{0})-h'_{-}(x_{0}))=a$ und $ L(h-f)\geq \frac{\vert a\vert}{2}$. Insbesondere kann ein Polygon mit einem Knoten an einer irrationalen Stelle nicht durch rationale Polygone in der Lipschitznorm $ L(\cdot)$ approximiert werden. Dies ändert sich jedoch schnell, wenn man $ H_{1}$ mit einer Höldernorm versieht:

Lemma 1.2.6   Für $ 0<\alpha <1$ liegt die Menge aller polygonalen Funktionen dicht im Raum $ (H_{1},L_{\alpha}(\cdot))$.

Wir werden in Abschnitt 2.1 eine weitaus stärkere Aussage beweisen (nämlich Theorem 2.1.2), die das obige Lemma und auch einige weitere Ergebnisse in diesem Abschnitt impliziert. Trotzdem wollen wir uns zumindest die interessante Beweisidee von Musielak und Semadeni zu Gemüte führen.

Beweis. [Beweisskizze] Es werden für $ 0<\alpha\leq 1$ die folgenden durch die Abbildung $ \varPhi$ aus Satz 1.2.3 in $ L^{\infty}([0,1])$ induzierten Normen $ \Vert\,{\cdot}\,\Vert _{\alpha}^{\varPhi}$ betrachtet:

$\displaystyle \Vert g\Vert _{\alpha}^{\varPhi}:=L_{\alpha}(\varPhi(g))=\sup_{0\...
...ft \vert\int_{x}^{x+h}g(t)dt\right \vert \quad \forall g\in L^{\infty}([0,1]).
$

Damit reicht es zu zeigen, daß die Treppenfunktionen für $ 0<\alpha <1$ dicht in $ (L^{\infty}([0,1]),\Vert\,{\cdot}\,\Vert _{\alpha}^{\varPhi})$ liegen. Da Linearkombinationen charakteristischer Funktionen dicht in $ (L^{\infty}([0,1]),\Vert\,{\cdot}\,\Vert _{\infty})$ sind und, wie leicht zu sehen, $ \Vert g\Vert _{\alpha}^{\varPhi}\leq \Vert g\Vert _{\infty}\enspace \forall g\in L^{\infty}([0,1])$ gilt, liegen sie auch dicht in $ (L^{\infty}([0,1]),\Vert\,{\cdot}\,\Vert _{\alpha}^{\varPhi})$, so daß nur nachzuweisen bleibt, daß jede charakteristische Funktion $ \chi_{A}$ einer meßbaren Menge $ A\subseteq [0,1]$ durch Treppenfunktionen in der Norm $ \Vert\,{\cdot}\,\Vert _{\alpha}^{\varPhi}$ approximierbar ist. Und letzteres funktioniert tatsächlich, wenn man eine genügend feine Partition von $ [0,1]$ wählt mit äquidistanten Teilintervallen $ [a_{k},b_{k}]$ und auf diesen das approximierende $ g$ als Mittelwert $ \frac{1}{\vert a_{k}-b_{k}\vert}\int_{a_{k}}^{b_{k}}\chi_{A}(t)dt$ von $ \chi_{A}$ auf $ [a_{k},b_{k}]$ definiert. $ \qedsymbol$

Im Hinblick auf die Bemerkung zu Satz 1.1.19 ist das folgende Dichtheitsresultat interessant:

Satz 1.2.7   Die Menge $ H_{1}$ liegt dicht in $ H_{\alpha }^{0}$ für jedes $ \alpha<1$.

Auch dieser Satz wird in Abschnitt 2.1 als Korollar des viel stärkeren Theorems 2.1.2 abfallen und in Abschnitt 2.2 (Korollar 2.2.7) und schließlich in Kapitel 3 (Korollar 3.5.12) noch weiter verallgemeinert. Um ihn jedoch in diesem einfachen Fall direkt einzusehen, wollen wir den Beweis von Musielak und Semadeni an dieser Stelle durchexerzieren.

Beweis. [Beweis] Zu $ f\in H_{\alpha}^{0}$ betrachte für $ n\in {\mathbb{N}}$ die Funktionen $ f_{n}$, definiert durch

$\displaystyle f_{n}(x)=n\int_{x}^{x+\frac{1}{n}}f(t)dt-n\int_{0}^{\frac{1}{n}}f(t)dt\quad x\in [0,1],
$

indem man $ f(x)=f(1)$ für $ x\geq 1$ setzt. Man sieht, daß diese Definition schöne Effekte hat: Zunächst nähert man durch das erste Integral $ f(x)$ immer besser an, für $ n\to \infty$ erhält man die Ableitung der Integralfunktion über $ f$ an der Stelle $ x$, also $ f(x)$. Der zweite Term geht für $ n\to \infty$ gegen 0 und sichert $ f_{n}(0)=0$. Schreibt man $ \frac{1}{n}f_{n}(x)$ als Differenz der Integrale $ \int_{\frac{1}{n}}^{x+\frac{1}{n}}-\int_{0}^{x}$ über $ f(t)$, so sieht man, daß jedes $ f_{n}$ stetig differenzierbar ist, also nach dem Mittelwertsatz (oder nach Satz 1.2.3) in $ H_{1}$ liegt. Mit der Variablentransformation $ t=x+s$ im ersten Integral erhält man

$\displaystyle f_{n}(x)-f(x)=n\int_{0}^{\frac{1}{n}}\left(f(x+s)-f(x)-f(s)\right)ds.
$

Sei abkürzend noch $ L_{\alpha,x,h}(g)=\frac{\vert g(x+h)-g(x)\vert}{h^{\alpha}}\enspace \forall g\in H_{\alpha}$ geschrieben, also $ L_{\alpha}(g)=\sup_{0\leq x<x+h\leq 1}L_{\alpha,x,h}(g)$. Wähle nun ein $ \varepsilon >0$. Wir unterscheiden zwei Fälle. Wegen $ f\in H_{\alpha}^{0}$ existiert ein $ \delta>0$, so daß $ L_{\alpha,x,h}(f)\leq \frac{\varepsilon }{2}$ für alle $ x\in [0,1]$ gilt, wenn $ h\leq\delta$ ist. In diesem Fall folgt für alle $ n\in {\mathbb{N}}$

\begin{displaymath}\begin{split}&L_{\alpha,x,h}(f_{n}-f)=h^{-\alpha}n\biggl\vert...
...on }{2}+\frac{\varepsilon }{2}\right)=\varepsilon . \end{split}\end{displaymath}    

Im Falle $ h>\delta$ ist

\begin{displaymath}\begin{split}& L_{\alpha,x,h}(f_{n}-f)\leq n\int_{0}^{\frac{1...
...}\leq \varepsilon \enspace\mbox{f\uml ur gro\3e }n. \end{split}\end{displaymath}    

Insgesamt erhalten wir $ L_{\alpha}(f_{n}-f)\leq\varepsilon $ für hinreichend großes $ n$. $ \qedsymbol$

Wir notieren noch das sich unmittelbar ergebende

Korollar 1.2.8   Die Menge $ \bigcup_{\varepsilon > 0}H_{\alpha+\varepsilon }$ liegt dicht in $ H^{0}_{\alpha}$ für alle $ \alpha<1$.

