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Einige Definitionen und Eigenschaften
von Lipschitzräumen

Definition 1.1.1   Sei $ (K,d)$ ein metrischer Raum und $ f$ eine reell- oder komplexwertige Funktion auf $ K$, für die gilt

$\displaystyle L(f)=\sup_{\substack{x,y\in K \\  x\neq y}} \frac{\vert f(x)-f(y)\vert}{d(x,y)} < \infty.$    

Dann heißt $ f$ Lipschitz-stetig bzw. Lipschitzfunktion auf $ K$ und $ L(f)$ die Lipschitzkonstante von $ f$. Mit $ Lip(K)$ sei die Menge aller beschränkten Lipschitzfunktionen auf $ K$ bezeichnet, worin $ \ell ip(K)$ diejenige Teilmenge von Funktionen sei, für die die $ \ell ip$-Bedingung gilt:

$\displaystyle \lim_{\substack{d(x,y)\to 0 \\  x\neq y}} \frac{\vert f(x)-f(y)\vert}{d(x,y)}=0.$    

Es ist klar, daß $ Lip(K)$ sowie $ \ell ip(K)$ mit der punktweisen Addition und skalaren Multiplikation Unterräume im Raum $ C^{b}(K)$ aller beschränkten stetigen Funktionen auf $ K$ bilden. Es ist sogar $ L(\cdot)$ eine Halbnorm auf $ Lip(K)$, leider jedoch keine Norm, denn es gilt $ L(f)=0 \Leftrightarrow f=$const. Nun gibt es verschiedene Möglichkeiten, dieses (relativ kleine) Manko zu beheben und mittels $ L(\cdot)$ zu einer Norm auf $ Lip(K)$ zu gelangen. Im folgenden wird die in der Literatur am häufigsten verwandte (vgl. [33], [24], [25], [15] und [49]) vorgestellt.

Satz und Definition 1.1.2   Mit der Lipschitznorm

$\displaystyle \Vert f\Vert _{L}=\max(\Vert f\Vert _{\infty},L(f))
$

wird $ Lip(K)$ zu einem Banachraum, dem Lipschitzraum auf $ K$. Der kleine Lipschitzraum $ \ell ip(K)$ ist dann ein abgeschlossener Unterraum in $ Lip(K)$.

Beweis. [Beweis] $ \Vert\,{\cdot}\,\Vert _{L}$ ist als Maximum endlich vieler Halbnormen eine Halbnorm und wegen der Normeigenschaft von $ \Vert\,{\cdot}\,\Vert _{\infty}$ auch eine Norm. Zur Vollständigkeit von $ Lip(K)$ sei eine Cauchyfolge $ (f_{n})$ in $ Lip(K)$ gegeben. Nach Definition der Lipschitznorm ist $ (f_{n})$ auch Cauchyfolge in $ C^{b}(K)$ bezüglich der Supremumsnorm. Wegen der Vollständigkeit von $ C^{b}(K)$ existiert ein $ f\in C^{b}(K)$ mit $ f_{n}\xrightarrow{\text{glm.}} f$. Gezeigt wird nun, daß sogar $ f_{n}\xrightarrow{\text{$L(\cdot)$}} f$, also auch $ f_{n}\xrightarrow{\text{$\Vert\,{\cdot}\,\Vert _{L}$}} f$ gilt, woraus $ f\in Lip(K)$ und die Vollständigkeit von $ Lip(K)$ folgt. Seien hierzu $ \varepsilon >0$ und $ x, y\in K, x\neq y$, gegeben. Wähle $ N(\varepsilon )$ so, daß $ \Vert f_{n}-f_{m}\Vert _{L}\leq \frac{\varepsilon }{3}$ für $ n,m\geq N(\varepsilon )$ gilt, und zusätzlich $ m\geq M(\varepsilon ,x,y)\geq N(\varepsilon )$ so groß, daß $ \Vert f_{m}-f\Vert _{\infty}\leq \frac{\varepsilon }{3}\:d(x,y)$ ist. Dann folgt

\begin{displaymath}\begin{split}& \frac{\vert(f_{n}-f)(x)-(f_{n}-f)(y)\vert}{d(x...
...epsilon }{3}+\frac{\varepsilon }{3}\leq \varepsilon \end{split}\end{displaymath}    

unabhängig von $ x$ und $ y$, also $ L(f_{n}-f)\leq \varepsilon $ für $ n\geq N(\varepsilon )$.

Zur Abgeschlossenheit von $ \ell ip(K)$ betrachte eine Folge $ (f_{n})$ in $ \ell ip(K)$, für die $ f_{n}\xrightarrow{\text{$\Vert\,{\cdot}\,\Vert _{L}$}} f\in Lip(K)$ gilt. Zu $ \varepsilon >0$ sei $ n\in {\mathbb{N}}$ so groß, daß $ \Vert f_{n}-f\Vert _{L}\leq \frac{\varepsilon }{2}$, und $ \delta>0$ so klein, daß $ \frac{\vert f_{n}(x)-f_{n}(y)\vert}{d(x,y)}\leq \frac{\varepsilon }{2}$ ist, falls $ d(x,y)\leq \delta$. Dann gilt

$\displaystyle \frac{\vert f(x)-f(y)\vert}{d(x,y)}$ $\displaystyle \leq \frac{\vert f(x)-f_{n}(x)-(f(y)-f_{n}(y))\vert}{d(x,y)}+\frac{\vert f_{n}(x)-f_{n}(y)\vert}{d(x,y)}$    
  $\displaystyle \leq L(f-f_{n})+\frac{\varepsilon }{2}\leq \varepsilon$    

für $ d(x,y)\leq \delta$. $ \qedsymbol$

Man sieht leicht, daß die Lipschitznorm eine feinere Topologie auf $ Lip(K)$ erzeugt als die Supremumsnorm, daß insbesondere $ Lip(K)$ im allgemeinen nicht abgeschlossen in $ C^{b}(K)$ ist (vergleiche auch Bemerkung 1.1.14 und [52, S. 23]: den Abschluß bilden gerade die gleichmäßig stetigen Funktionen). Zur Illustration betrachte man das folgende Beispiel der Lipschitz-stetigen Funktionen $ f_{n}, n\in {\mathbb{N}}$, auf $ ([0,1],\vert\,{\cdot}\,\vert)$ (vergleiche Beispiel 4.2.1) mit $ \Vert f_{n}\Vert _{L}\to\infty$, die in der Supremumsnorm gegen $ f: f(x)=\sqrt{x}$ konvergieren:

$\displaystyle f_{n}: f_{n}(x)=\left
\{\begin{array}{ll}
\sqrt{n}\:x & \mbox{f\u...
...n}\\
\sqrt{x} & \mbox{f\uml ur } \frac{1}{n}\leq x\leq 1.
\end{array}\right.
$

Eine weitere in der Literatur anzutreffende Normierung von $ Lip(K)$, die ebenfalls die Supremumsnorm involviert, findet man immer dann vor, wenn neben der Banachraumstruktur von $ Lip(K)$ auch das Produkt zweier Lipschitzfunktionen von Interesse ist (vgl. [44] und [2]):

Satz und Definition 1.1.3   Mit der Norm

$\displaystyle \Vert f\Vert _{A}=\Vert f\Vert _{\infty}+L(f)
$

wird $ Lip(K)$ zu einer Banachalgebra mit Einheit, der Lipschitzalgebra auf $ K$. $ \ell ip(K)$ ist eine abgeschlossene Unteralgebra von $ Lip(K)$ mit Einheit. $ Lip(K)$ und $ \ell ip(K)$ sind invers abgeschlossen, d.h. enthalten mit $ f$ auch $ f^{-1}$ im Falle $ \inf_{x\in K}\vert f(x)\vert>0$.

Beweis. [Beweis] Analog zu $ \Vert\,{\cdot}\,\Vert _{L}$ ist auch $ \Vert\,{\cdot}\,\Vert _{A}$ eine Norm, die zudem wegen

$\displaystyle \Vert f\Vert _{L}\leq \Vert f\Vert _{A}\leq 2\Vert f\Vert _{L}
$

zu $ \Vert\,{\cdot}\,\Vert _{L}$ äquivalent ist, so daß auch mit $ \Vert\,{\cdot}\,\Vert _{A}$ der Vektorraum $ Lip(K)$ ein Banachraum und $ \ell ip(K)$ abgeschlossen in $ Lip(K)$ ist. Des weiteren gilt für $ f,g\in Lip(K), x,y\in K, x\neq y$

$\displaystyle \frac{\vert(fg)(x)-(fg)(y)\vert}{d(x,y)}$ $\displaystyle \leq \frac{\vert(fg)(x)-f(x)g(y)\vert}{d(x,y)}+\frac{\vert f(x)g(y)-(fg)(y)\vert}{d(x,y)}$    
  $\displaystyle \leq \Vert f\Vert _{\infty}\frac{\vert g(x)-g(y)\vert}{d(x,y)}+\Vert g\Vert _{\infty}\frac{\vert f(x)-f(y)\vert}{d(x,y)}.$    

Einerseits sieht man damit $ L(fg)\leq \Vert f\Vert _{\infty} L(g) + \Vert g\Vert _{\infty} L(f)$, also

$\displaystyle \Vert fg\Vert _{A}$ $\displaystyle \leq \Vert g\Vert _{\infty} \Vert f\Vert _{\infty} + \Vert f\Vert...
...(f) \leq \Vert f\Vert _{\infty} \Vert g\Vert _{A} + \Vert g\Vert _{\infty} L(f)$    
  $\displaystyle \leq \Vert f\Vert _{A}\Vert g\Vert _{A},$    

womit $ \Vert\,{\cdot}\,\Vert _{A}$ den Raum $ Lip(K)$ zu einer Banachalgebra macht. Andererseits sieht man damit, daß im Falle $ f,g\in \ell ip(K)$ auch $ f\cdot g\in \ell ip(K)$ ist, d.h. $ \ell ip(K)$ eine abgeschlossene Unteralgebra von $ Lip(K)$ ist. Die Einheit ist natürlich die konstante Funktion 1.

