next up previous contents
Nächste Seite: Die 3-Kugel-Eigenschaft von in Aufwärts: Anwendung der Theorie der Vorherige Seite: Anwendung der Theorie der   Inhalt

Grundlegendes zu $ M$-Idealen und Beispiele

In diesem letzten Kapitel wollen wir uns unter einem weiteren Aspekt die Lage des kleinen Lipschitzraums im großen ansehen. Die beiden vorangegangenen Kapitel brachten mit Ergebnissen wie $ \ell ip(K)\simeq c_{0}$, $ Lip(K)\simeq \ell^{\infty}$ bzw. $ \ell ip(K)''\cong Lip(K)$ im wesentlichen das Resultat, daß sich in ``vernünftigen'' Fällen der kleine Lipschitzraum zum großen ``in etwa so verhält'' wie der Folgenraum $ c_{0}$ zu $ \ell ^{\infty }$. Nun zieht man ja die einfachen Räume $ c_{0}$ und $ \ell ^{\infty }$ gerne als Standardexemplare zur Illustration gewisser Banachraumeigenschaften heran. So ist zum Beispiel $ c_{0}$ nicht in $ \ell ^{\infty }$ komplementiert (siehe IV.6.5 in [55]). Demgegenüber jedoch ist der Annihilator von $ c_{0}$ im Dualraum $ (\ell^{\infty})'$ nicht nur komplementiert, sondern darüber hinaus noch mittels einer sehr ``schönen'' Projektion. $ c_{0}$ ist nämlich ein $ M$-Ideal in $ \ell ^{\infty }$. Die nächste Definition und alle noch folgenden grundlegenden Tatsachen zu $ M$-Idealen sind dem Standardwerk [18] entnommen.

Definition 4.1.1   Sei $ X$ ein reeller oder komplexer Banachraum.
  1. Eine lineare Projektion $ P$ heißt $ M$-Projektion, falls

    $\displaystyle \Vert x\Vert=\max(\Vert P(x)\Vert,\Vert x-P(x)\Vert)\quad\forall x\in X,$    

    und $ L$-Projektion, falls

    $\displaystyle \Vert x\Vert=\Vert P(x)\Vert+\Vert x-P(x)\Vert\quad\forall x\in X.
$

  2. Ein abgeschlossener Unterraum $ U\subseteq X$ heißt $ M$-Summand, wenn er das Bild einer $ M$-Projektion ist, und $ L$-Summand, wenn er das Bild einer $ L$-Projektion ist.
  3. Ein abgeschlossener Unterraum $ U\subseteq X$ heißt $ M$-Ideal, wenn sein Annihilator $ U^{\perp}$ ein $ L$-Summand in $ X'$ ist.

Satz 4.1.2   $ c_{0}$ ist ein $ M$-Ideal in $ \ell ^{\infty }$.

Die Idee zum Beweis dieses Satzes besteht darin, sich an die Gestalt der Funktionale in $ c_{0}'\cong \ell^{1}$ zu erinnern (siehe III.5.6 in [55]).

Beweis. [Beweis] Sei ein Funktional $ \ell\in (\ell^{\infty})'$ gegeben. Dann läßt sich die Einschränkung $ \ell_{\vert c_{0}}$ mit einem gewissen $ (y_{n})\in \ell^{1}$ als

$\displaystyle \ell((x_{n}))=\sum_{n=1}^{\infty}x_{n}y_{n}\quad\forall (x_{n})\in c_{0}
$

schreiben. Wegen $ \left\vert\sum_{n=1}^{\infty}x_{n}y_{n}\right\vert\leq\Vert(x_{n})\Vert _{\infty}\Vert(y_{n})\Vert _{1}$ ist dann auch

$\displaystyle \ell_{1}((x_{n}))=\sum_{n=1}^{\infty}x_{n}y_{n}\quad\forall (x_{n})\in \ell^{\infty}
$

erklärt und damit wieder ein Funktional $ \ell_{1}\in(\ell^{\infty})'$ gefunden. Da $ \ell_{1}$ auf $ c_{0}$ mit $ \ell$ übereinstimmt, kann man die Abbildung

$\displaystyle P: (\ell^{\infty})'\to c_{0}^{\perp},
$

definiert durch

$\displaystyle \ell \mapsto \ell_{2}:=\ell-\ell_{1}
$

betrachten. Wir beweisen, daß $ P$ eine $ L$-Projektion ist. Wegen der Dreiecksungleichung muß nur noch $ \Vert\ell\Vert\geq\Vert\ell_{1}\Vert+\Vert\ell_{2}\Vert$ eingesehen werden. Wähle hierfür zu einem $ \varepsilon >0$ ein $ x^{(1)}\in B_{\ell^{\infty}}$ mit $ \ell_{1}(x^{(1)})\geq\Vert\ell_{1}\Vert-\varepsilon $. Da die Reihe $ \sum_{n=1}^{\infty}\vert y_{n}\vert$ konvergiert, kann o.B.d.A. die Folge $ x^{(1)}$ als abbrechende Nullfolge gewählt werden, d.h. wir können $ x^{(1)}_{n}=0$ für $ n>N$ mit einem $ N\in {\mathbb{N}}$ annehmen. Dieses $ N$ sei so groß gewählt, daß auch $ \sum_{n=N+1}^{\infty}\vert y_{n}\vert\leq\varepsilon $ ist.

Sei weiter ein $ x^{(2)}\in B_{\ell^{\infty}}$ gegeben mit $ \ell_{2}(x^{(2)})\geq\Vert\ell_{2}\Vert-\varepsilon $. Ist nun $ x^{(3)}$ die Folge, die bis zum $ N$-ten Glied mit $ x^{(2)}$ übereinstimmt und sonst lauter Nullen enthält, so gilt wegen $ x^{(3)}\in c_{0}$ und $ \ell_{2\vert c_{0}}=0$ auch $ \ell_{2}(x^{(2)}-x^{(3)})=\ell_{2}(x^{(2)})$ (ob die naive Vorstellung dies nun mitmacht oder nicht). Darüberhinaus gilt nach Wahl von $ N$ für die ``Restfolge'' auch $ \ell_{1}(x^{(2)}-x^{(3)})\leq\sum_{n=N+1}^{\infty}\vert y_{n}\vert\leq\varepsilon $. Jetzt definieren wir $ z\in B_{\ell^{\infty}}$ als diejenige Folge, die bis zum $ N$-ten Glied mit $ x^{(1)}$ und ab dem $ (N+1)$-ten Glied mit $ x^{(2)}$ übereinstimmt, schließen eingedenk $ \ell_{2}(x^{(1)})=0$