Es schließt sich nun das schon angekündigte zu Satz 1.2.1 gehörige Resultat an, welches auch (vergleiche Korollar 2.3.5 und Satz 3.1.9) in allgemeineren Fällen gilt und einen wichtigen Unterschied zwischen kleinen und großen Lipschitzräumen aufzeigt.

Satz 1.2.9   Die kleinen Hölderräume $ H^{0}_{\alpha}$ und die Räume $ H_{\alpha }$, versehen mit der Norm $ L_{\alpha'}(\cdot)$ für $ 0<\alpha'<\alpha\leq 1$, sind separabel. Konkreter gilt: Die Menge aller rationalen Polygone liegt dicht in diesen Räumen.

Zum Beweis beachte man erstens, daß die Aussage über die Räume $ H_{\alpha }$ wegen (1.2.1) aus der über die Räume $ H^{0}_{\alpha}$ folgt, und zweitens, daß nach Lemma 1.2.6 und Satz 1.2.7 die Menge der Polygone in jedem kleinen Hölderraum $ H^{0}_{\alpha}$ dicht liegt. Es muß also nur noch gezeigt werden, daß Polygone in der Norm $ L_{\alpha}$ für $ \alpha<1$ durch rationale Polygone angenähert werden können (was ja -- siehe Bemerkung 1.2.5 -- in der Norm $ L_{1}(\cdot)$ nicht stimmt!). Dies sieht man jedoch mit dem folgenden Lemma leicht ein.

Lemma 1.2.10   Sei $ f$ stetig auf $ [0,1]$ und jeweils linear in $ [a,b]$ und $ [b,c]$ für $ 0\leq a< b< c\leq 1$. Des weiteren sei $ a< y< b$ und $ g_{y}$ definiert durch

\begin{displaymath}
g_{y}(x)=\left\{
\begin{array}{l}
f(x) \mbox{ f\uml ur } x\in[0,y]\cup [c,1]\\
\mbox{linear in } [y, c].
\end{array}\right.
\end{displaymath}

Dann gilt $ \lim_{y\to b}L_{\alpha}(f-g_{y})=0$ für $ 0<\alpha <1$.

Der Beweis dieses Lemmas liefert die Abschätzung $ L_{\alpha}(f-g_{y})\leq C(b-y)^{1-\alpha}$ mit einer Konstanten $ C>0$. Dies nachzurechnen ist nicht schwer, aber wenig erquickend, so daß wir hier darauf verzichten wollen -- zumal uns die Aussage des Satzes 1.2.9, die wir damit zeigen wollen, in Abschnitt 2.1 direkt ins Auge springen wird.

Für die Interpolationstheorie ist es wichtig zu wissen, auf welche Weise Räume einer aufsteigenden Familie von Banachräumen ineinander liegen. S. G. Krein und Y. I. Petuin definieren in [32] zu diesem Zweck Skalen von Banachräumen. Bevor wir diesen Begriff mit Leben füllen, halten wir für die Familie $ \{H_{\alpha}^{0}\}_{\alpha\in (0,1)}$ fest, daß nach Satz 1.2.7 der Raum $ H^{0}_{\alpha}$ in $ H^{0}_{\alpha'}$ für $ \alpha'< \alpha$ dicht eingebettet ist. Diese Einbettung ist wegen (1.2.2) sogar kontraktiv. Krein und Petuin nennen eine solche Einbettung normal. Wir können den nun folgenden Satz mit gutem Recht als ein Analogon zum Einbettungssatz von Rellich (siehe V.2.13 in [55]) ansehen und uns gleichzeitig über den geringen Beweisaufwand freuen.

Satz 1.2.11   Im Falle $ 0<\alpha'<\alpha < 1$ ist $ H^{0}_{\alpha}$ normal und kompakt in $ H^{0}_{\alpha'}$ eingebettet.

Beweis. [Beweis] Es ist nur noch die Kompaktheit der Inklusionsabbildung (also der Identität) zu zeigen. Sei also $ (f_{n})_{n\in{\mathbb{N}}}$ eine durch $ M>0$ beschränkte Folge in  $ H^{0}_{\alpha}$. Dann ist $ (f_{n})$ gleichmäßig beschränkt und glücklicherweise auch gleichgradig stetig, so daß die Voraussetzungen des Satzes von Arzelà-Ascoli (an was sollte man sonst auch denken?) erfüllt sind. Also existiert eine gleichmäßig konvergente Teilfolge, o.B.d.A. $ (f_{n})$ selbst. Wir zeigen, daß diese eine Cauchyfolge in $ H^{0}_{\alpha'}$ ist. Es ist

\begin{displaymath}\begin{split}& \frac{\vert(f_{n}-f_{m})(x)-(f_{n}-f_{m})(y)\v...
...pha-\alpha'}\leq 2M\vert x-y\vert^{\alpha-\alpha'}. \end{split}\end{displaymath}    

Letzteres ist $ \leq\varepsilon $ für $ \vert x-y\vert\leq \left (\frac{\varepsilon }{2M}\right )^{\frac{1}{\alpha-\alpha'}}=:h$. Im Fall $ \vert x-y\vert>h$ ist

$\displaystyle \frac{\vert(f_{n}-f_{m})(x)-(f_{n}-f_{m})(y)\vert}{\vert x-y\vert...
...}\leq \frac{2\:\Vert f_{n}-f_{m}\Vert _{\infty}}{h^{\alpha'}}\leq \varepsilon
$

für hinreichend große $ n,m$ aufgrund der gleichmäßigen Konvergenz von $ (f_{n})$. Also gilt für solche $ n,m$: $ L_{\alpha'}(f_{n}-f_{m})\leq \varepsilon $. $ \qedsymbol$

Es ist klar, daß die Aussage des Satzes anstelle von $ H_{\alpha }^{0}$ auch für $ H_{\alpha }$, $ \alpha\leq 1$ gilt und der obige Beweis der Kompaktheitsaussage nur die Kompaktheit des zugrundegelegten metrischen Raums $ [0,1]$ (als Voraussetzung für Arzelà-Ascoli) erfordert. Mit dem Beweis sieht man zum Beispiel auch, daß die Einheitskugel in einem Lipschitzraum über einem Kompaktum bezüglich der Topologie der gleichmäßigen Konvergenz immer präkompakt ist. Auf diese Tatsache werden wir in Kapitel 3 (konkret im Beweis zu Satz 3.1.7) zurückgreifen.