Zur inversen Abgeschlossenheit beachte man mit $ \varepsilon =\inf_{x\in K}\vert f(x)\vert> 0$

$\displaystyle \biggl\vert\frac{1}{f(x)}-\frac{1}{f(y)}\biggl\vert\,\leq \frac{1}{\varepsilon ^{2}}\,\vert f(x)-f(y)\vert,
$

womit $ \Vert f^{-1}\Vert _{A}\leq \frac{1}{\varepsilon } +\frac{1}{\varepsilon ^{2}}\,L(f)$ ist und $ f^{-1}$ mit die $ \ell ip$-Bedingung erfüllt, wenn sie für $ f$ gilt. $ \qedsymbol$

Ist $ K$ kompakt, reicht es natürlich, für die inverse Abgeschlossenheit die Nullstellenfreiheit von $ f$ vorauszusetzen. Mit der Modifikation $ \Vert f\cdot g\Vert _{L}\leq 2\Vert f\Vert _{L}\Vert g\Vert _{L}$ gelten die obigen Aussagen auch für $ Lip(K)$ mit der Norm $ \Vert\,{\cdot}\,\Vert _{L}$. Daß sich der Faktor $ 2$ in dieser Abschätzung im allgemeinen nicht verbessern läßt, $ Lip(K)$ mit $ \Vert\,{\cdot}\,\Vert _{L}$ also keine Banachalgebra ist, zeigt schon das Beispiel der Funktion $ f\in Lip([0,1],\vert\,{\cdot}\,\vert)$ mit $ f(x)=x$ und $ (f^{2})'(x)=2x$.

Neben den beiden genannten Möglichkeiten, $ Lip(K)$ mittels $ L(\cdot)$ und $ \Vert\,{\cdot}\,\Vert _{\infty}$ zu normieren, kann man auch die Tatsache ausnutzen, daß $ L(\cdot)$ nicht weit von einer Norm entfernt ist, und zwar in dem Sinne, daß $ L(f)=0 \Leftrightarrow f=$const. gilt. Hierzu reicht die Funktionsauswertung an einem Basispunkt $ x_{0}\in K$ (vgl. I.4.6 in [55]). Man beachte, daß man durch dieses Vorgehen eine größere Funktionenmenge als $ Lip(K)$ normieren kann.

Satz und Definition 1.1.4   Mit einem Basispunkt $ x_{0}\in K$ gilt:
  1. Der Vektorraum $ LiP(K)$ aller Lipschitzfunktionen auf $ K$ wird mit

    $\displaystyle \Vert f\Vert _{L'}=\max(\vert f(x_{0})\vert,L(f))$    oder mit $\displaystyle \quad \Vert f\Vert _{A'}=\vert f(x_{0})\vert+L(f)
$

    zu einem Banachraum, in dem der Unterraum $ \ell iP(K)$ aller Funktionen, die die $ \ell ip$-Bedingung erfüllen, abgeschlossen ist.
  2. Die Mengeninklusion $ Lip(K)\subseteq LiP(K)$ ist genau dann echt, wenn $ K$ unbeschränkt ist. Ist $ K$ beschränkt, so sind die Normen $ \Vert\,{\cdot}\,\Vert _{L}$, $ \Vert\,{\cdot}\,\Vert _{L'}$, $ \Vert\,{\cdot}\,\Vert _{A}$ und $ \Vert\,{\cdot}\,\Vert _{A'}$ alle äquivalent.

Beweis. [Beweis] (i) Wieder gilt $ \Vert f\Vert _{L'}\leq \Vert f\Vert _{A'}\leq 2\Vert f\Vert _{L'}$, und der Beweis des Satzes 1.1.2 läßt sich auf $ \Vert\,{\cdot}\,\Vert _{L'}$ übertragen: Ist $ (f_{n})$ eine Cauchyfolge in $ LiP(K)$ bezüglich $ \Vert\,{\cdot}\,\Vert _{L'}$, so ist zunächst $ (f_{n}(x_{0}))$ Cauchyfolge in $ {\mathbb{R}}$ oder $ {\mathbb{C}}$, also konvergent. Für $ x\neq x_{0}$ ist für $ n,m$ groß genug $ \frac{\vert(f_{n}-f_{m})(x)-(f_{n}-f_{m})(x_{0})\vert}{d(x,x_{0})}\leq \varepsilon $ und $ \vert(f_{n}-f_{m})(x_{0})\vert\leq \varepsilon $, also $ \vert(f_{n}-f_{m})(x)\vert\leq \varepsilon d(x,x_{0})+\varepsilon $, so daß auch $ (f_{n}(x))$ eine Cauchyfolge ist. Damit existiert der punktweise Grenzwert $ f$ von $ (f_{n})$, für den das $ \frac{\varepsilon }{3}$-Argument wie im Beweis zu Satz 1.1.2 durchführbar ist. Die Abgeschlossenheit von $ \ell iP(K)$ in $ LiP(K)$ folgt ebenfalls analog.

(ii) Für die Funktion $ f_{x_{0}}: x\mapsto d(x,x_{0})$ gilt mit der umgekehrten Dreiecksungleichung

$\displaystyle \frac{\vert f_{x_{0}}(x)-f_{x_{0}}(y)\vert}{d(x,y)}=\frac{\vert d(x,x_{0})-d(y,x_{0})\vert}{d(x,y)}\leq \frac{d(x,y)}{d(x,y)}=1,
$

also $ f_{x_{0}}\in LiP(K)$, und $ f_{x_{0}}$ ist genau dann unbeschränkt, wenn $ K$ unbeschränkt ist. Ist $ K$ beschränkt mit Durchmesser $ \mathop{\rm diam}\nolimits (K)$, so folgt für jedes $ f\in LiP(K)$ wegen

$\displaystyle f(x)=f(x_{0})+\frac{f(x)-f(x_{0})}{d(x,x_{0})}d(x,x_{0})\enspace\forall x\in K
$

die Abschätzung

$\displaystyle \Vert f\Vert _{\infty}\leq \vert f(x_{0})\vert+L(f)\mathop{\rm diam}\nolimits (K),
$

mithin $ \Vert f\Vert _{L'}\leq \Vert f\Vert _{L}\leq \max(1,\mathop{\rm diam}\nolimits (K))\,\Vert f\Vert _{L'}$. Damit ist alles gezeigt. $ \qedsymbol$

Für beschränktes $ K$ sind damit alle Aussagen von Satz 1.1.3 auf die Normen $ \Vert\,{\cdot}\,\Vert _{L'}$ und $ \Vert\,{\cdot}\,\Vert _{A'}$ übertragbar, bis auf die Tatsache, daß man hier keine Banachalgebren erwarten kann. Das Beispiel $ f:f(x)=x$ auf $ [0,1]$ (mit Basispunkt 0) liefert wieder $ L(f^{2})=2(L(f))^{2}=2$. Die im Beweis zu 1.1.4 (ii) gegebenen Funktionen $ f_{x_{0}}$ zeigen mittels $ \frac{\vert f_{x_{0}}^{2}(x)-f_{x_{0}}^{2}(x_{0})\vert}{d(x,x_{0})}=d(x,x_{0})$, daß für unbeschränktes $ K$ der Raum $ LiP(K)$ mit der punktweisen Multiplikation keine Algebra ist.

Dem Problem, daß die konstanten Funktionen einer Normierung von $ Lip(K)$ oder $ LiP(K)$ entgegenstehen, kann man auch dadurch begegnen, daß man sie, wie im folgenden geschehen, auf geeignete Weise aus dem betrachteten Funktionenraum herausnimmt (vgl. [42], [7] und [50]).

Satz und Definition 1.1.5   Sei mit einem Basispunkt $ x_{0}\in K$ der Teilraum $ Lip_{0}(K)=\{f\in LiP(K):f(x_{0})=0\}$ von $ LiP(K)$ und analog $ \ell ip_{0}(K)$ definiert. Dann ist $ L(\cdot)$ eine Norm auf $ Lip_{0}(K)$, die diesen Raum zu einem Banachraum macht, in dem $ \ell ip_{0}(K)$ abgeschlossen ist.

