Nächste Seite: Isomorphie zwischen Lipschitzräumen und
Aufwärts: Grundlegendes über Lipschitzräume
Vorherige Seite: Einige Definitionen und Eigenschaften
  Inhalt
In diesem Abschnitt wollen wir uns ein etwas genaueres Bild von Lipschitzräumen machen, indem wir eine gewisse Klasse von konkreten einfachen Lipschitzräumen näher ansehen. Es ist naheliegend, hierfür das Einheitskompaktum
, versehen mit der gewöhnlichen Metrik, heranzuziehen und darauf gleich eine ganze Klasse von Lipschitzräumen zu betrachten, zum Beispiel mit dem Basispunkt
alle Hölderräume
und
mit
. Diese Räume wurden erstmals Anfang der 60er Jahre ausgiebig und gewinnbringend studiert. Die wichtigsten Ergebnisse aus dieser Zeit stammen von J. Musielak und Z. Semadeni [42], Z. Ciesielski [7], K. de Leeuw [33] sowie von S. G. Krein und Y. I. Petuin [32]. Hier wollen wir zunächst die grundlegenden Erkenntnisse von Musielak und Semadeni, die von Krein und Petuin ergänzt und erweitert wurden, genauer betrachten.
Erinnern wir uns an die in der Einleitung dieser Arbeit gestellte Frage, wie der kleine Lipschitzraum im großen liegt, so können wir diese Frage nun auf die ganze Familie von Lipschitzräumen
bzw.
mit
ausdehnen. Mit Blick auf Satz 1.1.19 und der Beobachtung, daß für
die Metrik
eine Höldermetrik zu
mit dem Exponenten
ist (also lokal größer als
), folgen die grundlegenden Mengeninklusionen
für  |
(1) |
und
bilden also jeweils eine mit fallendem
aufsteigende Familie von Mengen. Dabei ist jeweils die Einbettung in einen größeren Raum stetig mit (siehe Beweis zu Satz 1.1.19 mit
statt
und
statt
)
 |
(2) |
Des weiteren sind natürlich die obigen Inklusionen echt, da für
stets
gilt:
Wegen der Semiadditivität der Wurzelfunktion (siehe Beweis zu Satz 1.1.17) gilt für
stets
, also
, und mit
sieht man
und (mit
)
.
Es ist klar, daß für jedes
auch die um
(
) nach rechts verschobene und in
durch 0 fortgesetzte Funktion
in
ist. Für unser obiges
bedeutet dies, daß
mit
eine überabzählbare Familie von Funktionen in
ist, für die (mit
) gilt:
also
(sogar
, wie man leicht sieht). Das bekannte Kardinalitätsargument (vergleiche Beispiel (c) zu Satz I.2.9 in [55]) liefert nun den
Bemerkung 1.2.2
Man wird über die Aussage dieses Satzes nach den in Abschnitt 1.1 zusammengestellten Ergebnissen nicht mehr sonderlich überrascht sein, denn wir haben im Beweis zu Satz
1.1.4 (ii) bereits einfache aus der Metrik

(was hat man auch sonst zur Verfügung!) gewonnene Lipschitzfunktionen

auf allgemeinen metrischen Räumen

mit

kennengelernt, die unseren obigen

ja im wesentlichen entsprechen. Mit verschiedenen

hat man dann
und damit die Nicht-Separabilität von

, falls

überabzählbar ist. Mit den beschränkten Funktionen

(siehe Satz
1.1.12) erhält man das gleiche für

. In Abschnitt 2.3 werden wir jedoch auch dieses Ergebnis weiter verallgemeinern (siehe Korollar
2.3.5), indem wir uns noch der Überabzählbarkeit von

als Voraussetzung entledigen.
Analog zu obigem
gilt auch
, sobald
ein Häufungspunkt in
ist. Wir werden später, ebenfalls in Abschnitt 2.3, die Lücke zwischen den Hölderräumen
und
unter der an den metrischen Raum gestellten Voraussetzung
näher untersuchen und feststellen, daß diese, auch unter Banachraum-theoretischen Gesichtspunkten, ``ziemlich groß'' ist (vergleiche Theorem 2.3.1 und Korollar 2.3.4).
Wir werden sehen, daß die Eigenschaft der
, nicht separabel zu sein, von den kleinen Hölderräumen
für
nicht geteilt wird. Doch zunächst wollen wir uns den Sonderfall
(für den ja
gilt) noch etwas genauer ansehen.
Satz 1.2.3
![$ H_{1}=Lip_{0}([0,1])$](img466.png)
ist isometrisch isomorph zu
![$ L^{\infty}([0,1])$](img467.png)
vermittels der Abbildung
Beweis.
[Beweis]
Die offenbar lineare Abbildung