Wir wollen noch eine Beobachtung zum Verhalten der Norm $ L_{\alpha}(f)=\varphi(\alpha)$ für festes $ f$ in Abhängigkeit von $ \alpha$ machen (solange dies für ein $ f$ Sinn ergibt). Ist etwa $ 0<\beta<\alpha<\gamma\leq 1$ und $ f\in H_{\gamma}$, so ist $ \alpha$ als Konvexkombination $ \alpha=\beta\frac{\gamma-\alpha}{\gamma-\beta}+\gamma\frac{\alpha-\beta}{\gamma-\beta}$ darstellbar, und es gilt für $ x,y\in[0,1]$, $ x\neq y$

$\displaystyle \varphi_{x,y}(\alpha):=\frac{\vert f(x)-f(y)\vert}{\vert x-y\vert...
...y)\vert}{\vert x-y\vert^{\gamma}}\right )^{\frac{\alpha-\beta}{\gamma-\beta}},
$

so daß $ \alpha\mapsto \varphi_{x,y}(\alpha)$ logarithmisch konvex ist bzw. genauer $ \alpha\mapsto \log\varphi_{x,y}(\alpha)$ eine wegen (1.2.2) monoton steigende Gerade (zwischen 0 und $ \gamma$) beschreibt (vergleiche mit der Aussage über das Verhalten von $ \log\Vert T\Vert$ im Interpolationssatz von Riesz-Thorin (II.4.2 in [55]); hier betrachten wir anstelle von $ T$ einfach die Inklusionsabbildung von $ H_{\alpha }$ nach $ H_{\alpha'}$ für $ \alpha'\leq\alpha$). Damit ist der Epigraph (d.h. die Fläche über dem Graphen) der Funktion $ \alpha\mapsto \sup_{x, y\in [0,1], x\neq y}\log\varphi_{x,y}(\alpha)$ als Schnitt konvexer Mengen wieder konvex, d.h. wir erhalten für $ L_{\alpha}(f)= \sup_{x, y\in [0,1], x\neq y}\varphi_{x,y}(\alpha)$ das

Lemma 1.2.12   Solange $ L_{\alpha}(f)<\infty$ bleibt, ist für ein festes Hölder-stetiges $ f$

$\displaystyle \varphi:\alpha\mapsto L_{\alpha}(f)
$

eine monoton steigende logarithmisch konvexe Funktion.

Mit diesem Ergebnis und Satz 1.2.11 erhalten Krein und Petuin, indem sie die beiden Resultate quasi definitorisch verbraten, in $ \{H_{\alpha}^{0}\}_{\alpha\in (0,1)}$ eine kompakte normale Skala, die sie Hölder-Skala nennen. Es ist möglich, diese Skala an den Rändern $ \alpha=0$ und $ \alpha=1$ (unter Beibehaltung der Eigenschaften) ``stetig fortzusetzen''. Zu diesem Zweck schreibt man die in 1.1.1 definierte $ \ell ip$-Bedingung, die ja für die diskrete Metrik $ d^{0}$ eine leere Bedingung ist, in der Form

$\displaystyle \vert f(x)-f(y)\vert=o(d^{\alpha}(x,y)),
$

mit dem kleinen Landau-Symbol $ o(\cdot)$ und versteht für den Fall $ \alpha=0$ unter $ \vert f(x)-f(y)\vert=o(1)$ wie üblich die Forderung $ \lim_{d(x,y)\to 0}\vert f(x)-f(y)\vert=0$, die man dann als die ``richtige'' $ \ell ip$-Bedingung für die diskrete Metrik auffaßt. Unter Verwendung dieser Konvention erhält man dann mit $ H_{0}^{0}$ den Raum der in 0 verschwindenden stetigen Funktionen $ f$ auf $ [0,1]$ mit der (zu $ \Vert\,{\cdot}\,\Vert _{\infty}$ äquivalenten) Norm $ L_{0}(f)=\sup_{x,y\in [0,1]}\vert f(x)-f(y)\vert$. Entsprechend ist $ H_{0}$ der Raum der in 0 verschwindenden beschränkten Funktionen auf $ [0,1]$ ($ f$ erfüllt $ \vert f(x)-f(y)\vert=O(1)$, und $ O(\cdot)$ ist das große Landau-Symbol), versehen mit der Norm $ L_{0}(\cdot)$. An den anderen Rand $ \alpha=1$ müssen Krein und Petuin allerdings unkanonisch $ H_{1}^{0}=H_{1}$ setzen, um die Eigenschaften der Hölder-Skala zu erhalten.

Musielak und Semadeni arbeiten mit dem folgenden Konzept. Zu den Eigenschaften von F-Normen (die in Ermangelung an Homogenität, die hier auch nicht benötigt wird, meist ``keine sind'') schaue man in ein passendes Buch, zum Beispiel in [23, S. 38].

Definition 1.2.13   Eine Familie von Banachräumen $ \{X_{\alpha}\,\Vert\,{\cdot}\,\Vert _{\alpha}\}$ mit $ \alpha$ aus einem Intervall $ I$, $ X_{\alpha}\subseteq X_{\alpha'}$ mit $ \Vert x\Vert _{\alpha'}\leq \Vert x\Vert _{\alpha}$ $ (\forall x\in X_{\alpha})$ für $ \alpha'< \alpha$, heißt stetig bezüglich $ \alpha$, wenn für alle $ \alpha\in I$ folgendes gilt:
  1. Für $ x\in\bigcup_{\varepsilon >0}X_{\alpha+\varepsilon }$ gilt $ \Vert x\Vert _{\alpha}=\lim_{\alpha'\searrow\alpha}\Vert x\Vert _{\alpha'}$.
  2. Für $ x\in\bigcap_{\varepsilon >0}X_{\alpha-\varepsilon }$ gilt $ \Vert x\Vert _{\alpha}=\lim_{\alpha'\nearrow\alpha}\Vert x\Vert _{\alpha'}$ ($ =\infty$ möglich).
  3. $ \bigcup_{\varepsilon >0}X_{\alpha+\varepsilon }$ ist dicht in $ (X_{\alpha},\Vert\,{\cdot}\,\Vert _{\alpha})$.
  4. $ X_{\alpha}$ ist dicht in $ \bigcap_{\varepsilon >0}X_{\alpha-\varepsilon }$ bezüglich der F-Norm (vgl. VIII.6.15 in [55])

    $\displaystyle \Vert x\Vert _{\alpha}^{*}=\sum_{n=1}^{\infty}2^{-n}\frac{\Vert x\Vert _{\alpha_{n}}}{1+\Vert x\Vert _{\alpha_{n}}},
$

    wenn $ (\alpha_{n})$ eine monoton steigende Folge mit Grenzwert $ \alpha$ ist.
  5. $ \{x:x\in \bigcap_{\varepsilon >0}X_{\alpha-\varepsilon }, \sup_{\varepsilon >0}\Vert x\Vert _{\alpha-\varepsilon }<\infty\}=X_{\alpha}.$
$ \{X_{\alpha}\}_{\alpha\in I}$ heißt stetig von unten, wenn (i), (ii) und (iii) gelten, und stetig von oben, wenn (i), (ii), (iv) und (v) erfüllt sind.