Beweis. [Beweis] Aus $ L(f)=0$ folgt nun $ f=0$, und der Rest geht wie im Beweis zu Satz 1.1.4, nur einfacher. $ \qedsymbol$

Eine zweite Möglichkeit, sich der konstanten Funktionen zu entledigen, besteht darin, den von ihnen aufgespannten Unterraum $ N$ aus dem Raum $ LiP(K)$ herauszufaktorisieren (vgl. [32] und [60]). Dazu beobachtet man, daß $ LiP(K)$ mit der Halbnorm $ L(\cdot)$ vollständig ist: Ist nämlich $ (f_{n})$ in $ LiP(K)$ Cauchyfolge, so ist $ (f_{n}-f_{n}(x_{0}))$ Cauchyfolge im Banachraum $ Lip_{0}(K)$, so daß ein $ f\in Lip_{0}(K)$ existiert mit $ f_{n}-f_{n}(x_{0})\xrightarrow{\text{$L(\cdot)$}} f$, womit auch $ f_{n}\xrightarrow{\text{$L(\cdot)$}} f$ in $ LiP(K)$ folgt. So sieht man leicht ein (vgl. Lemma I.1.3 in [55]), daß $ L(\cdot)$ auf dem Quotientenraum $ H(K):= LiP(K)/N$ eine Banachraum-Norm induziert. Gleiches gilt für $ \Lambda(K):=\ell iP(K)/N$. Des weiteren liefert für $ K$ mit Basispunkt $ x_{0}$ die (wohldefinierte!) Abbildung $ [f]\mapsto f-f(x_{0})$ einen isometrischen Isomorphismus von $ H(K)$ auf $ Lip_{0}(K)$, der $ \Lambda(K)$ auf $ \ell ip_{0}(K)$ abbildet. Man sieht also, daß sich die beiden Arten, die Konstanten auf $ K$ ``wegzudiskutieren'', im Ergebnis gar nicht unterscheiden, und daß insbesondere $ Lip_{0}(K)$ nicht vom Basispunkt abhängt. Bezeichnet $ {\mathbb{K}}$ den Körper $ {\mathbb{R}}$ oder $ {\mathbb{C}}$, je nach Wahl von $ {\mathbb{K}}$-wertigen Lipschitzfunktionen, so besteht zudem mittels der Abbildung $ (f,c)\mapsto f+c$, $ c\in {\mathbb{K}}$, eine Isomorphie zwischen $ Lip_{0}(K)\oplus {\mathbb{K}}$ und $ LiP(K)$ (isometrisch falls $ \oplus_{1}$ mit $ \Vert\,{\cdot}\,\Vert _{A'}$ bzw. $ \oplus_{\infty}$ mit $ \Vert\,{\cdot}\,\Vert _{L'}$ gewählt wird; wähle für den Nachweis den Basispunkt $ x_{0}$ in $ Lip_{0}(K)$ und in $ LiP(K)$ gleich). Zusammenfassend gilt der

Satz 1.1.6   Es bestehen mit den obigen Bezeichnungen folgende Isomorphien:
$\displaystyle H(K)=LiP(K)/N\cong Lip_{0}(K)$      
$\displaystyle \Lambda(K)=\ell iP(K)/N\cong \ell ip_{0}(K)$      
$\displaystyle Lip_{0}(K)\oplus{\mathbb{K}}\simeq LiP(K)$      
$\displaystyle \ell ip_{0}(K)\oplus{\mathbb{K}}\simeq \ell iP(K)$      

Daß, je nachdem, welche Norm für eine Fragestellung am günstigsten erscheint, die Verwendung der Begriffe ``Lipschitznorm'' und ``Lipschitzraum'' nicht einheitlich ist, wird nach den obigen Überlegungen nicht mehr überraschen. So werden auch in dieser Arbeit diese Begriffe dem jeweils betrachteten Raum mit seiner Norm ``angepaßt''. Da wir Lipschitzräume nicht als Banachalgebren betrachten wollen, werden von nun an die Versionen aus Satz 1.1.2 für $ Lip(K)$ bzw. $ \ell ip(K)$ und aus Satz 1.1.5 für $ Lip_{0}(K)$ bzw. $ \ell ip_{0}(K)$ verwandt, die in dieser Reihenfolge auch in der Literatur am häufigsten auftreten. Des weiteren müssen wir für die Beweise der entscheidenden Sätze die Kompaktheit von $ K$ fordern, so daß sich auch meist eine Unterscheidung zwischen den Funktionenmengen $ LiP(K)$ und $ Lip(K)$ erübrigt.

Bemerkung 1.1.7   Vom Banachraum-theoretischen Standpunkt aus können wir von vornherein von der Vollständigkeit des metrischen Raums $ K$ ausgehen, denn jede Lipschitz-stetige Funktion auf $ K$ kann als gleichmäßig stetige Funktion eindeutig unter Beibehaltung ihrer Lipschitzkonstanten auf die Vervollständigung $ \overline{K}$ von $ K$ fortgesetzt werden. Es gilt also $ LiP(K)\cong LiP(\overline{K})$.

Daß man sich für die Betrachtung des Lipschitzraums $ Lip(K)$ zudem auf metrische Räume $ K$ mit $ \mathop{\rm diam}\nolimits (K)\leq 2$ beschränken kann, zeigt die folgende einfache Überlegung: Sei $ K'$ die Menge $ K$ mit der neuen Metrik $ d'$, definiert durch $ d'(x,y)=\min(d(x,y),2)$ für $ x,y\in K$, dann sind $ K$ und $ K'$ homöomorph, und die $ \ell ip$-Bedingung gilt für dieselben Funktionen. Ist $ L'(\cdot)$ die Lipschitz-Halbnorm auf $ Lip(K')$ und $ L(\cdot)$ die entsprechende in $ Lip(K)$, so gilt

$\displaystyle \frac{\vert f(x)-f(y)\vert}{d'(x,y)}\geq \frac{\vert f(x)-f(y)\vert}{d(x,y)}
$

mit Gleichheit für $ d(x,y)\leq 2$, also $ L'(f)\geq L(f)$ für $ f\in Lip(K')$. Im Falle $ d(x,y)\geq 2$ gilt aber $ \frac{\vert f(x)-f(y)\vert}{d'(x,y)}\leq \Vert f\Vert _{\infty}$, d.h. insgesamt hat man

$\displaystyle L'(f)\leq \max(\Vert f\Vert _{\infty},L(f))
$

für $ f\in Lip(K)$. Es folgt, daß $ Lip(K)$ und $ Lip(K')$ sowie $ \ell ip(K)$ und $ \ell ip(K')$ dieselben Elemente haben und mittels der Identität jeweils isometrisch isomorph sind.

Schließlich liefert eine hübsche Überlegung von Nik Weaver (siehe S. 340 in [50]), daß $ Lip$-Räume als spezielle $ Lip_{0}$-Räume angesehen werden können: Man versehe $ K'$ mit einem zusätzlichen Basispunkt $ e$ und definiere $ d'(x,e)=1 \enspace\forall x\in K'$. Mit dem daraus entstandenen metrischen Raum $ K_{0}=K'\cup\{e\}$ ist dann $ Lip(K')\cong Lip_{0}(K_{0})$ vermittels der Abbildung, die $ f\in Lip(K)$ durch $ f(e)=0$ auf $ Lip_{0}(K_{0})$ fortsetzt. Weaver spricht hier von einem ``trivial but nonobvious result (if one can use such a phrase)''.

Zusammenfassend gilt also der

Satz 1.1.8   Für einen metrischen Raum $ K$ hat man mit den Bezeichnungen der obigen Bemerkung 1.1.7 die isometrischen Isomorphien

$\displaystyle Lip(K)\cong Lip(\overline{K})\cong Lip(K')\cong Lip_{0}(K_{0}).
$

Das gleiche gilt für die entsprechenden kleinen Lipschitzräume.

Es wurde oben bereits angedeutet, daß es sich lohnt, Lipschitzräume auf Kompakta zu betrachten. Des weiteren mag der Leser bislang eine Motivation für die Definition der kleinen Lipschitzräume vermissen. Um etwas Licht in dieses Dunkel zu bringen, sei daher bereits an dieser Stelle der folgende schöne auf Karel de Leeuw [33] zurückgehende Einbettungssatz formuliert, der in Kapitel 3 eine entscheidende Bedeutung haben wird. Wir definieren zunächst die dafür benötigten Begriffe.

Definition 1.1.9   Sei in $ K$ ein kompakter metrischer Raum und in der Menge $ \mathop{\rm diag}\nolimits (K^{2})=\{(x,x):x\in K\}$ die Diagonale in $ K^{2}$ vorgelegt. Dann wird mit $ \hat{K}$ die disjunkte Vereinigung der topologischen Räume $ K$ und $ K^{2}\backslash \mathop{\rm diag}\nolimits (K^{2})$ bezeichnet. $ C^{b}(\hat{K})$ ist der Banachraum der beschränkten stetigen Funktionen auf (dem lokalkompakten!) $ \hat{K}$, und $ C_{0}(\hat{K})$ ist der darin enthaltene Unterraum der im ``Unendlichen'' verschwindenden Funktionen, die wie üblich erklärt sind: Für ein Element $ f\in C_{0}(\hat{K})$ findet man zu jedem $ \varepsilon >0$ eine kompakte Menge $ M\subseteq \hat{K}$, so daß $ \Vert f_{\vert\hat{K}\backslash M}\Vert _{\infty}\leq \varepsilon $ gilt.

Damit lautet der Einbettungssatz von de Leeuw:

Satz 1.1.10   Die Abbildung $ \varPhi: Lip(K)\to C^{b}(\hat{K})$, definiert durch

$\displaystyle \varPhi f(x)=f(x)$   und$\displaystyle \quad \varPhi f(x,y) = \frac{f(x)-f(y)}{d(x,y)},$    

ist linear und isometrisch, und es ist $ \ell ip(K) = \varPhi^{-1}(C_{0}(\hat{K}))$.