ist wohldefiniert und kontraktiv, da für alle
![$ x,y\in [0,1],x\neq y$](img470.png)
,
erfüllt ist. Andererseits sind die Lipschitzfunktionen in

als absolut stetige Funktionen fast überall differenzierbar, und es gilt nach dem Hauptsatz (siehe A.1.10 (a) in [
55])

mit
Also ist

surjektiv mit

. Nach dem zweiten Teil des Hauptsatzes (siehe A.1.10 (b) in [
55]) ist

auch injektiv mit
![$ (\varPhi(g))'=g\enspace\forall g\in L^{\infty}([0,1])$](img476.png)
. Zusammen mit

ist

also ein isometrischer Isomorphismus.
Definition 1.2.4
Sei mit

, eine Partition des Intervalls
![$ [0,1]$](img35.png)
gegeben. Bezeichnet

die charakteristische Funktion der Menge
![$ A\subseteq [0,1]$](img480.png)
, so heißt eine Funktion
Treppenfunktion, wenn mit reellen oder komplexen

,

,
fast überall auf

zutrifft. Die Menge der
Regelfunktionen ist gerade der Abschluß der Treppenfunktionen in
![$ L^{\infty}([0,1])$](img467.png)
. Weiter sei eine Funktion

, welche auf jedem Intervall
![$ [a_{k-1},a_{k}], k=1,\dots, n$](img487.png)
, linear ist, als
polygonale Funktion oder als
Polygon bezeichnet. Die Punkte

, heißen
Knoten des Polygons. Sind die Koordinaten aller Knoten eines Polygons rational (oder in

im Falle einer komplexwertigen Funktion), so nennt man das Polygon
rational.
Bemerkung 1.2.5
Durch Satz
1.2.3 mag man eine Vorstellung davon gewinnen, wie ``stark'' die Lipschitznorm auf

ist, denn obwohl in der Supremumsnorm

nur ein kleiner Teilraum des vergleichsweise großen
![$ L^{\infty}([0,1])$](img467.png)
ist, erhält man durch die Lipschitznorm so viel Information über die Konvergenz in

, daß man die ganze Reichhaltigkeit von
![$ L^{\infty}([0,1])$](img467.png)
dazu braucht, um diese zu beschreiben. Beispielsweise sieht man schnell, daß obiges

die Treppenfunktionen in
![$ L^{\infty}([0,1])$](img467.png)
auf die polygonalen Funktionen abbildet, so daß genau die Funktionen

durch Polygone in der Norm

approximierbar sind, für die

mit einer Regelfunktion

auf
![$ [0,1]$](img35.png)
gilt. Da Regelfunktionen insbesondere Riemann-integrierbar sind, kann kein

, für das

nicht Riemann-integrierbar ist, durch Polygone in der Lipschitznorm angenähert werden. Sind weiter

differenzierbar in

und

nicht differenzierbar in

mit existenter links- und rechtsseitiger Ableitung

und

und gilt

, so folgt

und

. Insbesondere kann ein Polygon mit einem Knoten an einer irrationalen Stelle nicht durch rationale Polygone in der Lipschitznorm

approximiert werden. Dies ändert sich jedoch schnell, wenn man

mit einer Höldernorm versieht:
Lemma 1.2.6
Für

liegt die Menge aller polygonalen Funktionen dicht im Raum

.
Wir werden in Abschnitt 2.1 eine weitaus stärkere Aussage beweisen (nämlich Theorem 2.1.2), die das obige Lemma und auch einige weitere Ergebnisse in diesem Abschnitt impliziert. Trotzdem wollen wir uns zumindest die interessante Beweisidee von Musielak und Semadeni zu Gemüte führen.
Beweis.
[Beweisskizze]
Es werden für

die folgenden durch die Abbildung

aus Satz
1.2.3 in
![$ L^{\infty}([0,1])$](img467.png)
induzierten Normen

betrachtet:
Damit reicht es zu zeigen, daß die Treppenfunktionen für

dicht in
![$ (L^{\infty}([0,1]),\Vert\,{\cdot}\,\Vert _{\alpha}^{\varPhi})$](img503.png)
liegen. Da Linearkombinationen charakteristischer Funktionen dicht in
![$ (L^{\infty}([0,1]),\Vert\,{\cdot}\,\Vert _{\infty})$](img504.png)
sind und, wie leicht zu sehen,
![$ \Vert g\Vert _{\alpha}^{\varPhi}\leq \Vert g\Vert _{\infty}\enspace \forall g\in L^{\infty}([0,1])$](img505.png)
gilt, liegen sie auch dicht in
![$ (L^{\infty}([0,1]),\Vert\,{\cdot}\,\Vert _{\alpha}^{\varPhi})$](img503.png)
, so daß nur nachzuweisen bleibt, daß jede charakteristische Funktion