Man beachte, daß mit (ii) und dem Steigungsverhalten von $ \Vert\,{\cdot}\,\Vert _{\alpha}$ die Inklusion ``$ \subseteq$'' in (v) eine sehr natürliche Forderung ist (``$ \supseteq$'' ist nach Voraussetzung immer erfüllt). Des weiteren gilt aus dem gleichen Grund in (iv) $ \Vert x\Vert _{\alpha}^{*}\leq \Vert x\Vert _{\alpha}$ $ \forall x\in X_{\alpha}$. In der Definition der einseitigen Stetigkeit werden die Begriffe ``oben'' und ``unten'' als Inklusionsrichtungen verstanden. Mit unseren Ergebnissen und $ H_{0}^{0}$ wie bei Krein und Petuin erhalten wir als

Korollar 1.2.14   Die Familie der kleinen Hölderräume $ \{H_{\alpha}^{0}\}_{\alpha\in [0,1)}$ ist stetig von unten und die Familie der großen Hölderräume $ \{H_{\alpha}\}_{\alpha\in (0,1]}$ ist stetig von oben.

Beweis. [Beweis] (iii) für die Stetigkeit von $ \{H_{\alpha}^{0}\}_{\alpha\in [0,1)}$ von unten ist Satz 1.2.8 bzw. der Weierstraßsche Approximationssatz im Fall $ \alpha=0$. Musielak und Semadeni beweisen (i) und (ii) mit Lemmata über Familien parameterabhängiger stetiger Funktionen. Wir wissen aber schon, daß die Funktion $ \varphi:\alpha\mapsto L_{\alpha}(f)$ stetig ist, denn sie ist ja logarithmisch konvex, d.h. die Funktion $ \log \varphi$ ist stetig, und zwar auch in $ \alpha=0$, da sie mit $ \varphi$ monoton steigend ist. Natürlich könnte man dies auch direkt mit der Definition von $ L_{\alpha}(f)$ einsehen. Das müssen wir auch zumindest für $ \alpha=1$, um die Stetigkeit von $ \{H_{\alpha}\}_{\alpha\in (0,1]}$ von unten zu erhalten. (iv) ist für diese Familie erfüllt, da wegen (1.2.1) die Inklusion $ \bigcap_{\varepsilon >0}H_{\alpha-\varepsilon }\subseteq H_{\alpha_{1}}^{0}$ gilt und $ H_{\alpha }$ dicht in $ H_{\alpha_{1}}^{0}$ ist (man verwende noch die Monotonie von $ \alpha\mapsto L_{\alpha}(f)$). (v) ist klar, da $ \sup_{\varepsilon >0}L_{\alpha-\varepsilon }(f)=\lim_{\varepsilon \searrow 0}L_{\alpha-\varepsilon }(f)=L_{\alpha}(f)<\infty$ gerade das Kriterium für $ f\in H_{\alpha}$ ist. $ \qedsymbol$

Da sich die Anforderung an ein $ f$, in $ H_{\alpha }^{0}$ zu liegen, nicht in $ L_{\alpha}(f)<\infty$ erschöpft, ist $ \{H_{\alpha}^{0}\}_{\alpha\in [0,1)}$ nicht stetig von unten (man beachte $ \bigcap_{\varepsilon >0}H_{\alpha-\varepsilon }^{0}=\bigcap_{\varepsilon >0}H_{\alpha-\varepsilon }$). Insgesamt sind beide Familien nur jeweils einseitig stetig, und $ \{H_{\alpha}\}$ ist auch keine normale Skala, denn $ H_{\alpha }$ ist nicht dicht in $ H_{\alpha'}$ für $ \alpha'< \alpha$, da dies wegen (1.2.1) sonst auch für $ H_{\alpha'}^{0}$ zutreffen müßte. Die Funktion $ f\in B_{H_{\alpha'}}$, definiert durch $ f(x)=x^{\alpha'}$, hat sogar den Abstand $ 1$ vom Unterraum $ H_{\alpha'}^{0}\supseteq H_{\alpha}$, denn es gilt für jedes $ g\in H_{\alpha'}^{0}$ wegen der $ \ell ip$-Bedingung

$\displaystyle L_{\alpha'}(f-g)\geq \frac{\vert(f-g)(x)-(f-g)(0)\vert}{\vert x-0...
... \vert 1-\frac{g(x)}{x^{\alpha'}}\right \vert \xrightarrow{\text{$x\to 0$}} 1.
$

Man kann also für $ H_{\alpha'}^{0}\subseteq H_{\alpha'}$ im Rieszschen Lemma (siehe I.2.6 in [55]) $ \delta=0$ wählen. Es ist leicht einzusehen, daß mit der Funktion $ f_{x_{0}}: x\mapsto d^{\alpha'}(x,x_{0})$ (siehe Beweis zu Satz 1.1.4 (ii)) die gleiche Aussage für die Lage von $ \ell ip_{0}(K^{\alpha'})$ in $ Lip_{0}(K^{\alpha'})$ für jeden beliebigen metrischen Raum $ K$ mit Basispunkt $ x_{0}$ gilt. Speziell können wir damit noch festhalten, daß wegen $ \bigcup_{\varepsilon >0}H_{\alpha+\varepsilon }\subseteq H_{\alpha}^{0}$ Eigenschaft (iii) für $ \{H_{\alpha}\}$ und wegen (1.2.2) und $ H_{\alpha}\subseteq \bigcap_{\varepsilon >0}H_{\alpha-\varepsilon }^{0}$ die Eigenschaft (iv) für $ \{H_{\alpha}^{0}\}$ verletzt ist.