Beweis. [Beweis] Die Wohldefiniertheit ist klar nach Konstruktion, die Linearität auch, die Isometrie-Eigenschaft gilt nach Wahl der Norm $ \Vert\,{\cdot}\,\Vert _{L}$ in $ Lip(K)$. Für die Aussage über die Lage von $ \ell ip(K)$ in $ C_{0}(\hat{K})$ benötigt man neben der $ \ell ip$-Bedingung nur die Tatsache, daß $ \{(x,y)\in K^{2}\backslash \mathop{\rm diag}\nolimits (K^{2}): d(x,y)\geq \varepsilon \}$ für jedes $ \varepsilon >0$ kompakt ist. Für $ \ell ip(K) \supseteq \varPhi^{-1}(C_{0}(\hat{K}))$ berücksichtigt man, daß es für $ f\in Lip(K)\backslash \ell ip(K)$ Folgen $ (x_{n}), (y_{n})$ in $ K$ mit Grenzwert $ x\in K$ und ein $ \varepsilon >0$ gibt mit $ \vert\varPhi f(x_{n},y_{n})\vert>\varepsilon >0\enspace\forall n\in{\mathbb{N}}$, wobei $ \{(x_{n},y_{n}):n\in{\mathbb{N}}\}\subseteq K^{2}\backslash \mathop{\rm diag}\nolimits (K^{2})$ nicht kompakt ist. $ \qedsymbol$

Bemerkung 1.1.11   Da durch die Werte von $ \varPhi f$ auf $ K$ die Werte $ \varPhi f$ auf $ K^{2}\backslash \mathop{\rm diag}\nolimits (K^{2})$ schon festgelegt sind, ist $ \varPhi$ im allgemeinen nicht surjektiv. Des weiteren ist $ \varPhi(Lip(K))$ bzw. $ \varPhi(\ell ip(K))$ keine Unteralgebra von $ C^{b}(\hat{K})$, da das Produkt der Steigungen im allgemeinen nicht gleich der Steigung des Produkts zweier Funktionen ist. Formuliert man den Satz analog für die Lipschitzalgebra $ Lip(K)$ mit der Norm $ \Vert\,{\cdot}\,\Vert _{A}$ (siehe S. 367 f in [2]), so ist also $ \varPhi$ im allgemeinen kein Algebrenhomomorphismus. Versucht man den Satz auf lokalkompakte $ K$ zu übertragen, so ist zwar $ \hat{K}$ immer noch lokalkompakt, die Hauptaussage des Satzes $ \ell ip(K) = \varPhi^{-1}(C_{0}(\hat{K}))$ wird dann aber falsch (bzw. gilt nur noch mit ``$ \supseteq$''). Um sie ``richtig zu machen'', muß man weitere Einschränkungen am kleinen Lipschitzraum vornehmen, sprich, man definiert $ \ell ip(K)$ dann einfach ``passend'' (vergleiche S. 341 in [50] und den Schluß der Schlußbemerkungen).

Wir müssen in der vorliegenden Arbeit an zahlreichen Stellen eine Unterscheidung zwischen Räumen reellwertiger und komplexwertiger Lipschitzfunktionen treffen, da sich bestimmte Eigenschaften reellwertiger Lipschitzfunktionen nicht ohne weiteres bzw. nur abgeschwächt auf komplexwertige übertragen lassen. Offensichtlich ist das folgende Konzept (mit welchem Weaver in [48] arbeitet) überhaupt nur auf reellwertige Funktionen anwendbar.

Satz 1.1.12   Der Banachraum $ Lip(K)$ aller beschränkten reellwertigen Lipschitzfunktionen auf einem metrischen Raum $ K$ ist unter Bildung des (punktweisen) Supremums $ \bigvee f_{n}$ und des Infimums $ \bigwedge f_{n}$ endlich vieler Elemente $ f_{n}\in Lip(K)$ abgeschlossen und damit ein Unterverband im Verband aller beschränkten reellwertigen Funktionen auf $ K$ mit $ \bigvee$ und $ \bigwedge$. Gleiches gilt für $ \ell ip(K)$. Des weiteren existiert für jede beschränkte Menge $ \{f_{\alpha}\}_{\alpha\in I}\subseteq Lip(K)$ das Supremum und das Infimum in $ Lip(K)$, wobei gilt

$\displaystyle \left\Vert\bigvee f_{\alpha}\right\Vert _{L}\leq \sup\{\Vert f_{\alpha}\Vert _{L}\}$   und$\displaystyle \quad
\left\Vert\bigwedge f_{\alpha}\right\Vert _{L}\leq \sup\{\Vert f_{\alpha}\Vert _{L}\}.
$

Einen Verband, in dem das Supremum bzw. Infimum über beliebig viele Elemente immer existiert, nennt man vollständig. Mit dem Ergebnis ist daher zum Beispiel die Einheitskugel $ B_{Lip(K)}$ ein vollständiger Verband. Für $ B_{\ell ip(K)}$ ist dies übrigens in vielen (``vernünftigen'') Fällen nicht so (vergleiche die Bemerkung vor Satz 3.5.4 in Kapitel 3). Es sei noch darauf hingewiesen, daß $ Lip(K)$ kein Banachverband ist, da mit dem Betrag $ \vert f\vert=f\vee (-f)$ das ``Riesz-Norm-Gesetz'' $ \vert f\vert\leq \vert g\vert \Rightarrow \Vert f\Vert _{L}\leq \Vert g\Vert _{L}$ im allgemeinen nicht gilt, denn der Betrag ``erkennt'' Steigungen nicht. Man betrachte als Gegenbeispiel auf $ ([0,1],\vert\,{\cdot}\,\vert)$ die Funktionen $ f:x\mapsto x^{2}$ und $ g:x\mapsto x$.

Beweis. [Beweis] Um die Abgeschlossenheit von $ Lip(K)$ und $ \ell ip(K)$ unter Bildung des Supremums oder des Infimums endlich vieler Funktionen einzusehen, braucht man nur zu bemerken, daß $ f\vee g=\frac{1}{2}(f+g+\vert f-g\vert)$ und $ f\wedge g=\frac{1}{2}(f+g-\vert f-g\vert)$ gilt und mit $ f$ wegen $ \vert\vert f(x)\vert-\vert f(y)\vert\vert\leq \vert f(x)-f(y)\vert$ stets auch $ \vert f\vert$ in $ Lip(K)$ bzw. $ \ell ip(K)$ ist. Sei nun eine durch $ M\in {\mathbb{R}}^{+}$ beschränkte Menge $ \{f_{\alpha}\}_{\alpha\in I}\subseteq Lip(K)$ gegeben. Wegen $ -\bigvee f_{\alpha}=\bigwedge (-f_{\alpha})$ reicht es, die linke der beiden Ungleichungen zu zeigen. Für die Supremumsnorm ist die Abschätzung klar. Seien $ x, y\in K, x\neq y$ und $ \varepsilon >0$ gegeben. Wähle $ f_{\beta}\in \{f_{\alpha}\}_{\alpha\in I}$ so, daß $ \sup_{\alpha\in I} \{f_{\alpha}(x)\}\leq f_{\beta}(x)+\varepsilon d(x,y)$ ist, dann gilt

$\displaystyle \frac{(\bigvee f_{\alpha})(x)-(\bigvee f_{\alpha})(y)}{d(x,y)}\leq \frac{f_{\beta}(x)+\varepsilon d(x,y)-f_{\beta}(y)}{d(x,y)}\leq M+\varepsilon .
$

$ \qedsymbol$

Das Beispiel der im Beweis zu Satz 1.1.4 (ii) angegebenen Funktionen $ \{f_{x_{0}}\}_{x_{0}\in K}$ $ \subseteq LiP(K)$, definiert durch $ f_{x_{0}}(x)=d(x,x_{0})$, zeigt, daß es genügend viele Lipschitzfunktionen auf $ K$ gibt, um die Punkte von $ K$ zu trennen. Mit dem obigen Satz ist dann mittels der Funktionen $ f_{x_{0},M}: x\mapsto \min(d(x,x_{0}),M)$ mit $ M\in {\mathbb{R}}^{+}$ auch $ Lip(K)$ punktetrennend. Des weiteren enthalten die Lipschitzfunktionen auf $ K$ genügend Informationen, um damit auf die Metrik von $ K$ zurückzuschließen, konkret:

Satz 1.1.13   $ Lip(K)$ ist punktetrennend, und es gilt sogar

$\displaystyle d(x,y)=\sup\{\vert f(x)-f(y)\vert: f\in Lip(K), L(f)\leq 1\}\quad \forall x,y\in K.
$

Beweis. [Beweis] Die Abschätzung ``$ \geq$'' ist offensichtlich, und ``$ \leq$'' sieht man ein, wenn man $ f=f_{x,d(x,y)}$ setzt, womit $ \vert f(x)-f(y)\vert=\vert-d(x,y)\vert$ gilt. $ \qedsymbol$

Bemerkung 1.1.14   Leider kann man von $ \ell ip(K)$ oder $ \ell iP(K)$ noch nicht einmal erwarten, mehr Funktionen zu enthalten als diejenigen, die trivialerweise immer in diesen Räumen sind, nämlich die Konstanten. Für ein Gebiet $ K$ in $ {\mathbb{R}}$ oder $ {\mathbb{R}}^{n}$ mit der euklidischen Metrik liefert die $ \ell ip$-Bedingung die Differenzierbarkeit von $ f\in \ell iP(K)$ mit überall verschwindender Ableitung, so daß $ \ell iP(K)$ nur aus den konstanten Funktionen besteht. Man kann sich nun die Frage stellen, wie der metrische Raum $ K$ beschaffen sein muß, um zu gewährleisten, daß $ \ell ip(K)$ ``genügend viele'' Funktionen enthält -- zum Beispiel, um die Punkte von $ K$ zu trennen. Man beachte, daß $ \ell ip(K)$ nach Satz 1.1.3 eine (im Falle $ {\mathbb{K}}={\mathbb{C}}$ selbstadjungierte) Unteralgebra von $ C(K)$ ist. Die Punktetrennung von $ \ell ip(K)$ wäre damit für kompakte $ K$ nach dem Satz von Stone-Weierstraß hinreichend dafür, daß $ \ell ip(K)$ dicht in $ C(K)$ liegt, also in der Tat eine gewisse ``Größe'' aufweist.