$\displaystyle \vert\ell(z)\vert$ $\displaystyle =\vert\ell_{1}(x^{(1)})+\ell_{2}(x^{(1)})+\ell_{1}(x^{(2)}-x^{(3)})+\ell_{2}(x^{(2)}-x^{(3)})\vert$    
  $\displaystyle =\vert\ell_{1}(x^{(1)})+\ell_{1}(x^{(2)}-x^{(3)})+\ell_{2}(x^{(2)})\vert$    
  $\displaystyle \geq \ell_{1}(x^{(1)})+\ell_{2}(x^{(2)})-\varepsilon \geq\Vert\ell_{1}\Vert+\Vert\ell_{2}\Vert-3\varepsilon$    

und sind fertig. $ \qedsymbol$

Es ist nach diesem Satz und den vorangegangenen Bemerkungen bezüglich der Entsprechung von Lipschitzräumen und Folgenräumen alles andere als abwegig, die Frage zu stellen, ob oder wann der kleine Lipschitzraum ein $ M$-Ideal im großen ist. Klar ist jedoch, daß die Eigenschaft, ein $ M$-Ideal zu sein, eine geometrische, sprich eine recht ``empfindliche'' ist, die unter Isomorphismen zerstört werden kann. Sicher kann man nur bei isometrischen Isomorphismen sein, so daß wir an dieser Stelle mit Wulberts Satz 2.4.7 lediglich die folgende bescheidene Aussage treffen können.

Korollar 4.1.3   Ist $ K$ eine kompakte nirgends dichte Teilmenge der reellen Achse vom Lebesgue-Maß Null, so ist $ \Lambda(K)$ ein $ M$-Ideal in $ H(K)$.

Sehen wir uns, um uns der Frage, ob bzw. wann der kleine Lipschitzraum ein $ M$-Ideal im großen ist, langsam zu nähern, noch einmal den Beweis des obigen Satzes an. Dort wurde mittels der Darstellung der Funktionale auf $ c_{0}$ eine kanonische eindeutige Zerlegung jedes Funktionals $ \ell$ auf $ \ell ^{\infty }$ gefunden, und zwar als Summe eines Funktionals $ \ell_{2}$ aus dem Annihilator von $ c_{0}$ und eines Funktionals $ \ell_{1}$, welches sich aus dem Darstellungssatz $ c_{0}'\cong \ell^{1}$ ganz natürlicherweise als Formel $ \ell_{1}((x_{n}))=\sum_{n=1}^{\infty}x_{n}y_{n}$ ergibt, welche aber -- und das ist der Clou -- nicht nur für Nullfolgen, sondern für alle $ (x_{n})\in \ell^{\infty}$ sinnvoll ist. Und hier nötigt sich stark eine Analogie zu den Lipschitzräumen auf. Wir haben nämlich im Zusammenhang mit de Leeuws Vorgehen in Abschnitt 3.1 (siehe konkret Lemma 3.1.4) eine Darstellung für Funktionale auf $ \ell ip(K)$ gefunden, die dann von Bade, Curtis und Dales in Definition 3.3.3 und vor allem in Satz 3.3.4 auf $ Lip(K)$ ``hochgehoben'' wurde. In Anlehnung an den obigen Beweis bietet sich nun folgende Konstruktion an. Sei ein $ \psi\in Lip(K)'$ gegeben. Betrachte $ \varphi=\psi_{\vert\ell ip(K)}\in\ell ip(K)'$ und hierzu gemäß Lemma 3.1.4 ein $ \mu\in M(\hat{K})$, so daß

$\displaystyle \psi(g)=\int_{\hat{K}}\varPhi(g)d\mu\quad\forall g\in \ell ip(K)
$

gilt. Jetzt kann man das Funktional $ \psi_{1}\in Lip(K)'$, definiert durch

$\displaystyle \psi_{1}(h)=\int_{\hat{K}}\varPhi(h)d\mu\quad\forall h\in Lip(K)
$

ansehen. Falls $ K$ die in Satz 3.3.4 (und Theorem 3.5.3) genannte Separationseigenschaft hat, ist nach diesem Satz $ \psi_{1}$ unabhängig von dem gewählten $ \mu$, welches $ \psi$ gemäß Lemma 3.1.4 darstellt, hängt also nur von $ \psi$ ab. Damit ist in diesem Falle die Abbildung

$\displaystyle P: Lip(K)'\to \ell ip(K)^{\perp},
$

gegeben durch

$\displaystyle \psi\mapsto \psi-\psi_{1}
$

wohldefiniert und (in Analogie zum Beweis von Satz 4.1.2) ein natürlicher Kandidat für eine mögliche $ L$-Projektion, mit welcher $ \ell ip(K)$ ein $ M$-Ideal in $ Lip(K)$ sein könnte. Entscheidend ist aber natürlich die in Definition 4.1.1 geforderte Normgleichung, welche die Abbildung $ P$ erfüllen müßte, und das kann an dieser Stelle auf dieser abstrakten Ebene leider nicht geklärt werden. Es sei hier lediglich kurz umrissen, was man in der Literatur über die Gestalt und die Eigenschaften von Funktionalen in $ \ell ip(K)^{\perp}$ weiß.

Bei D. R. Sherbert in [45, III., S. 270] findet sich die Charakterisierung, daß $ \ell ip(K)^{\perp}$ der desjenigen Unterraums in $ Lip(K)'$ ist, welcher von den sogenannten Punktderivationen auf $ K$ aufgespannt wird. Ein beschränktes lineares Funktional $ D$ auf $ Lip(K)$ heißt Punktderivation am Punkt $ x\in K$, falls

$\displaystyle D(f\cdot h)=f(x)D(h)+h(x)D(f)\quad\forall f,h\in Lip(K),
$

d.h. eine Art Produktregel, erfüllt ist. Der uns schon bekannte T. M. Jenkins hat in seiner Arbeit [24, S. 43 f], aufbauend auf den Erkenntnissen von Sherbert, die Extremalpunkte von $ B_{Lip(K^{\alpha})'}$ und von $ B_{\ell ip(K^{\alpha})'}$ für $ 0<\alpha <1$ in den Hölderräumen mit der Norm $ \Vert\,{\cdot}\,\Vert _{L_{\alpha}}=\max(\Vert\,{\cdot}\,\Vert _{\infty},L_{\alpha}(\cdot))$ näher untersucht. Ausgehend von de Leeuws Einbettungsabbildung $ \varPhi: Lip(K^{\alpha})\to C^{b}(\hat{K^{\alpha}})$ (siehe Definition 1.1.9 und Satz 1.1.10) schließt er zunächst mit den Mengen