Bemerkung 1.2.15   Nach den obigen Ergebnissen, die insbesondere für die Hölderskala $ \{H_{\alpha}^{0}\}_{\alpha\in (0,1)}$ ergiebig waren, wollen wir uns hier noch einige Gedanken darüber machen, was die ``glatten'' Funktionen, konkret die bei 0 verschwindenden $ C^{1}$-Funktionen $ C^{1}_{0}([0,1])$ oder $ C^{\infty}$-Funktionen $ C^{\infty}_{0}([0,1])$ mit $ H_{1}$ bzw. den Hölderräumen zu tun haben. Zunächst schließen wir aus der Bemerkung zu Satz 1.2.3, daß die $ C^{1}$-Funktionen weit davon entfernt sind, in $ H_{1}$ dicht zu liegen. Versehen wir $ f\in C^{1}_{0}([0,1])$ mit der Norm $ \Vert f'\Vert _{\infty}$, sehen wir sogar, daß vermöge der Abbildung

$\displaystyle \varPhi_{\vert(C([0,1]),\Vert\,{\cdot}\,\Vert _{\infty})}: C([0,1])\to C^{1}_{0}([0,1])
$

der Satz 1.2.3 mit dem ``gewöhnlichen'' Hauptsatz der Integral- und Differentialrechnung für die hier betrachteten kleineren Räume völlig analog gilt. Insbesondere ist $ C^{1}_{0}([0,1])$ abgeschlossen in der Lipschitznorm $ L(\cdot)$, und die $ C^{\infty}$-Funktionen liegen bezüglich dieser Norm dicht in $ C^{1}_{0}([0,1])$, da sie nach Weierstraß dicht in $ C([0,1])$ liegen.

Was aber ist der Abschluß der glatten Funktionen in der Höldernorm $ L_{\alpha}(\cdot)$? Der Wunsch, hier eine weitere Rechtfertigung für die Definition der kleinen Lipschitzräume zu erhalten, wird nicht enttäuscht. Zunächst sind die in 0 verschwindenden $ C^{1}$-Funktionen auf $ [0,1]$ in $ H_{1}$, also wegen (1.2.1) auch in $ H_{\alpha }^{0}$ für alle $ \alpha<1$. Daß wir darüberhinaus

$\displaystyle \overline{C^{1}_{0}([0,1])}^{L_{\alpha}(\cdot)}= H_{\alpha}^{0}$ (3)

schon gezeigt haben, sieht man, wenn man sich den Beweis von Satz 1.2.7 nochmals zu Gemüte führt. Genauer haben wir (bis auf die Konstante) zu $ f\in H_{\alpha}^{0}$ einfach die Faltung $ f*n\chi_{[-\frac{1}{n},0]}$ zur Approximation herangezogen. Um eine $ C^{\infty}$-Funktion zu erhalten, böte sich natürlich die Friedrichsche Glättung $ f*\varphi_{\varepsilon }$ gemäß II.5.6 in [55] an. Den Beweisgedanken von Satz 1.2.7 auf eine solche Faltung mit $ \varepsilon \to 0$ zu übertragen, erscheint indes schwierig, so daß wir im folgenden noch einen anderen Weg einschlagen wollen.

Wir haben in Satz 1.2.3 gesehen, daß Lipschitzfunktionen auf $ [0,1]$ eine Ableitung in $ L^{\infty}([0,1])$ haben. Dies wird man von den Hölderfunktionen ( $ f:x\mapsto x^{\alpha}$ ist ein Beispiel) natürlich nicht mehr erwarten können -- ja diese brauchen noch nicht einmal von beschränkter Variation zu sein (wir werden in Kapitel 4, siehe Bemerkung 4.2.19, hierzu ein Beispiel sehen). Umgekehrt allerdings wird man hoffen, daß Funktionen mit einer ``schlimmeren'' Ableitung, naheliegenderweise vielleicht einer Ableitung in $ L^{p}([0,1])\supseteq L^{\infty}([0,1])$ für $ p<\infty$, noch Hölder-stetig sind. Da wir hier im Gegensatz zu S. 206 in [55] nicht den Begriff der schwachen Ableitung brauchen, einigen wir uns auf folgendes:

Definition 1.2.16   Ist mit $ AC([0,1])$ der Raum aller absolut stetigen Funktionen auf $ [0,1]$ bezeichnet, so definieren wir für $ 1\leq p\leq \infty$ den Raum

$\displaystyle H_{0}^{1,p}:=\{f\in AC([0,1]), f(0)=0, f'\in L^{p}([0,1])\}
$

und geben ihm die Norm $ \Vert f\Vert _{1,p}=(\int_{0}^{1}\vert f'(t)\vert^{p}dt)^{\frac{1}{p}})=\Vert f'\Vert _{p}$ für $ p<\infty$ bzw. $ \Vert f\Vert _{1,\infty}=\Vert f'\Vert _{\infty}$.

Damit liegt $ f'$ für jedes $ f\in H_{0}^{1,p}$ auch in $ L^{1}([0,1])$, so daß für alle Elemente von $ H_{0}^{1,p}$ der Hauptsatz (A.1.10 in [55]) anwendbar ist, und mit diesem sehen wir sofort den Isomorphismus

$\displaystyle H_{0}^{1,p}\cong L^{p}([0,1])$ (4)

vermöge der Ableitung in $ H_{0}^{1,p}$ analog zu Satz 1.2.3. Jetzt sind wir in der glücklichen Lage, wenigstens einmal in dieser Arbeit für unsere Hölderräume auch die Höldersche Ungleichung (siehe [53] und [22]) anwenden zu können.

Satz 1.2.17   Sei $ \frac{1}{p}+\frac{1}{q}=1$ für $ 1\leq p<\infty$ und $ \alpha=\frac{1}{q}$. Dann liegt $ H_{0}^{1,p}$ dicht in $ H_{\alpha }^{0}$ mit

$\displaystyle L_{\alpha}(f)\leq \Vert f'\Vert _{p}\quad \forall f\in H_{0}^{1,p}.
$

Beweis. [Beweis] Sei zunächst $ p>1$ und $ \alpha=\frac{1}{q}$. Für jedes $ f\in H_{0}^{1,p}$ folgt mit der konstanten Funktion 1 auf $ [0,1]$ und der Hölderschen Ungleichung

$\displaystyle \vert f(x)-f(y)\vert=\left \vert\int_{x}^{y}f'(t)dt\right \vert\l...
..._{L^{q}([x,y])}\leq \Vert f'\Vert _{L^{p}([0,1])}\vert x-y\vert^{\frac{1}{q}},
$

also $ L_{\alpha}(f)\leq \Vert f'\Vert _{p}$. Weiter folgt aus der absoluten Stetigkeit des Integrals bezüglich des Maßes

$\displaystyle \frac{\vert f(x)-f(y)\vert}{\vert x-y\vert^{\alpha}}\leq \left (\int_{x}^{y}\vert f'(t)\vert^{p}dt\right )^{\frac{1}{p}}\to 0$   für$\displaystyle \quad \vert x-y\vert^{\alpha}\to 0,
$

mithin $ f\in H_{\alpha}^{0}$. Darüberhinaus gilt trivialerweise $ C^{1}_{0}([0,1])\subseteq H_{0}^{1,p}$, so daß wegen (1.2.3) die Einbettung $ H_{0}^{1,p}\hookrightarrow H_{\alpha}^{0}$ dicht ist.