Betrachtet man zu dieser Fragestellung wieder die Funktionen $ f_{x_{0}}$ im Beweis zu Satz 1.1.4 (ii), so sieht man, daß die Funktionen $ \bar{f}_{x_{0}}: x\mapsto \bar{d}(x,x_{0})$ punktetrennend und in $ \ell iP(K)$ sind, falls $ \bar{d}$ eine andere Metrik auf $ K$ ist, für die $ \frac{\bar{d}(x,y)}{d(x,y)}\rightarrow 0$ gilt im Falle $ d(x,y)\rightarrow 0$. Interessanterweise liefert ein wenig beachteter Artikel von A. G. O'Farrell [11] sogar eine Umkehrung dieses Ergebnisses.

Definition 1.1.15   Eine Metrik $ \bar{d}$ auf $ (K,d)$ heißt lokal kleiner als $ d$ bzw. $ d$ heißt lokal größer als $ \bar{d}$, wenn

$\displaystyle \frac{\bar{d}(x,y)}{d(x,y)}\rightarrow 0$   folgt für$\displaystyle \quad d(x,y)\rightarrow 0.
$

Satz 1.1.16   Wenn der metrische Raum $ (K,d)$ eine kleinere Metrik zuläßt, so trennt $ \ell ip(K)$ die Punkte von $ K$. Ist $ (K,d)$ separabel, so gilt auch die Umkehrung.

Sieht man sich für die Umkehrung die Gleichung in Satz 1.1.13 näher an, so mag man eine Vorstellung davon gewinnen, wie man vorgehen könnte, um eine kleinere Metrik $ \bar{d}$ über Funktionen aus $ \ell ip(K)$ zu definieren. Die nachfolgend ausgeführte Idee von O'Farrell verlangt, daß man sich zur Definition von $ \bar{d}$ auf abzählbar viele Funktionen aus $ \ell ip(K)$ beschränken kann, die schon die Punkte von $ K$ trennen. Damit dies gewährleistet ist, wird gefordert, daß der topologische Raum $ K^{2}\backslash \mathop{\rm diag}\nolimits (K^{2})$ ein Lindelöf-Raum ist, d.h. daß jede offene Überdeckung dieses Raums eine abzählbare Teilüberdeckung besitzt. Hinreichend hierfür ist, daß dieser Raum das zweite Abzählbarkeitsaxiom erfüllt, was, da er metrisierbar ist, äquivalent zu dessen Separabilität bzw. zu der von $ K$ ist (siehe S. 38 ff, insbesondere Satz 1.3.17, und S. 447, 12), in [43]). Daher die Zusatzvoraussetzung.

Beweis. [Beweis] Analog zur Bemerkung vor dem Satz 1.1.13 liefern die ``abgeschnittenen'' Funktionen $ \bar{f}_{x_{0},M}$ die erste Behauptung.

Für die zweite Behauptung wähle zu jedem Punkt $ (x,y)\in K^{2}$ mit $ x\neq y$ ein $ f_{x,y}\in \ell ip(K)$ mit $ f_{x,y}(x)\neq f_{x,y}(y)$ und o.B.d.A. $ L(f_{x,y})\leq 1$ und definiere stetige Funktionen $ F_{x,y}$ auf $ K^{2}$ durch $ F_{x,y}(z,w)=f_{x,y}(z)-f_{x,y}(w)$. Dann ist $ N(x,y)=\{(z,w)\in K^{2}: F_{x,y}(z,w)\neq 0\}$ eine offene Umgebung von $ (x,y)\in K^{2}$ und die Familie aller $ N(x,y)$ für $ x\neq y$ eine offene Überdeckung des Lindelöf-Raums $ K^{2}\backslash \mathop{\rm diag}\nolimits (K^{2})$. Ist $ (f_{n})_{n\in{\mathbb{N}}}$ eine Folge von kleinen Lipschitzfunktionen $ f_{n}=f_{x_{n},y_{n}}$, die einer abzählbaren Teilüberdeckung von $ K^{2}\backslash \mathop{\rm diag}\nolimits (K^{2})$ mit $ \{N(x_{n},y_{n})\}_{n\in{\mathbb{N}}}$ entspricht, so definiere (eingedenk $ L(f_{n})\leq 1\enspace\forall n\in{\mathbb{N}}$) für alle $ x,y\in K^{2}$

$\displaystyle \bar{d}(x,y)= \sum_{n=1}^{\infty} 2^{-n}\vert f_{n}(x)-f_{n}(y)\vert\quad (\leq d(x,y)).
$

Damit ist $ \bar{d}$ eine Metrik, da die Menge $ \{f_{n}\}_{n\in{\mathbb{N}}}$ die Punkte von $ K$ trennt. Daß $ \sum_{n=1}^{\infty} 2^{-n}\frac{\vert f_{n}(x)-f_{n}(y)\vert}{d(x,y)}\rightarrow 0$ für $ d(x,y)\rightarrow 0$ gilt, sieht man mittels eines $ \frac{\varepsilon }{2}$-Arguments (Abschneiden des Reihenrests und Nutzen der $ \ell ip$-Bedingung für endlich viele $ f_{n}$). $ \qedsymbol$

Es ist mit dem obigen Satz ein Punkt erreicht, an dem die Hölder-stetigen Funktionen auf den Plan treten können. Aus dem Satz folgt zum Beispiel (nach Bemerkung 1.1.14), daß die euklidische Metrik auf $ {\mathbb{R}}^{n}$ keine lokal kleinere Metrik zuläßt. Man kann sich natürlich fragen, ob es umgekehrt eine lokal größere Metrik als die euklidische auf $ {\mathbb{R}}^{n}$ gibt. Eine allgemeine Antwort auf diese Frage liefert die Beobachtung, daß mit jeder Metrik $ d$ auf $ K$ auch $ d^{\alpha}$ (definiert durch $ d^{\alpha}(x,y)=(d(x,y))^{\alpha}\enspace\forall x,y\in K$) für $ 0<\alpha <1$ eine Metrik auf $ K$ definiert. Beim Beweis dieser Tatsache stößt man auf die für diese Aussage wesentlichen Eigenschaften der Wurzelfunktionen (vergleiche auch die in [49, S. 346] von Weaver gegebenen Eigenschaften):

Satz und Definition 1.1.17   Es bezeichne $ \Omega$ die Menge aller monoton steigenden Funktionen $ \omega: {\mathbb{R}}^{+}\to {\mathbb{R}}^{+}$ (1), so daß $ \omega(0)=0$ (2), $ \lim_{t\to 0}\omega(t)=0$ (3), $ \lim_{t\to 0}\omega(t)/t=\infty$ (4) gilt und die Funktion $ t\mapsto\omega(t)/t$ auf $ {\mathbb{R}}^{+}$ monoton fallend ist (5). Ist dann $ d$ eine Metrik auf der Menge $ K$, so ist $ \omega(d)$ für jedes $ \omega\in\Omega$ eine lokal größere Metrik als $ d$ auf $ K$. $ \omega(d)$ heiße verallgemeinerte Höldermetrik auf $ K$, und für $ \omega(t)=t^{\alpha}$, $ 0<\alpha <1$ heißt $ \omega(d)=d^{\alpha}$ Höldermetrik auf $ K$ zum Exponenten $ \alpha$.