$\displaystyle E_{1}:=\{\lambda\delta_{x}:x\in K, \vert\lambda\vert=1\}
$

und

$\displaystyle E_{2}:=\{\lambda(\delta_{x}-\delta_{y})d^{-\alpha}(x,y):0<d^{\alpha}(x,y)<2, \vert\lambda\vert=1\}
$

die Tatsache

$\displaystyle \mathop{\rm ext}\nolimits B_{\ell ip(K^{\alpha})'}=E_{1}\cup E_{2}.
$

(Die beteiligten Funktionale sind nun immer als eingeschränkt auf die jeweiligen Teilräume zu betrachten.) Die Stone-Cech-Kompaktifizierung $ \beta \hat{K}$ des Raums $ \hat{K}=K\cup K^{2}\backslash \mathop{\rm diag}\nolimits (K^{2})$ führt auf die Menge

$\displaystyle E_{3}:=\{\lambda\delta_{z}:z\in \beta \hat{K}\backslash \hat{K}, \vert\lambda\vert=1\},
$

worin jedes $ \delta_{z}$ nach Sherbert eine Punktderivation an einem eindeutig bestimmten Punkt $ x\in K$ ist. Mit einer Teilmenge $ D$ von $ E_{3}$ gilt dann gemäß Jenkins

$\displaystyle \mathop{\rm ext}\nolimits B_{Lip(K^{\alpha})'}=E_{1}\cup E_{2}\cup D.
$

Über $ D$ weiß man fast nichts. Wenigstens ist seit Johnsons Arbeit [25, S. 153] bekannt, daß $ D$ für unendliches $ K$ nichtleer ist, und das ist ja schon mal was! Beruhigend ist auch die Art der Zusammensetzung der Menge $ \mathop{\rm ext}\nolimits B_{Lip(K^{\alpha})'}$ als Vereinigung von $ \mathop{\rm ext}\nolimits B_{\ell ip(K^{\alpha})'}$ und $ D$, denn es ist ja im allgemeinen alles andere als ``üblich'' (siehe zum Beispiel $ \ell ^{\infty }$-Normen), daß sich Extremalpunkte der Einheitskugel eines Unterraums als Extremalpunkte der Einheitskugel des ganzen Raums wiederfinden. Ist der Raum mittels einer $ \ell^{1}$-direkten Summe zweier Unterräume zusammengesetzt, so kommen beim Schritt ``von unten nach oben'' auch keine neuen hinzu (siehe I.1.5 in [18]):

Lemma 4.1.4   Für $ X=U_{1}\oplus_{1} U_{2}$ gilt (mit der Konvention $ \mathop{\rm ext}\nolimits B_{\{0\}}=\varnothing$)

$\displaystyle \mathop{\rm ext}\nolimits B_{X}=\mathop{\rm ext}\nolimits B_{U_{1}}\cup\mathop{\rm ext}\nolimits B_{U_{2}}.
$

Im Hinblick auf unser langfristiges Ziel hätte man natürlich gerne (lax ausgedrückt)

$\displaystyle Lip(K^{\alpha})'=\ell ip(K^{\alpha})'\oplus_{1}\ell ip(K^{\alpha})^{\perp},
$

also eine Art Umkehrung des Lemmas, die man sich im ``Niedrigdimensionalen'' auch gut vorstellen kann. Was außer einer $ \ell^{1}$-Summe noch möglich ist, um die Aussage des Lemmas zu erhalten, können und wollen wir hier jedoch nicht klären.

Führt man sich das Vorgehen zum Nachweis $ \Vert\ell\Vert=\Vert\ell_{1}\Vert+\Vert\ell_{2}\Vert$ im Beweis von Satz 4.1.2 noch einmal zu Gemüte, so könnte man vermuten, daß eine genauere Kenntnis der Funktionale in $ \ell ip(K)^{\perp}$ gar nicht nötig ist, vielmehr eine genaue Kenntnis der Elemente der Einheitskugel $ B_{Lip(K)}$ im Wechselspiel mit denen in $ B_{\ell ip(K)}$. Gleichzeitig sieht man jedoch, wenn man die Analogie mit dem obigen Beweis weitertreibt, die Problematik bei dem Versuch, in der Formel

$\displaystyle \psi(g)=\int_{K}g(x)d\mu(x)+\int_{K^{2}\backslash \mathop{\rm diag}\nolimits (K^{2})}\frac{g(x)-g(y)}{d(x,y)} d\mu(x,y)
$

am Quotienten $ \frac{g(x)-g(y)}{d(x,y)}$ entlang der Diagonalen, d.h. im ``Unendlichen'' von $ \hat{K}$, zu ``drehen''. Das, was im Beweis von oben einfach durch Abschneiden der Folge geschehen konnte, würde hier die gesamte Funktion in Mitleidenschaft ziehen, da diese ja dann ``lokal überall'' verändert würde.

So soll an dieser Stelle der vorliegende Ansatz nicht weiter verfolgt werden. Auf eine weitere Analogie zwischen den Folgenräumen und den Lipschitzräumen sei jedoch noch hingewiesen. Aus dem Beweis zu Satz 4.1.2 kann man nämlich auch herauslesen, daß es eine schöne Hahn-Banach-Fortsetzungsabbildung

$\displaystyle T:c_{0}'\to (\ell^{\infty})'
$

für Funktionale auf $ c_{0}$ gibt. Ist mit einem $ (y_{n})\in \ell^{1}$ ein Funktional $ \ell_{0}$ auf $ c_{0}$ gegeben, so setzt man es einfach als $ \ell_{1}$ wie im Beweis oben fort, und diese Zuordnung liefert den Operator $ T$. Daß tatsächlich $ \Vert\ell_{1}\Vert=\Vert\ell_{0}\Vert$ gilt, sieht man leicht durch Abschneiden von Folgen aus $ \ell ^{\infty }$ mit der Konvergenz von $ \sum_{n=1}^{\infty}\vert y_{n}\vert$. Die Normgleichung $ \Vert\ell\Vert=\Vert\ell_{1}\Vert+\Vert\ell_{2}\Vert$ zeigt nun, daß die Hahn-Banach-Fortsetzung sogar eindeutig ist. Denn wäre $ \ell$ eine weitere Hahn-Banach-Fortsetzung von $ \ell_{0}$, so hätte man (mit den Bezeichnungen des Beweises) $ \ell_{2}=\ell-\ell_{1}\neq 0$ und damit den Widerspruch $ \Vert\ell\Vert>\Vert\ell_{1}\Vert=\Vert\ell_{0}\Vert$. Falls die Separationsbedingung erfüllt ist, und unter dieser Voraussetzung wurde ja der obige Ansatz für die Lipschitzräume formuliert, hat man ebenfalls eine Hahn-Banach-Fortsetzungsabbildung