einer meßbaren Menge
![$ A\subseteq [0,1]$](img480.png)
durch Treppenfunktionen in der Norm

approximierbar ist. Und letzteres funktioniert tatsächlich, wenn man eine genügend feine Partition von
![$ [0,1]$](img35.png)
wählt mit äquidistanten Teilintervallen
![$ [a_{k},b_{k}]$](img506.png)
und auf diesen das approximierende

als Mittelwert

von

auf
![$ [a_{k},b_{k}]$](img506.png)
definiert.
Im Hinblick auf die Bemerkung zu Satz 1.1.19 ist das folgende Dichtheitsresultat interessant:
Auch dieser Satz wird in Abschnitt 2.1 als Korollar des viel stärkeren Theorems 2.1.2 abfallen und in Abschnitt 2.2 (Korollar 2.2.7) und schließlich in Kapitel 3 (Korollar 3.5.12) noch weiter verallgemeinert. Um ihn jedoch in diesem einfachen Fall direkt einzusehen, wollen wir den Beweis von Musielak und Semadeni an dieser Stelle durchexerzieren.
Beweis.
[Beweis]
Zu

betrachte für

die Funktionen

, definiert durch
indem man

für

setzt.
Man sieht, daß diese Definition schöne Effekte hat: Zunächst nähert man durch das erste Integral

immer besser an, für

erhält man die Ableitung der Integralfunktion über

an der Stelle

, also

. Der zweite Term geht für

gegen 0 und sichert

. Schreibt man

als Differenz der Integrale

über

, so sieht man, daß jedes

stetig differenzierbar ist, also nach dem Mittelwertsatz (oder nach Satz
1.2.3) in

liegt.
Mit der Variablentransformation

im ersten Integral erhält man
Sei abkürzend noch

geschrieben, also

.
Wähle nun ein

. Wir unterscheiden zwei Fälle. Wegen

existiert ein

, so daß

für alle
![$ x\in [0,1]$](img524.png)
gilt, wenn

ist. In diesem Fall folgt für alle
Im Falle

ist
Insgesamt erhalten wir

für hinreichend großes

.
Wir notieren noch das sich unmittelbar ergebende
Es schließt sich nun das schon angekündigte zu Satz 1.2.1 gehörige Resultat an, welches auch (vergleiche Korollar 2.3.5 und Satz 3.1.9) in allgemeineren Fällen gilt und einen wichtigen Unterschied zwischen kleinen und großen Lipschitzräumen aufzeigt.
Satz 1.2.9
Die kleinen Hölderräume

und die Räume

, versehen mit der Norm

für

, sind separabel. Konkreter gilt: Die Menge aller rationalen Polygone liegt dicht in diesen Räumen.
Zum Beweis beachte man erstens, daß die Aussage über die Räume
wegen (1.2.1) aus der über die Räume
folgt, und zweitens, daß nach Lemma 1.2.6 und Satz 1.2.7 die Menge der Polygone in jedem kleinen Hölderraum
dicht liegt. Es muß also nur noch gezeigt werden, daß Polygone in der Norm
für
durch rationale Polygone angenähert werden können (was ja -- siehe Bemerkung 1.2.5 -- in der Norm
nicht stimmt!). Dies sieht man jedoch mit dem folgenden Lemma leicht ein.
Lemma 1.2.10
Sei

stetig auf
![$ [0,1]$](img35.png)
und jeweils linear in
![$ [a,b]$](img537.png)
und
![$ [b,c]$](img538.png)
für