Beweis. [Beweis] Aus (5) folgt die Semiadditivität von $ \omega\in\Omega$: Für $ 0<\lambda<1$ und $ t>0$ gilt $ \frac{\omega(\lambda t)}{\lambda t}\geq \frac{\omega(t)}{t}$, also $ \lambda\omega(t)\leq\omega(\lambda t)$, und das gleiche mit $ (1-\lambda)$ anstelle von $ \lambda$ liefert $ \omega(t)\leq\omega(\lambda t)+\omega((1-\lambda) t)$. Zusammen mit der Monotonie und der Semiadditivität von $ \omega$ folgt aus der Dreiecksungleichung von $ d$ nun die von $ \omega(d)$. Wegen (1), (2) und (4) gilt $ \omega(t)=0\Leftrightarrow t=0$, so daß $ \omega(d)$ eine Metrik ist und darüberhinaus (mit (1)) aus $ \omega(d(x,y))\to 0$ notwendig $ d(x,y)\to 0$ folgt. Letzteres liefert mit (4) schließlich

$\displaystyle \lim_{\omega(d(x,y))\to 0}\,\frac{d(x,y)}{\omega(d(x,y))}=\lim_{d(x,y)\to 0}\,\frac{d(x,y)}{\omega(d(x,y))}=0.
$

$ \qedsymbol$

Das Beispiel der Funktion

$\displaystyle f:x\mapsto \left
\{\begin{array}{ll}
\sqrt{x} & \mbox{f\uml ur } 0\leq x\leq 1\\
x & \mbox{f\uml ur } x\geq 1.
\end{array}\right.
$

zeigt, daß die Funktionen in $ \Omega$ nicht notwendig konkav sein müssen. Die Stetigkeit von $ \omega\in\Omega$ in 0 (d.h. (3)) ist nicht notwendig für die Aussage des Satzes, nichtsdestotrotz eine sehr natürliche Voraussetzung, die gewährleistet, daß $ \omega(d)$ und $ d$ äquivalente Metriken sind, d.h. die gleiche Topologie auf $ K$ erzeugen. Andernfalls wäre $ \omega(d)$ äquivalent zur diskreten Metrik auf $ K$ und trivialerweise $ Lip(K)=\ell ip(K)$. Im Lichte der obigen Ergebnisse lassen sich nun Hölder-stetige Funktionen als Lipschitzfunktionen mit besonderen Eigenschaften auffassen:

Definition 1.1.18   Ist $ (K,d)$ ein metrischer Raum, $ 0<\alpha <1$ und $ \omega\in\Omega$, so bezeichne $ K^{\alpha}$ bzw. $ K^{\omega}$ den mit der Höldermetrik $ d^{\alpha}$ bzw. mit der verallgemeinerten Höldermetrik $ \omega(d)$ versehenen Raum $ K$. Der Lipschitzraum $ LiP(K^{\alpha})$ heißt Hölderraum (auf $ K$ zum Exponenten $ \alpha$), seine Elemente heißen Hölderfunktionen bzw. Hölder-stetig auf $ K$. Entsprechend definiert man den kleinen Hölderraum $ \ell iP(K^{\alpha})$ und die verallgemeinerten Hölderräume. Die Lipschitzhalbnorm in $ LiP(K^{\alpha})$ sei mit $ L_{\alpha}(\cdot)$ bezeichnet und Hölderhalbnorm genannt, die Norm in $ LiP(K^{\alpha})$ heiße Höldernorm. Analog sei auch $ L_{\omega}(\cdot)$ und die verallgemeinerte Höldernorm erklärt. Die Begriffe finden auch für $ Lip$ statt $ LiP$ Verwendung.

Satz 1.1.19   Ist $ (K,d)$ ein beschränkter metrischer Raum, so gilt für jedes $ \omega\in\Omega$ die Mengeninklusion $ Lip(K)\subseteq \ell ip(K^{\omega})$. Insbesondere ist $ \ell ip(K^{\omega})$ punktetrennend.

Beweis. [Beweis] Sei $ f\in Lip(K)$, dann ist

$\displaystyle \frac{\vert f(x)-f(y)\vert}{\omega(d(x,y))}=\frac{\vert f(x)-f(y)...
...d(x,y)}\,\frac{d(x,y)}{\omega(d(x,y))}\leq L(f)\,\frac{d(x,y)}{\omega(d(x,y))}
$

beschränkt und strebt gegen 0 für $ \omega(d(x,y))\to 0$, da $ d$ lokal kleiner als $ \omega(d)$ ist. $ \qedsymbol$

Wir werden in Kapitel 3 (siehe Korollar 3.5.12 und zur Vorfreude Satz 1.2.7) eine weitreichende Verschärfung dieses Satzes erhalten (der ja in der vorliegenden Form anstelle von $ \omega(d)$ für jede lokal größere Metrik gilt). Die verallgemeinerten Höldermetriken $ \omega(d)$ sind nämlich nicht nur lokal größer als $ d$, sie lassen darüberhinaus auch eine Folge lokal kleinerer Metriken zu, die $ \omega(d)$ in einer gewissen gleichmäßigen Art approximieren. Dies sichert neben der Punktetrennung von $ \ell ip(K^{\omega})$ sogar eine gewisse Art der gleichmäßigen Punktetrennung, welche auch als Fortsetzungssatz für kleine Lipschitzfunktionen auf $ K^{\omega}$ formuliert werden kann. Aus diesem folgt dann für Kompakta $ K$ (man beachte, daß mit $ d$ auch $ \omega(d)$ eine kompakte Metrik ist und umgekehrt), daß die Inklusion des obigen Satzes sogar eine dichte Einbettung ist, eine Aussage, die im Kern eine Art Stone-Weierstraß-Satz für kleine Lipschitzräume ist.

Es ist nur natürlich, die Frage zu stellen, ob sich Entsprechungen gewisser Aussagen, deren Gültigkeit man für stetige Funktionen kennt, im Bereich der Lipschitzfunktionen wiederfinden lassen. Als fundamental für die in Kapitel 3 benötigten Fortsetzungseigenschaften kleiner Lipschitzfunktionen stellt sich der folgende Fortsetzungssatz für (große) Lipschitzfunktionen heraus. Er gibt eine Antwort auf die Frage, ob es für Lipschitzfunktionen eine Analogie zum Satz über die Fortsetzbarkeit stetiger Funktionen von Tietze-Urysohn gibt. Die Antwort könnte kaum befriedigender aussehen:

Satz 1.1.20   Es sei $ f$ eine Lipschitzfunktion auf einer Teilmenge $ M$ eines metrischen Raumes $ K$ mit Werten in $ {\mathbb{R}}$. Dann läßt sich $ f$ unter Beibehaltung seiner Lipschitzkonstanten zu einer Lipschitzfunktion $ F$ auf $ K$ fortsetzen. Ist $ f$ komplexwertig, so existiert auch eine Fortsetzung $ F$ von $ f$ auf $ K$ mit $ L(F)\leq \sqrt{2}\: L(f)$. Ist $ f$ beschränkt, so kann die obige Fortsetzung so gewählt werden, daß $ \Vert F\Vert _{\infty}=\Vert f\Vert _{\infty}$ für reellwertiges $ f$ und $ \Vert F\Vert _{\infty}=\sqrt{2}\:\Vert f\Vert _{\infty}$ für komplexwertiges $ f$ gilt.

Diese schöne Aussage, welche so gänzlich ohne Zusatzvoraussetzungen an $ f$, $ M$ oder $ K$ auskommt, wurde gleich mehrmals unabhängig voneinander veröffentlicht (siehe [39] und [8]). Dies ist jedoch verständlich, denn der Beweis ist denkbar einfach. Man stößt nämlich auf der Suche nach notwendigen Bedingungen an eine Fortsetzung $ F$ für ein reellwertiges $ f$, so daß $ L(F)=L(f)$ gilt, sofort auf Bedingungen, die sich als hinreichend erweisen: Offenbar muß (mit $ L=L(f)$) für $ x\in K\backslash M$ die Ungleichungskette

$\displaystyle f(y)-L\,d(x,y)\leq F(x)\leq f(y)+L\,d(x,y)
$

für alle $ y\in M$ gelten. Notwendig ist also die Ungleichung

$\displaystyle \sup_{y\in M}(f(y)-L\,d(x,y))\leq \inf_{y\in M}(f(y)+L\,d(x,y)),$ (1)

die aber wegen

$\displaystyle f(y)-f(z)\leq L\,d(y,z)\leq L\,(d(x,y)+d(x,z)) \quad\forall y,z\in M
$

immer erfüllt ist. Erinnert man sich an den Gedankengang im Beweis zum Satz von Hahn-Banach (siehe S. 94 f in [55]), könnte man nun $ f$ Punkt für Punkt auf $ K\backslash M$ und schließlich durch Anwendung des Zornschen Lemmas wie gewünscht auf ganz $ K$ fortsetzen. Glücklicherweise bleibt uns dieser nicht-konstruktive Ansatz erspart, denn in (1.1.1) stehen schon zwei Möglichkeiten, $ F$ auf ganz $ K$ zu definieren. Die linke findet sich [39], die rechte in [8]. Wir entscheiden uns für die ältere von McShane (1934) in [39].

Beweis. [Beweis] Wegen (1.1.1) ist $ F$ mit der Definition

$\displaystyle F(x)=\sup_{y\in M}(f(y)-L\,d(x,y)) \quad\forall x\in K
$

auf $ K$ wohldefiniert und eine Fortsetzung von $ f$. Des weiteren gilt für $ x_{1}, x_{2}\in K$ mit $ F(x_{1})\geq F(x_{2})$

0 $\displaystyle \leq F(x_{1})-F(x_{2})=\sup_{y\in M}(f(y)-L\,d(x_{1},y))-\sup_{y\in M}(f(y)-L\,d(x_{2},y))$    
  $\displaystyle \leq \sup_{y\in M}(f(y)-L\,d(x_{1},y)-(f(y)-L\,d(x_{2},y)))\leq L\sup_{y\in M}(d(x_{2},y)-d(x_{1},y))$    
  $\displaystyle \leq L\,d(x_{1},x_{2}).$    

Ist $ f$ beschränkt, so ist nach Satz 1.1.12 auch $ \overline{F}$, definiert durch

$\displaystyle \overline{F}(x)=\min(F(x),\Vert f\Vert _{\infty}) \enspace\forall x\in K
$

eine Fortsetzung von $ f$ auf $ K$ mit $ L(\overline{F})=L(f)$ und $ \Vert\overline{F}\Vert _{\infty}=\Vert f\Vert _{\infty}$.