$\displaystyle S:\ell ip(K)'\to Lip(K)'
$

vorliegen, wobei mit den Begriffen aus dem obigen Ansatz natürlicherweise $ S(\varphi)=\psi_{1}$ gesetzt wird, wenn $ \mu$ ein $ \varphi$ gemäß Lemma 3.1.4 repräsentierendes Maß ist. Die Wohldefiniertheit von $ S$ folgt wieder aus Satz 3.3.4, und auch die Tatsache $ \Vert\varphi\Vert=\Vert\psi_{1}\Vert$ kann man völlig analog zum Beweis von Satz 3.3.4 aus der Separationsbedingung herleiten. Wäre mit dem genannten Ansatz $ \ell ip(K)$ ein $ M$-Ideal in $ Lip(K)$, könnte man wie oben auch die Eindeutigkeit der Hahn-Banach-Abbildung einsehen. Letzteres ist im übrigen kein Zufall, denn jedes $ M$-Ideal $ U$ in $ X$ ist ``Hahn-Banach-glatt'', d.h. jedes Funktional auf $ U$ besitzt eine eindeutige Hahn-Banach-Fortsetzung in $ X'$ (siehe I.1.12 in [18]) .

Zu den allgemeinen Eigenschaften von $ M$-Idealen gehört zum Beispiel, daß der Schnitt oder auch die Summe zweier $ M$-Ideale wieder ein $ M$-Ideal ist (siehe I.1.11 in [18]). In einem glatten oder strikt konvexen Raum $ X$ lassen sich, außer den trivialen $ M$-Idealen $ \{0\}$ und $ X$ selbst, keine weiteren $ M$-Ideale finden (siehe I.1.7 in [18]). Leicht einzusehen ist, daß $ M$-Summanden auch $ M$-Ideale sind, aber nicht umgekehrt (siehe S. 2 in [18]). Ein Beispiel für letzteres werden wir am Ende von Abschnitt 4.2 sehen, und eines haben wir natürlich schon gesehen, nämlich das Standardbeispiel $ c_{0}$ in $ \ell ^{\infty }$. Schon dieses ist besonders eindrücklich, denn es gibt ja nicht nur keine $ M$-Projektion von $ \ell ^{\infty }$ auf $ c_{0}$, sondern bekanntlich überhaupt keine (siehe IV.6.5 in [55]). $ M$-Ideale, die keine $ M$-Summanden sind, nennt man echte $ M$-Ideale.

Besonders schöne Aussagen kann man über sogenannte $ M$-eingebettete Räume machen, welche (über die natürliche Einbettung) $ M$-Ideale in ihren Bidualräumen sind. Dies ist ja für $ c_{0}$ in $ \ell ^{\infty }$ der Fall, und $ \ell ip(K)$ wäre ja in $ Lip(K)$, wie gesehen, ``oft'' auch ein solcher Kandat. Beispielsweise bleibt man in der Klasse der $ M$-eingebetteten Räume, wenn man zu Unterräumen, Quotienten oder $ c_{0}$-Summen übergeht (siehe III.1.6 in [18]). Ein weiteres bemerkenswertes Ergebnis ist, daß der Dualraum eines separablen $ M$-eingebetteten Raums selbst wieder separabel ist (vgl. III.3.1 in [18]). Nichtreflexive $ M$-eingebettete Räume (siehe das Standardbeispiel oder auch Korollar 2.3.4 als weitere Anregung) sind nie komplementiert in ihrem Bidualraum (vgl. III.3.7 in [18]). Der Folgenraum $ c_{0}$ als Prototyp eines $ M$-Ideals findet sich in jedem echten $ M$-Ideal wieder (siehe II.4.7 und III.4.7 in [18]):

Theorem 4.1.5   Jedes echte $ M$-Ideal $ X$ enthält eine Kopie von $ c_{0}$. Ist $ X$ darüberhinaus $ M$-eingebettet, so ist diese, und auch jede weitere Kopie von $ c_{0}$, komplementiert in $ X$.

Für $ M$-eingebettete Räume $ X$ existiert sogar ein Analogon zum Satz von Krein-Milman bzw. zum Satz von Bessaga-Pe\lczynski. Man hat die Gleichheit

$\displaystyle B_{X'}=\mathop{\rm\overline{\mathop{\rm co}\nolimits }}\nolimits ^{\Vert\,{\cdot}\,\Vert}w^{*}$-$\displaystyle \mathop{\rm sexp}\nolimits B_{X'},
$

wobei $ w^{*}$-$ \mathop{\rm sexp}\nolimits B_{X'}$ die sogenannten $ w^{*}$-stark exponierten Punkte von $ B_{X'}$ sind (vergleiche hierzu III.3.2 in [18]).

Ein prominentes von J. Dixmier gefundenes Beispiel eines $ M$-eingebetteten Raums ist der Raum $ K(H)$ aller kompakten Operatoren auf einem Hilbertraum $ H$ im Raum $ L(H)$ aller beschränkten linearen Operatoren auf $ H$ (vergleiche III.1.4 (f) in [18] und [54, S. 349]). Besonders schön ist dieses Beispiel auch deshalb, weil $ L(H)$ sogar eine Algebra und $ K(H)$ ein algebraisches Ideal darin ist. Das nächste Theorem zeigt eine Schnittstelle zwischen den algebraischen und den gemäß Definition 4.1.1 geometrisch definierten Idealen auf (vergleiche V.4.1 und V.4.4 in [18]).

Theorem 4.1.6   In Banachalgebren gelten folgende Aussagen zu $ M$-Idealen und algebraischen Idealen.
  1. In einer kommutativen Banachalgebra mit Einheit ist ein $ M$-Ideal notwendig ein abgeschlossenes Ideal.
  2. In einer $ C^{*}$-Algebra sind die $ M$-Ideale genau die abgeschlossenen zweiseitigen Ideale.