. Des weiteren sei

und

definiert durch
Dann gilt

für

.
Der Beweis dieses Lemmas liefert die Abschätzung
mit einer Konstanten
. Dies nachzurechnen ist nicht schwer, aber wenig erquickend, so daß wir hier darauf verzichten wollen -- zumal uns die Aussage des Satzes 1.2.9, die wir damit zeigen wollen, in Abschnitt 2.1 direkt ins Auge springen wird.
Für die Interpolationstheorie ist es wichtig zu wissen, auf welche Weise Räume einer aufsteigenden Familie von Banachräumen ineinander liegen. S. G. Krein und Y. I. Petuin definieren in [32] zu diesem Zweck Skalen von Banachräumen. Bevor wir diesen Begriff mit Leben füllen, halten wir für die Familie
fest, daß nach Satz 1.2.7 der Raum
in
für
dicht eingebettet ist. Diese Einbettung ist wegen (1.2.2) sogar kontraktiv. Krein und Petuin nennen eine solche Einbettung normal. Wir können den nun folgenden Satz mit gutem Recht als ein Analogon zum Einbettungssatz von Rellich (siehe V.2.13 in [55]) ansehen und uns gleichzeitig über den geringen Beweisaufwand freuen.
Satz 1.2.11
Im Falle

ist

normal und kompakt in

eingebettet.
Beweis.
[Beweis]
Es ist nur noch die Kompaktheit der Inklusionsabbildung (also der Identität) zu zeigen. Sei also

eine durch

beschränkte Folge in

. Dann ist

gleichmäßig beschränkt und glücklicherweise auch gleichgradig stetig, so daß die Voraussetzungen des Satzes von Arzelà-Ascoli (an was sollte man sonst auch denken?) erfüllt sind. Also existiert eine gleichmäßig konvergente Teilfolge, o.B.d.A.

selbst. Wir zeigen, daß diese eine Cauchyfolge in

ist. Es ist
Letzteres ist

für

.
Im Fall

ist
für hinreichend große

aufgrund der gleichmäßigen Konvergenz von

. Also gilt für solche

:

.
Es ist klar, daß die Aussage des Satzes anstelle von
auch für
,
gilt und der obige Beweis der Kompaktheitsaussage nur die Kompaktheit des zugrundegelegten metrischen Raums
(als Voraussetzung für Arzelà-Ascoli) erfordert. Mit dem Beweis sieht man zum Beispiel auch, daß die Einheitskugel in einem Lipschitzraum über einem Kompaktum bezüglich der Topologie der gleichmäßigen Konvergenz immer präkompakt ist. Auf diese Tatsache werden wir in Kapitel 3 (konkret im Beweis zu Satz 3.1.7) zurückgreifen.
Wir wollen noch eine Beobachtung zum Verhalten der Norm
für festes
in Abhängigkeit von
machen (solange dies für ein
Sinn ergibt). Ist etwa
und
, so ist
als Konvexkombination
darstellbar, und es gilt für
,
so daß
logarithmisch konvex ist bzw. genauer
eine wegen (1.2.2) monoton steigende Gerade (zwischen 0 und
) beschreibt (vergleiche mit der Aussage über das Verhalten von
im Interpolationssatz von Riesz-Thorin (II.4.2 in [55]); hier betrachten wir anstelle von
einfach die Inklusionsabbildung von
nach
für
). Damit ist der Epigraph (d.h. die Fläche über dem Graphen) der Funktion
als Schnitt konvexer Mengen wieder konvex, d.h. wir erhalten für
das
Lemma 1.2.12
Solange

bleibt, ist für ein festes Hölder-stetiges
eine monoton steigende logarithmisch konvexe Funktion.
Mit diesem Ergebnis und Satz 1.2.11 erhalten Krein und Petuin, indem sie die beiden Resultate quasi definitorisch verbraten, in
eine kompakte normale Skala, die sie Hölder-Skala nennen. Es ist möglich, diese Skala an den Rändern
und
(unter Beibehaltung der Eigenschaften) ``stetig fortzusetzen''. Zu diesem Zweck schreibt man die in 1.1.1 definierte
-Bedingung, die ja für die diskrete Metrik
eine leere Bedingung ist, in der Form
mit dem kleinen Landau-Symbol
und versteht für den Fall
unter
wie üblich die Forderung
, die man dann als die ``richtige''
-Bedingung für die diskrete Metrik auffaßt. Unter Verwendung dieser Konvention erhält man dann mit
den Raum der in 0 verschwindenden stetigen Funktionen
auf
mit der (zu
äquivalenten) Norm
. Entsprechend ist
der Raum der in 0 verschwindenden beschränkten Funktionen auf
(
erfüllt
, und
ist das große Landau-Symbol), versehen mit der Norm
. An den anderen Rand
müssen Krein und Petuin allerdings unkanonisch
setzen, um die Eigenschaften der Hölder-Skala zu erhalten.
Musielak und Semadeni arbeiten mit dem folgenden Konzept. Zu den Eigenschaften von F-Normen (die in Ermangelung an Homogenität, die hier auch nicht benötigt wird, meist ``keine sind'') schaue man in ein passendes Buch, zum Beispiel in [23, S. 38].
Definition 1.2.13
Eine Familie von Banachräumen