Ist $ f=f_{1}+if_{2}$ komplexwertig mit reellwertigen $ f_{k}$, so gilt $ \Vert f_{k}\Vert _{\infty}\leq \Vert f\Vert _{\infty}$ und $ L(f_{k})\leq L(f)$ für $ k=1,2$, und es existieren Fortsetzungen $ F_{k}$ von $ f_{k}$ mit $ L(F_{k})\leq L(f)$ und $ \Vert F_{k}\Vert _{\infty}\leq \Vert f\Vert _{\infty}$. Dann ist $ F=F_{1}+iF_{2}$ eine Fortsetzung von $ f$ mit

\begin{displaymath}\begin{split}& \vert F(x)-F(y)\vert=\vert(F_{1}(x)-F_{1}(y))+...
... & \leq \sqrt{2}\: L\:d(x,y) \quad\forall x,y\in K. \end{split}\end{displaymath}    

und $ \vert F(x)\vert=\sqrt{\vert F_{1}(x)\vert^{2}+\vert F_{2}(x)\vert^{2}}\leq \sqrt{2}\, \Vert f\Vert _{\infty} \quad\forall x\in K.$ $ \qedsymbol$


Bemerkung 1.1.21   Die Aussage des obigen Satzes verdeutlicht einmal mehr, daß man im allgemeinen zwischen reellwertigen und komplexwertigen Lipschitzfunktionen auf $ K$ unterscheiden muß. Denn obwohl die Aussage für reellwertige Funktionen keine Wünsche offen lassen dürfte, enthält sie doch den Wermutstropfen, daß man sie für komplexwertige Funktionen nicht ohne weitere Zusatzvoraussetzungen an die Geometrie von $ K$ verschärfen kann. T. M. Jenkins gibt hierzu in [24] ein einfaches Gegenbeispiel (vergleiche auch Bemerkung 3.5.5). Gleichzeitig liefert er mit der ``Lipschitz-vier-Punkt-Eigenschaft'' eines metrischen Raumes ein notwendiges und hinreichendes Kriterium dafür, daß die Aussage des Fortsetzungssatzes für reellwertige Funktionen auch für komplexwertige gilt: Ein Raum $ K$ hat die Lipschitz-vier-Punkt-Eigenschaft, wenn jede komplexwertige Lipschitzfunktion auf drei Punkten in $ K$ stets auf einen beliebigen vierten unter Beibehaltung ihrer Lipschitzkonstanten fortgesetzt werden kann. Die vorgenannte Aussage erhält Jenkins dann durch Anwendung eines Theorems von Helly, das besagt: Wenn sich je $ n+1$ Mengen einer Familie von abgeschlossenen, beschränkten und konvexen Teilmengen des euklidischen $ {\mathbb{R}}^{n}$ nichtleer schneiden, dann haben haben alle Mengen dieser Familie einen Punkt gemeinsam. Die Lipschitz-vier-Punkt-Eigenschaft folgt zum Beispiel aus der einfacher nachzuprüfenden ``Euklidischen Vier-Punkt-Eigenschaft'', die ein metrischer Raum dann hat, wenn je vier Punkte dieses Raums stets isometrisch in den $ {\mathbb{R}}^{3}$ eingebettet werden können.

Es ist klar, daß man die Aussage des obigen Fortsetzungssatzes auf $ {\mathbb{R}}^{n}$-wertige Lipschitzfunktionen verallgemeinern kann. In der Literatur findet man mit verschiedensten Voraussetzungen an Urbild- und Zielraum zahlreiche Varianten dieses Satzes (siehe [39], [47] und [8]).

Der folgende Satz, in dem $ Lip(K)$ als ein Dualraum identifiziert wird, ist als Abrundung unserer allgemeinen einleitenden Betrachtungen zu Lipschitzräumen gedacht. Einerseits stellt er ein Ergebnis dar, das gewiß für sich genommen schon von Interesse ist und mit welchem sich zudem unter natürlichen Voraussetzungen im Licht von Korollar 2.3.3 große von kleinen Hölderräumen absetzen. Andererseits hat der Satz und seine Beweisidee auch im weiteren Verlauf noch eine Bedeutung, denn er dient in Kapitel 3 als Sprungbrett für ein Resultat, wonach $ Lip(K)$ unter bestimmten Voraussetzungen sogar als ein Bidualraum in Erscheinung tritt.

Satz 1.1.22   Sei $ K$ ein metrischer Raum, $ x\in K$ und $ \delta_{x}\in Lip(K)'$ mit $ \delta_{x}(f)=f(x)\enspace \forall\, f\in Lip(K)$, also das Auswertungsfunktional an der Stelle $ x$. Sei weiter $ V$ der Normabschluß des durch $ \{\delta_{x}\}_{x\in K}$ aufgespannten Unterraums in $ Lip(K)'$. Dann ist $ V'$ isometrisch isomorph zu $ Lip(K)$.

Bemerkung 1.1.23   Der Beweis dieses Satzes wird in Anlehnung an einen Beweis von Johnson in [25, S. 156 f] geführt, der diesen Satz für Räume vektorwertiger Lipschitzfunktionen formuliert. Da hier zum ersten Mal diejenige Abbildung auftritt, die sich als zentral für Kapitel 3 dieser Arbeit herausstellen wird, wollen wir zunächst auf die Essenz der zugrundeliegenden einfachen Idee, die sich erstmals wieder bei K. de Leeuw in [33] findet, gesondert eingehen.

Die kanonische Einbettung $ i_{X}:X\to X''$ eines normierten Raums in seinen Bidualraum (siehe [55, S. 104 f]) liefert die einfache Tatsache, daß ein zweiter Prädual eines Raums -- falls existent -- immer bereits in diesem vorhanden ist. Nichttrivial ist das ``umgekehrte'' Problem, eine ``vernünftige'' Realisierung der Elemente in $ X''$ anzugeben, in der sich die Gestalt der Elemente von $ X$ wiederfindet. Hat man jedoch speziell einen normierten Raum $ X$ von Funktionen, die auf einer Menge $ K$ definiert sind, und auf dem die Punktauswertungsfunktionale $ \delta_{x}$ stetig sind, so kann man jedem Funktional $ F\in X''$ wieder eine Funktion $ I(F)$ auf $ K$ zuordnen, einfach durch die Definition $ I(F)(x)=F(\delta_{x}) \enspace\forall x\in K$. Ist zusammen mit der kanonischen Einbettung $ i_{X}$ das Element $ F=i_{X}(f)$ für ein $ f\in X$, so folgt $ I(F)(x)=i_{X}(f)(\delta_{x})=\delta_{x}(f)=f(x)$, also $ I(i_{X}(f))=f$. Die lineare Abbildung $ I:X''\to I(X'')$ liefert also einen Funktionenraum $ I(X'')$, in den der ursprüngliche natürlich eingebettet ist. Man kann sich nun fragen, wie $ I(X'')$ (und damit vielleicht auch $ X''$) aussieht, wenn $ X$ gegeben ist (oder auch umgekehrt), und diese Frage hat tatsächlich eine Relevanz. Im folgenden starten wir bei $ X=Lip(K)$ und kommen wieder bei $ I(X'')=Lip(K)$ heraus, in Kapitel 3 werden wir bei $ \ell ip(K)$ starten und ebenfalls bei $ Lip(K)$ herauskommen.

Beweis. [Beweis] Es sei im folgenden die Norm in $ Lip(K)'$ mit $ \Vert\,{\cdot}\,\Vert _{L}'$ und die Norm in $ Lip(K)''$ mit $ \Vert\,{\cdot}\,\Vert _{L}''$ bezeichnet.

Zunächst sind die Punktauswertungsfunktionale $ \delta_{x}, x\in K$, auf $ Lip(K)$ stetig, und es gilt $ \Vert\delta_{x}\Vert _{L}'\leq 1$ wegen $ \vert\delta_{x}(f)\vert=\vert f(x)\vert\leq \Vert f\Vert _{L}$ und $ \Vert\delta_{x}-\delta_{y}\Vert _{L}'\leq d(x,y)$ wegen $ \vert(\delta_{x}-\delta_{y})(f)\vert=\vert f(x)-f(y)\vert\leq \Vert f\Vert _{L}\:d(x,y)$.