Den Fall $ p=1$ sieht man mit $ H_{0}^{0}=(C_{0}([0,1]),L_{0}(\cdot))$ genauso. $ \qedsymbol$

Benutzen wir jetzt noch die bekannte Tatsache (siehe II.5.6 in [55]), daß die $ C^{\infty}$-Funktionen für $ 1\leq p<\infty$ dicht in $ L^{p}([0,1])$ liegen, und die Trivialität, daß der Isomorphismus in (1.2.4) die $ C^{\infty}$-Funktionen in $ H_{0}^{1,p}$ auf die $ C^{\infty}$-Funktionen in $ L^{p}([0,1])$ abbildet, so erhalten wir mit dem obigen Satz das

Korollar 1.2.18   Für alle $ \alpha<1$ ist $ H_{\alpha }^{0}$ der Abschluß der in 0 verschwindenden $ C^{\infty}$-Funktionen auf $ [0,1]$ bezüglich der Höldernorm $ L_{\alpha}(\cdot)$.

Für $ \alpha=0$ und $ H_{0}^{0}=(C_{0}([0,1]),L_{0}(\cdot))$ wie gehabt sieht man die Aussage sofort mit dem Weierstraßschen Approximationssatz. Für $ \alpha=1$ gilt die Aussage auch, wenn wir diesmal $ H_{1}^{0}=C^{1}_{0}([0,1])$ setzen. Mit den kleinen Hölderräumen interpolieren wir also (wenn wir ``Interpolation'' im Sinne dieses Dichtheitsergebnisses verstehen) zwischen den stetigen und den stetig-differenzierbaren Funktionen.

Bemerkung 1.2.19   Mit (1.2.4) und Satz 1.2.17 sieht man, daß die Familie der $ L^{p}$-Räume auf natürliche Weise mit der Familie der kleinen Hölderräume zusammenhängt, und zwar über eine kontraktive Injektion

$\displaystyle i_{p}:L^{p}([0,1])\to H_{\alpha}^{0},
$

die jeden $ L^{p}$-Raum für $ 1\leq p<\infty$ dicht in den kleinen Hölderraum zum Exponenten $ 0\leq\alpha=1-\frac{1}{p}<1$ einbettet (mit wachsendem $ p$ oder $ \alpha$ werden die Räume kleiner). Einmal mehr erhalten wir hieraus die Separabilität der kleinen Hölderräume, denn die $ L^{p}([0,1])$-Räume sind für $ 1\leq p<\infty$ bekannlich separabel. Korollar I.2.15 in [55] liefert sogar mit den Polynomen eine dichte Teilmenge, womit es in obigem Korollar 1.2.18 auch die Polynome getan hätten. Sicher ist $ i_{p}$ nicht surjektiv (es sei denn man nimmt den Fall $ p=\infty$ hinzu und setzt $ H_{0}^{0}=H_{1}$), denn es gibt in jedem kleinen Hölderraum Funktionen, die nicht absolut stetig sind (siehe Bemerkung 4.2.19). Was aber passiert, wenn man nur absolut stetige kleine Hölderfunktionen betrachtet? Wie groß ist die ``Lücke'' in der Mengeninklusion

$\displaystyle H_{0}^{1,p}\subseteq H_{\alpha}^{0}\cap AC([0,1]),$    

oder steht hier etwa immer eine Gleichheit? Beispielsweise haben (mit $ q>1$) die absolut stetigen Standardfunktionen $ f_{q}: x\mapsto x^{\frac{1}{q}}$ mit $ f_{q}\in H_{\alpha}^{0}$ für jedes $ \alpha<\frac{1}{q}$ die Ableitung $ f_{q}':x\mapsto \frac{1}{q}x^{\frac{1}{q}-1}=\frac{1}{q}x^{-\frac{1}{p}}$, und diese liegt in $ L^{p'}([0,1])$ für $ p'<p=\frac{1}{1-\frac{1}{q}}$, also auch für $ p''=\frac{1}{1-\alpha}$. Im Falle $ \alpha=0$ jedenfalls ist die obige Mengeninklusion eine Gleichheit, denn nach dem schon oft zitierten Hauptsatz (A.1.10 in [55]) gilt (bis auf Konstanten) gerade

$\displaystyle f\in H_{0}^{0}\cap AC([0,1]) \Longleftrightarrow f'\in L^{1}([0,1]).
$

In diesem Zusammenhang kann man sich auch bei den ``dichten'' Inklusionen

$\displaystyle H_{\alpha}\subseteq \bigcap_{\varepsilon >0}H_{\alpha-\varepsilon }^{0}$   für$\displaystyle \quad 0<\alpha\leq 1$ (5)

und

$\displaystyle \bigcup_{\varepsilon >0}H_{\alpha+\varepsilon }\subseteq H_{\alpha}^{0}$   für$\displaystyle \quad 0\leq\alpha<1$ (6)

die Frage nach der ``Lücke dazwischen'' stellen. Diese ist in beiden Fällen stets nichttrivial.

Da die großen Hölderräume die Eigenschaft (v) in Definition 1.2.13 erfüllen, sieht man sofort, wonach man zum Beweis der Echtheit der Inklusion in (1.2.5) suchen muß, nämlich nach einem $ f$ mit $ L_{\alpha'}(f)<\infty\enspace\forall\, \alpha'<\alpha$ und $ L_{\alpha'}(f)\to\infty$ für $ \alpha'\to\alpha$. Betrachte hierzu die folgende Funktion $ f$ (siehe Abbildung 1.1), die als Summe immer kürzer und steiler werdender `` $ x^{\alpha}$-Bögen'' entsteht. Sei für jedes $ n\in {\mathbb{N}}$ und $ x_{n}=\sum_{k=1}^{n}(\frac{1}{2})^{k}$ die Funktion $ f_{n}\in H_{\alpha}$ (mit $ x_{0}=0$) definiert als

\begin{displaymath}
f_{n}:x\mapsto\left\{
\begin{array}{cl}
0 & \mbox{f\uml ur}\...
...} & \mbox{f\uml ur}\quad x_{n}\leq x\leq 1
\end{array} \right.
\end{displaymath}

und $ f(x):=\sum_{n=1}^{\infty}f_{n}(x)$ punktweise auf $ [0,1]$, speziell $ f(1)=\sum_{k=1}^{\infty}k\left(\frac{1}{2^{\alpha}}\right)^{k}$. Dann gilt für jedes $ n\in {\mathbb{N}}$

$\displaystyle \frac{f(x_{n})-f(x_{n-1})}{(x_{n}-x_{n-1})^{\alpha}}=\frac{n\big(\frac{1}{2}\big)^{n\alpha}}{\big(\frac{1}{2}\big)^{n\alpha}}=n,
$

also $ f\notin H_{\alpha}$. Aber es ist $ f\in H_{\alpha'}$ für jedes $ \alpha'< \alpha$. Die Intuition sagt, daß es hierfür reicht,