mit

aus einem Intervall

,

mit

für

, heißt
stetig bezüglich 
, wenn für alle

folgendes gilt:
- Für
gilt
.
- Für
gilt
(
möglich).
-
ist dicht in
.
-
ist dicht in
bezüglich der F-Norm (vgl. VIII.6.15 in [55])
wenn
eine monoton steigende Folge mit Grenzwert
ist.
-

heißt
stetig von unten, wenn
(i),
(ii) und
(iii) gelten, und
stetig von oben, wenn
(i),
(ii),
(iv) und
(v) erfüllt sind.
Man beachte, daß mit (ii) und dem Steigungsverhalten von
die Inklusion ``
'' in (v) eine sehr natürliche Forderung ist (``
'' ist nach Voraussetzung immer erfüllt). Des weiteren gilt aus dem gleichen Grund in (iv)
. In der Definition der einseitigen Stetigkeit werden die Begriffe ``oben'' und ``unten'' als Inklusionsrichtungen verstanden. Mit unseren Ergebnissen und
wie bei Krein und Petuin erhalten wir als
Korollar 1.2.14
Die Familie der kleinen Hölderräume

ist stetig von unten und die Familie der großen Hölderräume
![$ \{H_{\alpha}\}_{\alpha\in (0,1]}$](img611.png)
ist stetig von oben.
Beweis.
[Beweis]
(iii) für die Stetigkeit von

von unten ist Satz
1.2.8 bzw. der Weierstraßsche Approximationssatz im Fall

. Musielak und Semadeni beweisen
(i) und
(ii) mit Lemmata über Familien parameterabhängiger stetiger Funktionen. Wir wissen aber schon, daß die Funktion

stetig ist, denn sie ist ja logarithmisch konvex, d.h. die Funktion

ist stetig, und zwar auch in

, da sie mit

monoton steigend ist. Natürlich könnte man dies auch direkt mit der Definition von

einsehen. Das müssen wir auch zumindest für

, um die Stetigkeit von
![$ \{H_{\alpha}\}_{\alpha\in (0,1]}$](img611.png)
von unten zu erhalten.
(iv) ist für diese Familie erfüllt, da wegen (
1.2.1) die Inklusion

gilt und

dicht in

ist (man verwende noch die Monotonie von

).
(v) ist klar, da

gerade das Kriterium für

ist.
Da sich die Anforderung an ein
, in
zu liegen, nicht in
erschöpft, ist
nicht stetig von unten (man beachte
). Insgesamt sind beide Familien nur jeweils einseitig stetig, und
ist auch keine normale Skala, denn
ist nicht dicht in
für
, da dies wegen (1.2.1) sonst auch für
zutreffen müßte. Die Funktion
, definiert durch
, hat sogar den Abstand
vom Unterraum
, denn es gilt für jedes
wegen der
-Bedingung
Man kann also für
im Rieszschen Lemma (siehe I.2.6 in [55])
wählen. Es ist leicht einzusehen, daß mit der Funktion
(siehe Beweis zu Satz 1.1.4 (ii)) die gleiche Aussage für die Lage von
in
für jeden beliebigen metrischen Raum
mit Basispunkt
gilt. Speziell können wir damit noch festhalten, daß wegen
Eigenschaft (iii) für
und wegen (1.2.2) und
die Eigenschaft (iv) für
verletzt ist.
Bemerkung 1.2.15
Nach den obigen Ergebnissen, die insbesondere für die Hölderskala

ergiebig waren, wollen wir uns hier noch einige Gedanken darüber machen, was die ``glatten'' Funktionen, konkret die bei 0 verschwindenden

-Funktionen
![$ C^{1}_{0}([0,1])$](img636.png)
oder

-Funktionen
![$ C^{\infty}_{0}([0,1])$](img638.png)
mit

bzw. den Hölderräumen zu tun haben. Zunächst schließen wir aus der Bemerkung zu Satz
1.2.3, daß die

-Funktionen weit davon entfernt sind, in

dicht zu liegen. Versehen wir
![$ f\in C^{1}_{0}([0,1])$](img639.png)
mit der Norm

, sehen wir sogar, daß vermöge der Abbildung
der Satz
1.2.3 mit dem ``gewöhnlichen'' Hauptsatz der Integral- und Differentialrechnung für die hier betrachteten kleineren Räume völlig analog gilt. Insbesondere ist
![$ C^{1}_{0}([0,1])$](img636.png)
abgeschlossen in der Lipschitznorm