Aus Punkt (i) dieses Theorems folgt nun sofort das erste negative Ergebnis zu $ M$-Idealen in Lipschizräumen. Wir wissen ja seit Satz 1.1.3, daß $ Lip(K)$ mit der Norm $ \Vert\,{\cdot}\,\Vert _{A}=\Vert\,{\cdot}\,\Vert _{\infty}+L(\cdot)$ eine Banachalgebra mit Einheit ist. Diese Einheit liegt jedoch schon in $ \ell ip(K)$, so daß $ \ell ip(K)$ genau dann ein Ideal in $ Lip(K)$ ist, wenn es mit $ Lip(K)$ zusammenfällt. Dies ist jedoch nur in diskreten Fällen so (siehe die Voraussetzung zu Johnsons Theorem 2.3.1).

Korollar 4.1.7   Sei $ (K,d)$ ein metrischer Raum mit $ \inf_{x\neq y}d(x,y)=0$, d.h. $ \ell ip(K)\subsetneq Lip(K)$. Dann ist $ \ell ip(K)$ in der Lipschitzalgebra $ (Lip(K),\Vert\,{\cdot}\,\Vert _{A})$ kein $ M$-Ideal.

Da die Eigenschaft eines Raums, ein $ M$-Ideal zu sein, eine geometrische ist, kann die Sache bei Umnormierungen völlig anders aussehen. So ist zum Beispiel, wie wir seit der Bemerkung zu Satz 1.1.3 wissen, $ Lip(K)$ mit der Standardnorm $ \Vert\,{\cdot}\,\Vert _{L}=\max(\Vert\,{\cdot}\,\Vert _{\infty},L(\cdot))$, zwar eine Algebra mit Einheit, nicht jedoch eine Banachalgebra, so daß Theorem 4.1.6 nicht anwendbar ist. In den Räumen $ Lip_{0}(K)$, wo $ f(x_{0})=0$ für ein $ x_{0}\in K$ und alle $ f\in Lip_{0}(K)$ gilt, und speziell in den Räumen $ H_{\alpha }$ aus Abschnitt 1.2 fehlt sogar die Einheit. In solchen Räumen hat man also noch eine Chance auf ein positives Ergebnis, weswegen wir uns im nächsten Abschnitt speziell auf die Hölderräume $ H_{\alpha }$ konzentrieren werden.

Wir wurden weiter oben bereits mit der Schwierigkeit konfrontiert, durch Betrachtung der Funktionale in $ Lip(K)'$ aus dem Annihilator $ \ell ip(K)^{\perp}$ direkt anhand der Definition zu untersuchen, ob oder wann $ \ell ip(K)$ ein $ M$-Ideal in $ Lip(K)$ ist. Eine Analyse des Beweises zu Satz 4.1.2 zeigte jedoch auch, daß es schon genügen kann, einfach die Elemente der Einheitskugel des Unterraums $ U\subseteq X$ ``im Verhältnis'' zu denen in $ B_{X}$ genau zu kennen. So nimmt es nicht wunder, daß es eine Charakterisierung der Aussage ``$ U$ ist ein $ M$-Ideal in $ X$'' gibt, die ganz allgemein dieses Verhältnis herausstellt. Es ist dies die sogenannte 3-Kugel-Eigenschaft für $ M$-Ideale, und sie ist zu finden im Charakterisierungstheorem I.2.2 in [18].

Theorem 4.1.8   Für einen abgeschlossenen Unterraum $ U$ eines Banachraums $ X$ sind äquivalent:
  1. $ U$ ist ein $ M$-Ideal in $ X$.
  2. Für alle $ y_{1},y_{2},y_{3}\in B_{U}$, alle $ x\in B_{X}$ und alle $ \varepsilon >0$ gibt es ein $ y\in U$, so daß die Ungleichung

    $\displaystyle \Vert x+y_{i}-y\Vert\leq 1+\varepsilon
$

    für $ i=1,2,3$ Bestand hat.

Mit dieser schönen Charakterisierung werden wir von nun an die Frage, ob ein Raum ein $ M$-Ideal in einem anderen ist, untersuchen. Die 3-Kugel-Eigenschaft (ii) wird übrigens noch einfacher, wenn man weiß, daß $ X$ der zweite Dualraum von $ U$ ist. Dann haben wir anstelle von (i) die Aussage ``$ U$ ist $ M$-eingebettet in $ X$'', und in (ii) reicht es, die Ungleichung nur für $ y_{1}$ und $ -y_{1}$ zu fordern (siehe 1.1 f in [54]). Im praktischen Nachprüfen der 3-Kugel-Eigenschaft spielt diese Vereinfachung indes meist keine Rolle, da man dort oft genauso gut von einer $ n$-Kugel-Eigenschaft für ein $ n\in {\mathbb{N}}$ ausgehen könnte. Wenn klar ist, um welche Räume $ X$ und vor allem $ U$ es sich handelt, werden wir, besonders in Abschnitt 4.2, auch davon reden, daß ein Element $ x\in B_{X}$ die (Forderung der) 3-Kugel-Eigenschaft erfüllt, wenn (ii) für dieses spezielle $ x$ gilt. Weiter sagen wir, daß $ U$ in $ X$ die 3-Kugel-Eigenschaft erfüllt, falls $ U$ ein $ M$-Ideal in $ X$ ist, wobei wir diese Begriffe bisweilen auch verwenden, wenn $ X$ nicht vollständig ist.