$\displaystyle \lim_{n\to\infty}\frac{f(1)-f(x_{n})}{(1-x_{n})^{\alpha'}}= 0\quad\forall \,\alpha'<\alpha
$

nachzuweisen. Sei also $ \alpha'< \alpha$ gegeben und $ r<1$ derart, daß $ \alpha'<r\alpha$ gilt. Wähle nun $ N\in {\mathbb{N}}$ so groß, daß $ \frac{n}{(2^{(1-r)\alpha})^{n}}\leq 1\enspace \forall\, n\geq N$ ist. Dann folgt für $ n\geq N$

$\displaystyle f(1)-f(x_{n})\leq \sum_{k=n}^{\infty}k\left(\frac{1}{2^{\alpha}}\right)^{k}\leq \sum_{k=n}^{\infty}\left(\frac{1}{2^{r\alpha}}\right)^{k},$   also$\displaystyle $

$\displaystyle f(1)-f(x_{n})\leq\frac{(2^{-r\alpha})^{n}}{1-2^{-r\alpha}}\enspace$   und damit$\displaystyle $

$\displaystyle \frac{f(1)-f(x_{n})}{(1-x_{n})^{\alpha'}}\leq \frac{1}{1-2^{-r\al...
...{n}}{(2^{-n})^{\alpha'}}=\frac{1}{1-2^{-r\alpha}}(2^{\alpha'-r\alpha})^{n}\to 0$   für$\displaystyle \quad n\to \infty.
$

Nach Zweifeln (vergleiche Beispiel 4.2.11!) kann man mit dem gleichen Vorgehen über geometrische Summen noch auf die Beschränktheit der Terme $ \frac{f(x_{m})-f(x_{n})}{(x_{m}-x_{n})^{\alpha'}}$ für $ m>n$ schließen und ist sich dann nach kurzem Bedenken der Tatsache $ f\in H_{\alpha'}\enspace\forall\alpha'<\alpha$ ganz sicher.

Abbildung 1.1: $ f$: Hölder-stetig genau für alle Exponenten aus $ (0,\frac {1}{2})$
\epsfig{file=ex-1z.eps,height=6cm,width=6cm}
Abbildung 1.2: $ f_{0}$: eine stetige aber nicht Hölder-stetige Funktion
\epsfig{file=ex-2z.eps,height=6cm,width=6cm}

Für den Nachweis der Nicht-Trivialität der Inklusion in (1.2.6) ist im Falle $ \alpha=0$ eine stetige Funktion gefragt, die zu keinem Exponenten Hölder-stetig ist. Als Beispiel betrachte man die auf $ [0,1]$ stetige Funktion

$\displaystyle f_{0}: f_{0}(x)=-\frac{1}{\log \frac{x}{2}}
$

mit $ f_{0}(0):=0$, die in 0 stärker als jede Wurzel steigt (siehe Abbildung 1.2), denn de L'Hospital liefert

$\displaystyle \lim_{x\searrow 0}\frac{f_{0}(x)-f_{0}(0)}{(x-0)^{\alpha}}=\lim_{...
...ac{1}{x}}=\lim_{x\searrow 0}\alpha x^{-\alpha}=\infty\quad \forall\, \alpha>0.
$

(Mit einer in 4.2.10 vorgestellten Konstruktion ist es sogar möglich, aus $ f_{0}$ eine stetige Funktion zu gewinnen, welche in keinem Teilintervall von $ [0,1]$ eine Hölderbedingung erfüllt.) Im Fall $ \alpha>0$ könnte man an das analoge Beispiel $ f_{\alpha}: f_{\alpha}(x)=x^{\alpha}f_{0}(x)$ auf $ [0,1]$ denken, für welches aus dem gleichen Grund $ f_{\alpha}\notin H_{\alpha+\varepsilon }$ für jedes $ \varepsilon >0$ gilt. Weiter ist für $ y=0$

$\displaystyle \lim_{\substack{x\to y\\  x\neq y}}\frac{\vert f_{\alpha}(x)-f_{\alpha}(y)\vert}{\vert x-y\vert^{\alpha}}=0
$

klar, und für $ y>0$ folgt dies aus der stetigen Differenzierbarkeit von $ f_{\alpha}$ auf $ (0,1]$. Man beachte jedoch, daß damit die $ \ell ip$-Bedingung nur punktweise nachgeprüft ist. Was für $ \vert x-y\vert^{\alpha}\to 0$, $ x\to 0$ und $ x$ ``sehr nahe'' bei $ y$ mit variablen $ x$ und $ y$ passiert (und das ist der noch zu prüfende Fall), ist damit noch nicht klar. Wir werden in Kapitel 4 ein Beispiel sehen (nämlich Beispiel 4.2.11, das oben schon Zweifel streute), welches zeigt, daß aus der punktweisen nicht die gleichmäßige $ \ell ip$-Bedingung folgt. Und obwohl man -- nach kurzem Nachsinnen über Satz 1.1.10 -- für einen kompakten metrischen Raum $ K$ sofort $ f\in \ell ip(K)$ schließen kann, wenn $ f$ nur die (gleichmäßige!) $ \ell ip$-Bedingung erfüllt (siehe auch Lemma 4.2.13), ist für obiges $ f_{\alpha}$ noch nicht einmal klar, ob überhaupt $ f_{\alpha}\in H_{\alpha}$ gilt.

Glücklicherweise können wir nach all unserer geleisteten Vorarbeit trotzdem $ f_{\alpha}\in H_{\alpha}^{0}$ zeigen, denn es gilt sogar $ f_{\alpha}\in H_{0}^{1,p}$ mit $ p=\frac{1}{1-\alpha}$, womit aus Satz 1.2.17 die Behauptung folgt. Es ist also lediglich noch nachzuweisen, daß die Ableitung

$\displaystyle f_{\alpha}':f_{\alpha}'(x)=-\frac{\alpha x^{\alpha-1}}{\log \frac{x}{2}}+ \frac{x^{\alpha-1}}{(\log \frac{x}{2})^{2}}
$

in $ L^{p}([0,1])$ für $ p=\frac{1}{1-\alpha}$ liegt, und man rechnet leicht nach, daß hierfür nur die Konvergenz des Integrals

$\displaystyle \int_{0}^{\frac{1}{2}}\frac{dx}{x\vert\log x\vert^{p}}\quad\forall\, p>1
$

gezeigt werden muß. Für $ p=1$ hätten wir übrigens $ g:x\mapsto \log\vert\log x\vert$ als Stammfunktion des Integranden, also Pech. Für $ p>1$ hat man sogar auch eine einfache Stammfunktion, nämlich $ f:x\mapsto \frac{1}{(p-1)\vert\log x\vert^{p-1}}$, und damit Glück.