, und die

-Funktionen liegen bezüglich dieser Norm dicht in
![$ C^{1}_{0}([0,1])$](img636.png)
, da sie nach Weierstraß dicht in
![$ C([0,1])$](img642.png)
liegen.
Was aber ist der Abschluß der glatten Funktionen in der Höldernorm
? Der Wunsch, hier eine weitere Rechtfertigung für die Definition der kleinen Lipschitzräume zu erhalten, wird nicht enttäuscht. Zunächst sind die in 0 verschwindenden
-Funktionen auf
in
, also wegen (1.2.1) auch in
für alle
. Daß wir darüberhinaus
![$\displaystyle \overline{C^{1}_{0}([0,1])}^{L_{\alpha}(\cdot)}= H_{\alpha}^{0}$](img643.png) |
(3) |
schon gezeigt haben, sieht man, wenn man sich den Beweis von Satz
1.2.7 nochmals zu Gemüte führt. Genauer haben wir (bis auf die Konstante) zu

einfach die Faltung
![$ f*n\chi_{[-\frac{1}{n},0]}$](img644.png)
zur Approximation herangezogen. Um eine

-Funktion zu erhalten, böte sich natürlich die Friedrichsche Glättung

gemäß II.5.6 in [
55] an. Den Beweisgedanken von Satz
1.2.7 auf eine solche Faltung mit

zu übertragen, erscheint indes schwierig, so daß wir im folgenden noch einen anderen Weg einschlagen wollen.
Wir haben in Satz 1.2.3 gesehen, daß Lipschitzfunktionen auf
eine Ableitung in
haben. Dies wird man von den Hölderfunktionen (
ist ein Beispiel) natürlich nicht mehr erwarten können -- ja diese brauchen noch nicht einmal von beschränkter Variation zu sein (wir werden in Kapitel 4, siehe Bemerkung 4.2.19, hierzu ein Beispiel sehen). Umgekehrt allerdings wird man hoffen, daß Funktionen mit einer ``schlimmeren'' Ableitung, naheliegenderweise vielleicht einer Ableitung in
für
, noch Hölder-stetig sind. Da wir hier im Gegensatz zu S. 206 in [55] nicht den Begriff der schwachen Ableitung brauchen, einigen wir uns auf folgendes:
Definition 1.2.16
Ist mit
![$ AC([0,1])$](img650.png)
der Raum aller absolut stetigen Funktionen auf
![$ [0,1]$](img35.png)
bezeichnet, so definieren wir für

den Raum
und geben ihm die Norm

für

bzw.

.
Damit liegt
für jedes
auch in
, so daß für alle Elemente von
der Hauptsatz (A.1.10 in [55]) anwendbar ist, und mit diesem sehen wir sofort den Isomorphismus
![$\displaystyle H_{0}^{1,p}\cong L^{p}([0,1])$](img659.png) |
(4) |
vermöge der Ableitung in
analog zu Satz 1.2.3. Jetzt sind wir in der glücklichen Lage, wenigstens einmal in dieser Arbeit für unsere Hölderräume auch die Höldersche Ungleichung (siehe [53] und [22]) anwenden zu können.
Beweis.
[Beweis]
Sei zunächst

und

. Für jedes

folgt mit der konstanten Funktion
1 auf
![$ [0,1]$](img35.png)
und der Hölderschen Ungleichung
also

. Weiter folgt aus der absoluten Stetigkeit des Integrals bezüglich des Maßes

für
mithin

. Darüberhinaus gilt trivialerweise
![$ C^{1}_{0}([0,1])\subseteq H_{0}^{1,p}$](img669.png)
, so daß wegen (
1.2.3) die Einbettung

dicht ist.
Den Fall
sieht man mit
genauso.
Benutzen wir jetzt noch die bekannte Tatsache (siehe II.5.6 in [55]), daß die
-Funktionen für
dicht in
liegen, und die Trivialität, daß der Isomorphismus in (1.2.4) die
-Funktionen in
auf die
-Funktionen in
abbildet, so erhalten wir mit dem obigen Satz das
Korollar 1.2.18
Für alle

ist

der Abschluß der in 0 verschwindenden

-Funktionen auf
![$ [0,1]$](img35.png)
bezüglich der Höldernorm

.
Für
und
wie gehabt sieht man die Aussage sofort mit dem Weierstraßschen Approximationssatz. Für
gilt die Aussage auch, wenn wir diesmal
setzen. Mit den kleinen Hölderräumen interpolieren wir also (wenn wir ``Interpolation'' im Sinne dieses Dichtheitsergebnisses verstehen) zwischen den stetigen und den stetig-differenzierbaren Funktionen.
Bemerkung 1.2.19
Mit (
1.2.4) und Satz
1.2.17 sieht man, daß die Familie der