Bemerkung 4.1.9   Im Falle von konkret vorliegenden (meist $ M$-eingebetteten) Banachräumen wie Folgen- oder Funktionenräumen, mit denen wir es ja hier zu tun haben, findet sich zum Überprüfen der 3-Kugel-Eigenschaft eine ausgesprochen nette und einfache Idee in [18, S. 102 f] bzw. in [54, S. 338 f], die dort auch an einigen Beispielen durchexerziert ist. Sie geht von der Beobachtung aus, daß es (in der Sprache der Landau-Symbole $ o(\cdot)$ und $ O(\cdot)$) oft eine Art `` $ o(\cdot)$-$ O(\cdot)$''-Relation zwischen den Elementen in einem $ M$-eingebetteten Raum $ U$ und den Elementen im Bidualraum $ U''\cong X$ gibt. Wenn die Elemente in $ X$ dadurch bestimmt sind, daß bei ihnen eine gewisse Größe auf einem Definitionsbereich $ K$ (gemessen durch $ \Vert\,{\cdot}\,\Vert$), aus der sich die Norm auf $ X$ bzw. $ U$ speist, beschränkt bleibt (wie in $ \ell ^{\infty }$ oder auch in $ Lip(K)$), so zeichnen sich diejenigen Elemente in $ U$ zusätzlich dadurch aus, daß diese Größe in einem gewissen ``Bereich'' von $ K$ sogar gegen Null geht (wie in $ c_{0}$ oder eben in $ \ell ip(K)$). Zur Verifikation der 3-Kugel-Eigenschaft für ein gegebenes $ \varepsilon >0$ wählt man nun eine Teilmenge $ M\subseteq K$, so daß $ \vert y_{i}\vert\leq\varepsilon $ auf $ K\backslash M$ für $ i=1,2,3$ ist (und hier wird klar, daß man es auch mit endlich vielen statt nur drei $ y_{i}$'s zu tun haben Dann versucht man zu dem gegebenen $ x\in X$ ein $ y\in U$ so zu definieren, daß es auf $ M$ bis auf höchstens $ \varepsilon $ mit $ x$ übereinstimmt und auf $ K\backslash M$ in einer ``sich an $ x$ orientierenden Weise abfällt'', so daß dort immer noch $ \vert x-y\vert\leq 1+\varepsilon $ gilt. Dann ist $ \vert x+y_{i}-y\vert\leq \vert y_{i}\vert+\vert x-y\vert\leq 1+\varepsilon $ auf $ M$ gesichert und auf $ K\backslash M$ nutzt man die Kleinheit der Elemente $ y_{1},y_{2}$ und $ y_{3}$ aus $ U$, so daß man hier $ \vert x+y_{i}-y\vert\leq \vert x-y\vert+\vert y_{i}\vert\leq 1+2\varepsilon $ abschätzen kann. Das Problem besteht dabei oft in der Behandlung eines Zwischenbereichs am ``Rand von $ M$'', wo das $ y$ im Sinne von $ \Vert\,{\cdot}\,\Vert$ ``kontrolliert abfallen'' muß, meist aber noch nicht so gewählt werden kann, daß $ \vert y\vert\leq\varepsilon $ auf ganz $ K\backslash M$ gilt. Zur Arbeitserleichterung mag jedoch noch die Beobachtung beitragen, daß es aufgrund des zur Verfügung stehenden $ \varepsilon >0$ reicht, $ x$ und die $ y_{i}$'s aus dichten Teilmengen der jeweiligen Einheitskugel anzunehmen bzw. das $ y$ nur in einer dichten Teilmenge von $ U$ zu suchen.

Am Standardbeispiel $ c_{0}$ als $ M$-Ideal in $ \ell ^{\infty }$ kann man das gerade beschriebene Vorgehen mit einem Wort als ``straightforward'' bezeichnen. Ist $ N\in {\mathbb{N}}$ ein Index, ab dem der Betrag aller weiteren Folgeglieder in $ y_{1},y_{2}$ und $ y_{3}$ höchstens $ \varepsilon $ ist, kann man $ y$ bis zum $ N$-ten Folgeglied mit der Folge $ x$ gleichsetzen und ansonsten mit Nullen auffüllen. Ein Problem auf dem ``Rand von $ M$'' hat man in diesem diskreten Fall nicht. Wenn man dies mit dem Vorgehen im Beweis des gleichen Ergebnisses (Satz 4.1.2) vergleicht, wo wir direkt von der Definition 4.1.1 ausgingen, sieht man wohl einerseits Ähnlichkeiten, hat aber andererseits auch den Eindruck, daß die 3-Kugel-Eigenschaft offenbar die Definition auf das Wesentliche eindampft.

Ein einfaches Beispiel für Funktionenräume hat man im Raum $ C_{0}(K)$ aller im ``Unendlichen'' verschwindenden stetigen Funktionen auf einem lokalkompakten metrischen Raum $ K$, welcher ein $ M$-Ideal im Raum $ C^{b}(K)$ aller beschränkten stetigen Funktionen auf $ K$ ist. Sind nämlich die $ y_{i}$ außerhalb eines kompakten $ M\subseteq K$ betragsmäßig höchstens $ \varepsilon $, so kann man mit der stetigen Abstandsfunktion $ \mathop{\rm dist}\nolimits (\,{\cdot}\,,M)$ die Funktion $ y=x\cdot 1/(1+\mathop{\rm dist}\nolimits (\,{\cdot}\,,M))\in C_{0}(K)$ betrachten und sieht rasch $ \Vert x-y+y_{i}\Vert _{\infty}\leq 1+\varepsilon $ ein. Und weiter nährt sich damit die Hoffnung, daß sich über de Leeuws Einbettungsabbildung aus Satz 1.1.10 dieses Ergebnis auf die Unterräume $ Lip(K)$ von $ C^{b}(\hat{K})$ bzw. $ \ell ip(K)$ von $ C_{0}(\hat{K})$ übertragen könnte.

Das Problem liegt jedoch auf der Hand: Mit einem derart simplen Multiplikationsargument, mit dem wir gerade das $ y$ aus dem $ x$ erhalten haben, kann es unmöglich gehen. Die Lipschitzfunktionen, die sich mittels der Einbettungsabbildung als beschränkte stetige Funktionen auf $ K\cup K^{2}\backslash\mathop{\rm diag}\nolimits (K^{2})$ wiederfinden, sind ja bereits durch ihre Werte auf $ K$ vollständig bestimmt. Ein ``Rütteln'' entlang der Diagonalen $ \mathop{\rm diag}\nolimits (K^{2})$ hieße ja, eine Lipschitzfunktion ``lokal überall'' zu verändern, womit man Gefahr liefe, sie danach nicht mehr wieder zu erkennen. Das Problem, die 3-Kugel-Eigenschaft im Sinne der `` $ o(\cdot)$-$ O(\cdot)$''-Relation für Lipschitzfunktionen nachzuprüfen, liegt eben gerade in dem Umstand begründet, daß die $ o(\cdot)$-Bedingung, d.h. die $ \ell ip$-Bedingung, eine gleichmäßige lokale Bedingung ist, so daß es fast unmöglich erscheint, ein $ M\subseteq K$ zu extrahieren, um die vorgeschlagene Konstruktion für Lipschitzfunktionen überhaupt durchzuführen. Aber da gibt es ein Licht am Horizont, und um dieses besser sehen zu können, wollen wir uns noch einem weiteren Beispiel zuwenden.