Die bisherigen Ergebnisse, die besonders für die kleinen Hölderräume ergiebig waren, mögen den Eindruck vermitteln, daß der große Lipschitzraum gegenüber dem kleinen sehr unhandlich ist. Dies ist allerdings für unsere großen Hölderräume nicht ganz der Fall, denn es kommt ihnen die folgende wichtige Eigenschaft zu:

Satz 1.2.20   Die Einheitskugel $ B_{H_{\alpha}^{0}}$ liegt dicht in der Einheitskugel $ B_{H_{\alpha}}$ bezüglich der Supremumsnorm für $ 0<\alpha <1$.

Beweis. [Beweis] Sei $ f\in B_{H_{\alpha}}$ und $ \varepsilon >0$. Wir nähern $ f$ durch ein Polygon an: Zu $ n\in {\mathbb{N}}$ sei $ \{x_{k}\}_{k=0}^{n}$ mit $ x_{k}=\frac{k}{n}$ eine äquidistante Partition von $ [0,1]$ und $ p_{n}$ das zugehörige Polygon mit den Eckpunkten $ (x_{k},f(x_{k}))$. Dann liegt $ p_{n}$ nach Satz 1.2.3 in $ H_{1}$, also auch in $ H_{\alpha }^{0}$, und es folgt $ \Vert f-p_{n}\Vert _{\infty}\leq\varepsilon $ aus der gleichmäßigen Stetigkeit von $ f$, wenn wir $ n$ groß genug wählen.

Zu zeigen ist nun noch, daß mit $ L_{\alpha}(f)\leq 1$ auch $ L_{\alpha}(p_{n})\leq 1$ gilt. Wir bewahren kühlen Kopf und genießen Schritt für Schritt die Gedanken von Krein und Petuin. Seien zunächst $ x,y\in [x_{k-1},x_{k}]$, $ x\neq y,$ für ein $ k\in \{1,\dots,n\}$, dann folgt aus der Linearität von $ p_{n}$ auf $ [x_{k-1},x_{k}]$

\begin{displaymath}\begin{split}& \frac{\vert p_{n}(x)-p_{n}(y)\vert}{\vert x-y\...
...1})\vert}{\vert x_{k}-x_{k-1}\vert^{\alpha}}\leq 1. \end{split}\end{displaymath}    

Nun seien für die Stellen $ a=x_{k-1}$, $ b=x_{k}$ und $ u\in [0,1]\backslash [x_{k-1},x_{k}]$ für ein $ k\in\{1,\dots n\}$ die Ungleichungen

$\displaystyle \frac{\vert p_{n}(u)-p_{n}(a)\vert}{\vert u-a\vert^{\alpha}}\leq 1$   und$\displaystyle \quad \frac{\vert p_{n}(u)-p_{n}(b)\vert}{\vert u-b\vert^{\alpha}}\leq 1$ (7)

vorausgesetzt. Dann folgt mit $ \lambda\in (0,1)$ für jedes $ v=\lambda a+ (1-\lambda)b\in (a,b)$ auch

$\displaystyle \frac{\vert p_{n}(u)-p_{n}(v)\vert}{\vert u-v\vert^{\alpha}}\leq 1,
$

denn mit der Linearität von $ p_{n}$ auf $ [a,b]$ erhält man $ p_{n}(v)=\lambda p_{n}(a)+ (1-\lambda)p_{n}(b)$ und damit

$\displaystyle \frac{\vert p_{n}(u)-p_{n}(v)\vert}{\vert u-v\vert^{\alpha}}$ $\displaystyle =\frac{\vert\lambda(p_{n}(u)-p_{n}(a))+(1-\lambda)(p_{n}(u)-p_{n}(b))\vert}{\vert\lambda(u-a)+(1-\lambda)(u-b)\vert^{\alpha}}$    
  % latex2html id marker 32894
$\displaystyle \overset{\text{(\ref{xkxk-1})}}{\leq...
...ert u-b\vert^{\alpha}}{\vert\lambda(u-a)+(1-\lambda)(u-b)\vert^{\alpha}}\leq 1.$    

Die letzte Ungleichung ist die Konkavität der Wurzelfunktion (wobei man die Annahme $ u\notin [a,b]$ beachte -- der gegenteilige Fall wurde ja oben bereits besprochen).

Seien nun $ x\in (x_{i-1},x_{i})$ und $ y\in (x_{k-1},x_{k})$ mit $ i< k$ gegeben. Dann gilt (1.2.7) einmal für $ u=x_{i}$, $ a=x_{k-1}$ und $ b=x_{k}$ (außer im Spezialfall $ x_{i}=x_{k-1}$, den man sich genauso überlegt) und zum zweiten für $ u=x_{i-1}$, $ a=x_{k-1}$ und $ b=x_{k}$. Durch zweimalige Anwendung des gerade Bewiesenen sehen wir damit die Gültigkeit von (1.2.7) auch für die Stellen $ u=y$, $ a=x_{i-1}$ und $ b=x_{i}$, so daß eine dritte Anwendung schließlich

$\displaystyle \frac{\vert p_{n}(x)-p_{n}(y)\vert}{\vert x-y\vert^{\alpha}}\leq 1
$

liefert, wodurch insgesamt $ p_{n}\in B_{H_{\alpha}^{0}}$ gezeigt ist. $ \qedsymbol$

Der Beweis zeigt, daß sogar die rationalen Polygone in $ B_{H_{\alpha}}$ dicht in $ B_{H_{\alpha}}$ bezüglich der Supremumsnorm liegen. Des weiteren liefert der obige Gedankengang noch ein nettes Ergebnis, das einerseits für sich genommen schon interessant ist und andererseits im Hinblick auf die Arbeit in Kapitel 4 zitierfähig festgehalten sei:

Korollar 1.2.21   Ist $ g$ ein Polygon, welches in allen seinen Knoten die Funktion $ f\in H_{\alpha}$ interpoliert, dann gilt $ L_{\alpha}(g)\leq L_{\alpha}(f)$.

Wir haben aber fast unbemerkt noch etwas weiteres gezeigt, nämlich eine gewisse Fortsetzungseigenschaft für kleine Hölderfunktionen:

Korollar 1.2.22   Zu jedem $ f\in H_{\alpha}$, endlich vielen Punkten $ x_{i}$, $ i=1,\dots, n$, in $ [0,1]$ und $ \varepsilon >0$ gibt es ein $ g\in H_{\alpha}^{0}$ mit $ g(x_{i})=f(x_{i})$ für alle $ i=1,\dots, n$, so daß $ \Vert f-g\Vert _{\infty}\leq\varepsilon $ und $ L_{\alpha}(g)\leq L_{\alpha}(f)$ gilt.

Beenden wollen wir dieses einführende Kapitel über die Grundlagen zu Lipschitzräumen mit der Bemerkung, daß die soeben gefundene Art der Lage eines kleinen Lipschitzraums im großen -- wie wir noch sehen werden -- eine besonders schöne ist.


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Heiko Berninger 2003-04-25