-Räume auf natürliche Weise mit der Familie der kleinen Hölderräume zusammenhängt, und zwar über eine kontraktive Injektion
die jeden

-Raum für

dicht in den kleinen Hölderraum zum Exponenten

einbettet (mit wachsendem

oder

werden die Räume kleiner). Einmal mehr erhalten wir hieraus die Separabilität der kleinen Hölderräume, denn die
![$ L^{p}([0,1])$](img673.png)
-Räume sind für

bekannlich separabel. Korollar I.2.15 in [
55] liefert sogar mit den Polynomen eine dichte Teilmenge, womit es in obigem Korollar
1.2.18 auch die Polynome getan hätten. Sicher ist

nicht surjektiv (es sei denn man nimmt den Fall

hinzu und setzt

), denn es gibt in jedem kleinen Hölderraum Funktionen, die nicht absolut stetig sind (siehe Bemerkung
4.2.19). Was aber passiert, wenn man nur absolut stetige kleine Hölderfunktionen betrachtet? Wie groß ist die ``Lücke'' in der Mengeninklusion
oder steht hier etwa immer eine Gleichheit? Beispielsweise haben (mit

) die absolut stetigen Standardfunktionen

mit

für jedes

die Ableitung

, und diese liegt in
![$ L^{p'}([0,1])$](img688.png)
für

, also auch für

. Im Falle

jedenfalls ist die obige Mengeninklusion eine Gleichheit, denn nach dem schon oft zitierten Hauptsatz (A.1.10 in [
55]) gilt (bis auf Konstanten) gerade
In diesem Zusammenhang kann man sich auch bei den ``dichten'' Inklusionen
für |
(5) |
und
für |
(6) |
die Frage nach der ``Lücke dazwischen'' stellen. Diese ist in beiden Fällen stets nichttrivial.
Da die großen Hölderräume die Eigenschaft (v) in Definition 1.2.13 erfüllen, sieht man sofort, wonach man zum Beweis der Echtheit der Inklusion in (1.2.5) suchen muß, nämlich nach einem
mit
und
für
. Betrachte hierzu die folgende Funktion
(siehe Abbildung 1.1), die als Summe immer kürzer und steiler werdender ``
-Bögen'' entsteht. Sei für jedes
und
die Funktion
(mit
) definiert als
und

punktweise auf
![$ [0,1]$](img35.png)
, speziell

. Dann gilt für jedes
also

. Aber es ist

für jedes

. Die Intuition sagt, daß es hierfür reicht,
nachzuweisen. Sei also

gegeben und

derart, daß

gilt. Wähle nun

so groß, daß

ist. Dann folgt für

also

und damit

für
Nach Zweifeln (vergleiche Beispiel
4.2.11!) kann man mit dem gleichen Vorgehen über geometrische Summen noch auf die Beschränktheit der Terme

für

schließen und ist sich dann nach kurzem Bedenken der Tatsache

ganz sicher.
Für den Nachweis der Nicht-Trivialität der Inklusion in (1.2.6) ist im Falle
eine stetige Funktion gefragt, die zu keinem Exponenten Hölder-stetig ist. Als Beispiel betrachte man die auf
stetige Funktion
mit

, die in 0 stärker als jede Wurzel steigt (siehe Abbildung
1.2), denn de L'Hospital liefert
(Mit einer in
4.2.10 vorgestellten Konstruktion ist es sogar möglich, aus

eine stetige Funktion zu gewinnen, welche in keinem Teilintervall von
![$ [0,1]$](img35.png)
eine Hölderbedingung erfüllt.) Im Fall

könnte man an das analoge Beispiel

auf
![$ [0,1]$](img35.png)
denken, für welches aus dem gleichen Grund

für jedes

gilt. Weiter ist für
klar, und für

folgt dies aus der stetigen Differenzierbarkeit von

auf
![$ (0,1]$](img733.png)
. Man beachte jedoch, daß damit die

-Bedingung nur punktweise nachgeprüft ist. Was für

,

und

``sehr nahe'' bei

mit variablen
und 
passiert (und das ist der noch zu prüfende Fall), ist damit noch nicht klar. Wir werden in Kapitel 4 ein Beispiel sehen (nämlich Beispiel
4.2.11, das oben schon Zweifel streute), welches zeigt, daß aus der punktweisen nicht die gleichmäßige

-Bedingung folgt. Und obwohl man -- nach kurzem Nachsinnen über Satz
1.1.10 -- für einen kompakten metrischen Raum

sofort

schließen kann, wenn

nur die (gleichmäßige!)