Satz 4.1.10   Sei $ K$ ein kompakter Hausdorffraum und $ D$ eine abgeschlossene Teilmenge von $ K$. Dann ist der Teilraum

$\displaystyle U_{D}:=\{f\in C(K):f(x)=0\enspace\forall x\in D\}
$

von $ C(K)$ ein $ M$-Ideal in $ C(K)$.

Man kann sogar noch mehr aussagen (siehe I.1.4 (a) in [18]): Umgekehrt ist tatsächlich jedes $ M$-Ideal in $ C(K)$ wieder ein $ U_{D}$ für ein gewisses abgeschlossenes $ D\subseteq K$, und $ U_{D}$ ist genau dann ein $ M$-Summand, wenn $ D$ ``clopen'', also abgeschlossen und offen ist. Weiter gelten diese Aussagen auch für $ C_{0}(K)$, wenn $ K$ nur ein lokalkompakter Hausdorffraum ist. Zum Beweis wird in [18, S. 3 f] direkt von der Definition 4.1.1 ausgegangen und der Rieszsche Darstellungssatz benutzt. Wir wollen Satz 4.1.10 mit der 3-Kugel-Eigenschaft zeigen und hierfür den Satz von Tietze-Urysohn (siehe B.2.4 in [55]) anwenden. Um dies zu tun, benötigt man die Voraussetzung, daß $ K$ normal ist (siehe S. 436 in [55]) und das kann man für kompakte Hausdorffräume in endlicher Zeit einsehen.

Beweis. [Beweis] Seien Funktionen $ h\in C(K)$ und $ f_{1},f_{2},f_{3}\in U_{D}$, alle mit Norm höchstens $ 1$, und ein $ \varepsilon >0$ vorgegeben. Zu jedem $ x\in\partial D$ existiert eine offene Umgebung $ V_{x}$, so daß $ \vert f_{i}(y)\vert\leq\varepsilon \enspace\forall y\in V_{x}$ und $ \forall i\in\{1,2,3\}$ ist. Dann ist $ V:=\bigcup_{x\in\partial D}V_{x}\subseteq K$ offen und die Mengen $ E:=K\backslash (V\cup D)$ sowie $ D$ disjunkte abgeschlossene Mengen in $ K$. Da $ K$ normal ist, folgt aus dem Satz von Tietze-Urysohn die Existenz einer stetigen Funktion $ f:K\to [0,1]$ mit $ f_{\vert D}=0$ und $ f_{\vert E}=1$. Mit der Produktfunktion $ g:=h\cdot f\in U_{D}$ gilt dann

$\displaystyle \Vert(h+f_{i}-g)_{\vert D}\Vert _{\infty}\leq\Vert h\Vert _{\infty}\leq 1\quad\forall i\in\{1,2,3\},
$

$\displaystyle \Vert(h+f_{i}-g)_{\vert E}\Vert _{\infty}\leq\Vert f_{i}\Vert _{\infty}\leq 1\quad\forall i\in\{1,2,3\}
$

und

$\displaystyle \Vert(h+f_{i}-g)_{\vert(V\backslash D)}\Vert _{\infty}\leq\Vert\t...
...infty}+\Vert f_{i}\Vert _{\infty}\leq 1+\varepsilon \quad\forall i\in\{1,2,3\}
$

nach Wahl von $ V$ und $ f$. Damit ist $ U_{D}$ ein $ M$-Ideal in $ C(K)$. $ \qedsymbol$

Das Entscheidende an dem Beweisgedanken ist die Anwendung des Fortsetzungssatzes von Tietze-Urysohn, um aus der vorgegebenen Funktion $ h\in B_{C(K)}$ die gewünschte Funktion $ g\in U_{D}$ zu gewinnen. Die offene Menge $ E$ spielt die Rolle der in Bemerkung 4.1.9 besprochenen Menge $ M$, auf deren Komplement $ V\cup D$ die Funktionen $ f_{1},f_{2},f_{3}$ über deren Kleinheit kontrolliert werden. Lehrreich im Hinblick auf unsere Fragestellung ist dieses Beispiel deshalb, weil auch wir über einen Fortsetzungssatz verfügen, der es uns erlaubt, aus einer großen Lipschitzfunktion $ h$ eine kleine Lipschitzfunktion $ g$ zu gewinnen, die $ h$ in einem gewissen Sinne annähert. Es ist dies ein Satz, der zum ersten Mal bei Jenkins (siehe Lemma 3.2.6) auftauchte, der von Johnson (siehe Lemma 3.3.1) auf seinen wesentlichen Gehalt hin untersucht wurde und der letzten Endes nichts weiter als die Separationseigenschaft (siehe Theorem 3.5.3) beschreibt: Die große Lipschitzfunktion $ h$ kann durch eine kleine Lipschitzfunktion $ g$ in der Supremumsnorm angenähert werden mit dem Nebeneffekt, daß die Lipschitznorm von $ g$ ``im Rahmen'' der Lipschitznorm von $ h$ bleibt. Wenn man nun noch bemerkt, daß die gleichmäßige Annäherung von $ g$ an $ h$ auch den Quotienten $ \frac{\vert(h-g)(x)-(h-g)(y)\vert}{d(x,y)}$ für Punkte $ x,y$, die nicht ``zu nahe'' beieinander liegen, klein werden läßt, so stößt man -- nachdem man sich genügend Zeit zum Nachsinnen genommen hat -- auf eine Möglichkeit, wie man die ``lokale Menge $ K\backslash M$'' aus der $ \ell ip$-Bedingung herauskitzeln könnte.

Definition 4.1.11   Für eine Lipschitzfunktion $ f$ auf einem metrischen Raum $ K$ sei die Steigung $ L_{xy}(f)$ zwischen den Punkten $ x,y\in K$, $ x\neq y$, durch

$\displaystyle L_{x,y}(f)=\frac{\vert f(x)-f(y)\vert}{d(x,y)}
$

erklärt.

Diese Abkürzung ist von nun an nötig. Offensichtlich ist $ L_{xy}(\cdot)$ eine Halbnorm auf $ Lip(K)$. Das nachfolgende Lemma könnte man als ``Fundamentallemma'' für alle weiteren Untersuchungen bezeichnen. Man sieht an seinem Beweis sofort, daß seine Aussage das ``Testen'' der 3-Kugel-Eigenschaft von $ \ell ip(K)$ an einzelnen Funktionen $ h\in B_{Lip(K)}$ ermöglicht, und genau dieses wird im nächsten Abschnitt 4.2 ausgiebigst geschehen.