Daher ist die lineare Abbildung $ I: Lip(K)''\to Lip(K)$, definiert durch

$\displaystyle I(F)(x)=F(\delta_{x}) \enspace\forall F\in Lip(K)''\enspace\forall x\in K,
$

kontrahierend, denn es ist $ \Vert I(F)\Vert _{\infty}=\sup_{x\in K}\vert F(\delta_{x})\vert\leq \Vert F\Vert _{L}''$ und

$\displaystyle L(I(F))=\sup_{\substack{x,y\in M \\  x\neq y}} \frac{\vert F(\del...
...{\Vert F\Vert\Vert\delta_{x}-\delta_{y}\Vert}{d(x,y)}\leq \Vert F\Vert _{L}''.
$

Andererseits folgt mit der kanonischen Einbettung $ i_{Lip(K)}: Lip(K)\to Lip(K)''$ gemäß Vorbemerkung $ I\circ i_{Lip(K)}=Id_{\vert Lip(K)}$ und

$\displaystyle \Vert f\Vert _{L}=\Vert I(i_{Lip(K)}(f))\Vert _{L}\leq \Vert i_{Lip(K)}(f)\Vert _{L}''=\Vert f\Vert _{L} \quad\forall f\in Lip(K),
$

so daß $ I$ Norm $ 1$ hat und surjektiv, d.h. insgesamt eine Quotientenabbildung ist (bzw. mit $ i_{Lip(K)}$ als Projektion in $ Lip(K)''$ mit Norm $ 1$ aufgefaßt werden kann). Nun gilt wegen $ I(F)=0\Leftrightarrow F(\delta_{x})=0 \enspace\forall x\in K$ mit den Bezeichnungen des Satzes $ \ker(I)=V^{\perp}$. Damit besteht aber gemäß Satz III.1.10 in [55] die isometrische Isomorphie $ Lip(K)''/V^{\perp}\cong Lip(K)$, und andererseits gilt mit dem abgeschlossenen Unterraum $ V$ in $ Lip(K)$, ebenfalls nach Satz III.1.10 in [55], kanonisch $ V'\cong Lip(K)''/V^{\perp}$, also insgesamt $ Lip(K)\cong V'$. $ \qedsymbol$

Einige Bemerkungen zu diesem Satz scheinen angebracht:

Es ist klar, daß der obige Beweisgedanke das gleiche liefert für den Raum $ X=\ell^{\infty}(K)=I(X'')$ aller beschränkten Funktionen auf $ K$ mit der Supremumsnorm.

Das erste Ergebnis dieser Art taucht übrigens in einem Artikel von Arens und Eells [1] über topologische Einbettungen auf, die einen durch gewisse Funktionen auf $ K$ mit endlichem Träger (vergleiche obigen Beweis) generierten freien Vektorraum mit einer geeigneten Norm versehen und damit einen Prädual von $ Lip_{0}(K)$ erhalten. Wir werden in Theorem 3.4.5 durch Überlegungen, die von Kantorovich und Rubinstein angestellt wurden (nachzulesen in [29] und in Abschnitt 3.4), auf einen Prädual von $ Lip(K)$ in Form eines speziellen Maßraums auf $ K$ stoßen. Auch hier werden wieder die Punktauswertungsfunktionale eine besondere Rolle spielen. Weaver weist in [52, S. 40] auf die nach wie vor offene Frage hin, ob der Prädualraum von $ Lip(K)$ bis auf isometrische Isomorphie eindeutig ist.

Interessanterweise sind wir bei unserem obigen Beweis mit relativ einfachen Techniken ausgekommen. Im allgemeinen würde man natürlich zu weitaus stärkeren Geschützen aus der Banachraumtheorie greifen (vergleiche [20, § 23] zu Dualraumkriterien nach Dixmier). Die Tatsache etwa, daß $ i_{X}(X)$ im Bidualraum $ X''$ komplementiert ist vermöge einer Projektion mit Norm $ 1$ (das ist bei uns $ I$) und einem $ w^{*}$-abgeschlossenen Komplement (das ist $ \ker(I)$ als Annihilator oder auch Polare von $ V$), ist äquivalent dazu, daß $ X$ zu einem Dualraum isometrisch isomorph ist. Als Beispiel sei noch der Satz von Dixmier-Ng zitiert, der besagt, daß $ X$ isometrisch isomorph zu einem Dualraum ist, wenn es auf $ X$ eine lokalkonvexe Hausdorff-Topologie gibt, bezüglich der die Einheitskugel $ B_{X}$ kompakt ist. Im Falle von $ X=Lip(K)$ drängt sich da die Topologie der punktweisen Konvergenz auf, bezüglich der $ B_{Lip(K)}$ natürlich abgeschlossen ist. Wegen $ B_{Lip(K)}\subseteq (B_{{\mathbb{K}}})^{K}$ und dem Satz von Tychonov (siehe B.2.10 in [55]) ist $ B_{Lip(K)}$ damit in dieser Topologie auch kompakt. Im Hinblick auf unseren Beweis beachte man, daß die Funktionale in $ V$ bezüglich der Topologie der punktweisen Konvergenz stetig sind.

Bemerkung 1.1.24   Das Ende dieses einführenden Abschnitts sei einer Versuchung gewidmet, die angesichts der vor der Durchführung des Beweises von Satz 1.1.20 gemachten Bemerkung und des gerade besprochenen Satzes 1.1.22 sehr verlockend erscheint, der man aber nicht erliegen sollte. Im Zusammenhang mit dem Beweis des Fortsetzungssatzes wurde deutlich, daß man große Lipschitzfunktionen von Teilmengen $ M\subseteq K$ völlig analog wie im Beweis zum Satz von Hahn-Banach Funktionale von Unterräumen $ U\subseteq X$ eines Banachraumes $ X$ mit dem Zornschen Lemma fortsetzen kann. Und mit dem letzten Satz 1.1.22 sieht man auch, daß dies kein Zufall ist, ja man könnte sogar den Versuch unternehmen, mit diesem Satz den Fortsetzungssatz für Lipschitzfunktionen aus dem Satz von Hahn-Banach herzuleiten, und zwar durch die folgende Überlegung: Mit $ M\subseteq K$ sei $ V_{M}'$ gemäß Satz 1.1.22 isometrisch isomorph zu $ Lip(M)$ und $ V_{K}'$ isometrisch isomorph zu $ Lip(K)$. Eine Lipschitzfunktion auf $ M$ ``ist'' damit ein Funktional auf dem Abschluß von span$ \,\{\delta_{x}\}_{x\in M}$ in $ Lip(M)'$ mit $ f(\delta_{x})=f(x)\enspace\forall x\in M$ und besitzt nach Hahn-Banach wegen $ V_{M}\subseteq V_{K}$ eine normgleiche Fortsetzung $ F$ auf $ V_{K}$ mit $ F(\delta_{x})=F(x)\enspace\forall x\in K$ und damit $ F(x)=f(x)\enspace\forall x\in M$. Daß dieses Argument einen Haken haben muß, sieht man schon daran, daß man damit die normgleiche Fortsetzbarkeit auch für komplexwertige Lipschitzfunktionen erhielte, was nach Bemerkung 1.1.21 aber nicht möglich ist.

Der Knackpunkt besteht in der Aussage `` $ V_{M}\subseteq V_{K}$'', welche weit weniger trivial als die Mengeninklusion $ U_{M}:=\mathop{\rm span}\nolimits {\{\delta_{x}\}_{x\in M}}\subseteq \mathop{\rm span}\nolimits {\{\delta_{x}\}_{x\in K}}=:U_{K}$ ist und als isometrische Einbettung $ i:V_{M}\to V_{K}$ erkannt werden muß, um eine Anwendung des Satzes von Hahn-Banach zu ermöglichen und damit obiger Argumentation zu ihrem Recht zu verhelfen. Mit der Norm $ \Vert\,{\cdot}\,\Vert _{M}$ auf $ V_{M}$ und $ \Vert\,{\cdot}\,\Vert _{K}$ auf $ V_{K}$ braucht man dafür aber den Nachweis der Gleichheit

$\displaystyle \Vert\ell\Vert _{M}=\sup_{f\in B_{Lip(M)}}\vert\ell(f)\vert=\sup_...
...p(K)}}\vert i(\ell)(f)\vert=\Vert i(\ell)\Vert _{K}\quad\forall \ell\in V_{M},
$

worin nur ``$ \geq$'' mit der Restriktionsabbildung $ R:Lip(K)\to Lip(M)$ klar ist. Für die umgekehrte Abschätzung ``$ \leq$'' benötigt man aber wieder die normgleiche Fortsetzbarkeit von Lipschitzfunktionen von $ M$ auf $ K$, also gerade das, was man eigentlich zeigen wollte. Wir werden übrigens noch zwei weitere Situationen erleben (siehe Bemerkung 2.2.12 und den Beweis (v) $ \Rightarrow$ (iv) von Theorem 3.5.3), in denen sich die Anwendung von Satz 1.1.20 als Fehlerquelle erweist.

Im Buch [29, S. 233] von Kantorovich wurde der Versuchung, Satz 1.1.20 mit Hahn-Banach und dem dortigen oben schon genannten Prädual von $ Lip(K)$ zu beweisen, leider nachgegeben. Da dieser Prädualraum nur im reellen Fall und mit einer unabhängig von Lipschitzfunktionen definierten Norm daherkommt, hat man dort noch Chancen auf Erfolg -- man müßte sich aber anstrengen (siehe Abschnitt 3.4)! Interessant ist in diesem Zusammenhang noch eine Bemerkung von Weaver in [52, S. 42/43]. Weaver betrachtet den auch schon erwähnten von Arens und Eells [1] definierten Prädual von $ Lip(K)$ (begründet, wieso dieser ein besonderer ist, siehe [52, S. 41]) und weist auf die oben genannte isometrische Injektion $ i$ als Folge des Fortsetzungssatzes hin (tappt also nicht in die Falle). Er behauptet dort aber auch -- ohne Begründung natürlich -- daß es möglich ist, die Normerhaltung von $ i$ unabhängig von diesem Satz zu erhalten und ihn damit aus dem Satz von Hahn-Banach zu gewinnen. Und auf Nachfrage erhält man auch eine kleine Skizze der Begründung per email.


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Heiko Berninger 2003-04-25