-Bedingung erfüllt (siehe auch Lemma
4.2.13), ist für obiges

noch nicht einmal klar, ob überhaupt

gilt.
Glücklicherweise können wir nach all unserer geleisteten Vorarbeit trotzdem
zeigen, denn es gilt sogar
mit
, womit aus Satz 1.2.17 die Behauptung folgt. Es ist also lediglich noch nachzuweisen, daß die Ableitung
in
![$ L^{p}([0,1])$](img673.png)
für

liegt, und man rechnet leicht nach, daß hierfür nur die Konvergenz des Integrals
gezeigt werden muß. Für

hätten wir übrigens

als Stammfunktion des Integranden, also Pech. Für

hat man sogar auch eine einfache Stammfunktion, nämlich

, und damit Glück.
Die bisherigen Ergebnisse, die besonders für die kleinen Hölderräume ergiebig waren, mögen den Eindruck vermitteln, daß der große Lipschitzraum gegenüber dem kleinen sehr unhandlich ist. Dies ist allerdings für unsere großen Hölderräume nicht ganz der Fall, denn es kommt ihnen die folgende wichtige Eigenschaft zu:
Satz 1.2.20
Die Einheitskugel

liegt dicht in der Einheitskugel

bezüglich der Supremumsnorm für

.
Beweis.
[Beweis]
Sei

und

. Wir nähern

durch ein Polygon an: Zu

sei

mit

eine äquidistante Partition von
![$ [0,1]$](img35.png)
und

das zugehörige Polygon mit den Eckpunkten

. Dann liegt

nach Satz
1.2.3 in

, also auch in

, und es folgt

aus der gleichmäßigen Stetigkeit von

, wenn wir

groß genug wählen.
Zu zeigen ist nun noch, daß mit
auch
gilt. Wir bewahren kühlen Kopf und genießen Schritt für Schritt die Gedanken von Krein und Petuin. Seien zunächst
,
für ein
, dann folgt aus der Linearität von
auf
Nun seien für die Stellen

,

und
![$ u\in [0,1]\backslash [x_{k-1},x_{k}]$](img761.png)
für ein

die Ungleichungen
und |
(7) |
vorausgesetzt. Dann folgt mit

für jedes

auch
denn mit der Linearität von

auf
![$ [a,b]$](img537.png)
erhält man

und damit
Die letzte Ungleichung ist die Konkavität der Wurzelfunktion (wobei man die Annahme
![$ u\notin [a,b]$](img772.png)
beachte -- der gegenteilige Fall wurde ja oben bereits besprochen).
Seien nun
und
mit
gegeben. Dann gilt (1.2.7) einmal für
,
und
(außer im Spezialfall
, den man sich genauso überlegt) und zum zweiten für
,
und
. Durch zweimalige Anwendung des gerade Bewiesenen sehen wir damit die Gültigkeit von (1.2.7) auch für die Stellen
,
und
, so daß eine dritte Anwendung schließlich
liefert, wodurch insgesamt

gezeigt ist.
Der Beweis zeigt, daß sogar die rationalen Polygone in
dicht in
bezüglich der Supremumsnorm liegen. Des weiteren liefert der obige Gedankengang noch ein nettes Ergebnis, das einerseits für sich genommen schon interessant ist und andererseits im Hinblick auf die Arbeit in Kapitel 4 zitierfähig festgehalten sei:
Korollar 1.2.21
Ist

ein Polygon, welches in allen seinen Knoten die Funktion

interpoliert, dann gilt

.
Wir haben aber fast unbemerkt noch etwas weiteres gezeigt, nämlich eine gewisse Fortsetzungseigenschaft für kleine Hölderfunktionen:
Korollar 1.2.22
Zu jedem

, endlich vielen Punkten

,

, in
![$ [0,1]$](img35.png)
und

gibt es ein

mit

für alle

, so daß

und

gilt.
Beenden wollen wir dieses einführende Kapitel über die Grundlagen zu Lipschitzräumen mit der Bemerkung, daß die soeben gefundene Art der Lage eines kleinen Lipschitzraums im großen -- wie wir noch sehen werden -- eine besonders schöne ist.
Nächste Seite: Isomorphie zwischen Lipschitzräumen und
Aufwärts: Grundlegendes über Lipschitzräume
Vorherige Seite: Einige Definitionen und Eigenschaften
  Inhalt
Heiko Berninger
2003-04-25