Lemma 4.1.12   Es sei $ K$ ein metrischer Raum und $ Lip(K)$ mit der Norm $ \Vert\,{\cdot}\,\Vert _{L}=\max(\Vert\,{\cdot}\,\Vert _{\infty},L(\cdot))$ versehen. Weiter gelte für einen Unterraum $ \ell IP(K)$ von $ Lip(K)$ mit $ \ell ip(K)\subseteq \ell IP(K)$ die folgende Bedingung (3K).

Zu jedem $ h\in B_{\ell IP(K)}$, jedem $ \varepsilon '>0$ und jedem $ \delta'>0$ existiere ein $ g\in \ell ip(K)$ mit den beiden Eigenschaften

$\displaystyle \Vert h-g\Vert _{\infty}\leq\varepsilon '\delta'$ (1)

und

$\displaystyle 0<d(x,y)\leq\delta'\Longrightarrow L_{xy}(h-g)\leq 1+\varepsilon '\quad\forall x,y\in K.$ (2)

Dann ist die 3-Kugel-Eigenschaft erfüllt und $ \ell ip(K)$ ein $ M$-Ideal in $ \ell IP(K)$.

Die gleiche Aussage gilt analog in $ Lip_{0}(K)$ mit der Norm $ L(\cdot)$.

Beweis. [Beweis] Wir weisen nach, daß $ \ell ip(K)$ in $ \ell IP(K)$ die 3-Kugel-Eigenschaft erfüllt. Seien also Funktionen $ h\in B_{\ell IP(K)}$ und $ f_{1},f_{2},f_{3}\in B_{\ell ip(K)}$ sowie ein $ \varepsilon '>0$ gegeben. Wähle mit der $ \ell ip$-Bedingung ein $ \delta'>0$, so daß aus $ 0<d(x,y)\leq\delta'$ die Ungleichung

$\displaystyle L_{xy}(f_{i})=\frac{\vert f_{i}(x)-f_{i}(y)\vert}{d(x,y)}\leq\frac{\varepsilon '}{2}\quad\forall i\in\{1,2,3\}
$

folgt. Nun existiert nach Voraussetzung (3K) und (4.1.1) ein $ g\in \ell ip(K)$ mit $ \Vert h-g\Vert _{\infty}\leq\delta'\cdot \frac{\varepsilon '}{4}$. Hieraus schließt man für $ d(x,y)\geq\delta'$ zunächst

$\displaystyle L_{xy}(h-g)\leq \frac{\vert(h-g)(x)\vert+\vert(h-g)(y)\vert}{d(x,...
...elta'}{4}+\frac{\varepsilon '\delta'}{4}}{\delta'}\leq\frac{\varepsilon '}{2}.
$

Insgesamt folgt damit

$\displaystyle L_{xy}(h-g+f_{i})\leq L_{xy}(h-g)+L_{xy}(f_{i})\leq \frac{\varepsilon '}{2}+1\leq 1+\varepsilon '\quad\forall i\in\{1,2,3\}
$

für $ d(x,y)\geq\delta'$ und

$\displaystyle L_{xy}(h-g+f_{i})\leq L_{xy}(h-g)+L_{xy}(f_{i})\leq 1+\frac{\vare...
...on '}{4}+\frac{\varepsilon '}{2}\leq 1+\varepsilon '\quad\forall i\in\{1,2,3\}
$

für $ 0<d(x,y)\leq\delta'$ nach Wahl von $ \varepsilon '$ bzw. $ \delta'$ und wegen (4.1.2).

Die Ungleichung

$\displaystyle \Vert h-g+f_{i}\Vert _{\infty}\leq\Vert h-g\Vert _{\infty}+\Vert f_{i}\Vert _{\infty}\leq \varepsilon '+1
$

ist nach (4.1.2) für jedes $ \delta'\leq 1$ erfüllt, und die Aussage in $ Lip_{0}(K)$ ist klar. $ \qedsymbol$

Man sieht, daß die lokale Bedingung $ 0<d(x,y)\leq\delta'$ gewissermaßen als ``Ersatz'' für die ``Menge $ K\backslash M$'', auf der wir die ``Kleinheit'' der Funktionen $ f_{i}$, $ i=1,2,3$, beherrschen wollen, herhalten muß. Leider kann man die Tatsache, daß $ g$ selbst wieder eine kleine Lipschitzfunktion ist, zum Nachweis der 3-Kugel-Eigenschaft nicht verwenden, da sie sich einem quasi ``fortwährend entzieht''. Natürlich weiß man von der Existenz eines gewissen $ \delta''>0$, womit $ L_{xy}(h-g)\leq L_{xy}(h)+L_{xy}(g)\leq 1+\frac{\varepsilon '}{2}$ für $ 0<d(x,y)\leq\delta''$ gilt, da $ g$ die $ \ell ip$-Bedingung erfüllt. Weiter sichert die Bedingung (4.1.1) in (3K) noch

$\displaystyle d(x,y)\geq\delta'\frac{\frac{\varepsilon '}{2}}{1+\frac{\varepsilon '}{2}}\Longrightarrow L_{xy}(h-g)\leq 1+\frac{\varepsilon '}{2},
$

so daß es reichen würde, die zweite Bedingung (4.1.2) nur für $ \delta'\varepsilon '(1+\varepsilon '/2)^{-1}/2$ statt für das (je nach Wahl von $ \varepsilon '$) ``viel größere'' $ \delta'$ zu formulieren. An dem grundsätzlichen Problem, die Forderung (4.1.2) von (3K) zu erfüllen, ändern diese Finessen jedoch nichts, denn die Lücke zwischen $ \delta''$ und $ \delta'\varepsilon '(1+\varepsilon '/2)^{-1}/2$ kann ``immer noch sehr groß'' sein und läßt sich auch nicht ohne weitere Anstrengungen wegdiskutieren. Schließlich hängt $ g$ und damit $ \delta''$ von $ \delta'$ und $ \varepsilon '$ ab. Die Bedingung (3K) fordert eben zusätzlich zur gleichmäßigen Annäherung von $ g$ an $ h$, daß sich $ g$ in seinem Steigungsverhalten auch ``lokal an $ h$ anpaßt''.


next up previous contents
Nächste Seite: Die 3-Kugel-Eigenschaft von in Aufwärts: Anwendung der Theorie der Vorherige Seite: Anwendung der Theorie der   Inhalt
Heiko Berninger 2003-04-25