next up previous contents
Nächste Seite: Anwendung der Theorie der Aufwärts: Die Dualität Vorherige Seite: Die Kantorovich-Rubinstein-Norm   Inhalt

Die Separationseigenschaft

Wie zu Beginn von Abschnitt 3.4 angekündigt, liefert die nun vorliegende Verbindung zwischen der Kantorovich-Rubinstein-Norm und den Lipschitzräumen die Möglichkeit, die in diesem Kapitel untersuchte Dualität $ \ell ip(K)''\cong Lip(K)$ vollständig zu verstehen. Als Trittbrett dafür dient nun der gefundene Maßraum $ (M(K),\Vert\,{\cdot}\,\Vert _{K})$, der für Hanin in [15], [16] und [17] Anlaß zu einem geeigneten Kandidaten für die Beschreibung von $ \ell ip(K)'$ gibt. Hanin betrachtet nämlich die in Theorem 3.4.5 angegebene Dualität -- wie schon zuvor Bade, Curtis und Dales (vgl. Definition 3.3.3) -- von zwei verschiedenen Standpunkten aus: Einerseits wirken Lipschitzfunktionen als Funktionale auf Maßen und andererseits sind Maße wiederum Funktionale auf Lipschitzfunktionen. Angesichts der zu Lemma 3.1.6 und Satz 3.1.7 führenden Überlegungen liegt es nahe zu fragen, ob damit vielleicht alle Funktionale auf $ \ell ip(K)$ erfaßt sind. Hanin betrachtet daher das lineare beschränkte Funktional

$\displaystyle i:(M(K),\Vert\,{\cdot}\,\Vert _{K})\to\ell ip(K)',
$

definiert durch

$\displaystyle i(\mu)(g)=\int_{K}gd\mu\quad\forall g\in \ell ip(K),
$

für das nach Theorem 3.4.5

$\displaystyle \vert i(\mu)(g)\vert\leq\Vert g\Vert _{L}\Vert\mu\Vert _{K}\quad\forall g\in \ell ip(K),
$

also $ \Vert i\Vert\leq 1$ gilt. Wir wissen seit Lemma 3.1.6, daß $ i(M(K))$ dicht in $ \ell ip(K)'$ liegt. Geht man zur Vervollständigung $ M(K)^{c}$ von $ M(K)$ bezüglich der KR-Norm $ \Vert\,{\cdot}\,\Vert _{K}$ über (beachte Satz 3.4.4), so stellt sich natürlicherweise die Frage, wann die fortgesetzte Abbildung $ i:M(K)^{c}\to\ell ip(K)'$ ein isometrischer Isomorphismus ist. Man beachte, daß ein Vergleich von Satz 3.1.7 mit Lemma 3.4.3 bzw. Satz 3.4.4 bereits eine Entsprechung dieser beiden Räume vermuten läßt. Hanin findet auf diese Frage im Hinblick auf die in Lemma 3.3.1 und in Satz 3.3.4 schon aufgetauchten Bedingungen eine äußerst befriedigende Antwort.

Theorem 3.5.1   Die Abbildung $ i:M(K)^{c}\to\ell ip(K)'$ ist genau dann ein isometrischer Isomorphismus, wenn folgende Bedingung (S) erfüllt ist:

Für jede Konstante $ c>1$, jede endliche Menge $ A\subseteq K$ und jede Funktion $ h$ auf $ A$ gibt es eine Fortsetzung $ g\in \ell ip(K)$ von $ h$ mit $ \Vert g\Vert _{L}\leq c\,\Vert h\Vert _{L}$.

Es sei nochmals darauf hingewiesen, daß wir auch hier, wie schon im gesamten Abschnitt 3.4, gemäß Definition der KR-Norm nur reellwertige Lipschitzfunktionen betrachten. Man beachte, daß die Bedingung (S) gerade der in Lemma 3.3.1 gefundenen Eigenschaft von kleinen Hölderfunktionen im reellen Fall entspricht. Es ist klar, daß man eingedenk des Fortsetzungssatzes von McShane (Satz 1.1.20) statt $ h\in Lip(A)$ genauso gut $ h\in Lip(K)$ hätte vorgeben und dazu die Existenz eines $ g\in \ell ip(K)$ mit $ g_{\vert A}=h_{\vert A}$ mit $ \Vert g\Vert _{L}\leq c\,\Vert h\Vert _{L}$ hätte verlangen können. (Im Komplexen gäbe es da Schwierigkeiten, siehe Bemerkung 3.5.5.) Offensichtlich stellt (S) eine gewisse Reichhaltigkeitsbedingung an den kleinen Lipschitzraum $ \ell ip(K)$ dar (man vergleiche mit den Beispielen aus Bemerkung 1.1.14), durch welche auch $ \ell ip(K)'$ ``groß genug'' ist, um $ i$ zu einer Isometrie zu machen.

Beweis. [Beweis] Notwendigkeit. Wir nehmen $ i$ als isometrischen Isomorphismus an und zeigen, daß die Bedingung (S) erfüllt ist. Sei also $ A$ eine $ n$-elementige Teilmenge von $ K.$ Setze $ E=\{g_{\vert A}: g\in \ell ip(K)\}.$ Offenbar ist $ E$ isomorph zu einem Unterraum von $ {\mathbb{R}}^{n}.$ Wir zeigen, daß sogar $ E={\mathbb{R}}^{n}$ gilt. Um dies einzusehen betrachte man ein Funktional auf $ {\mathbb{R}}^{n}$, welches $ E$ annuliert. Dieses Funktional kann als ein Maß $ \eta$ auf $ A$ (und damit auch auf $ K$) angesehen werden. Es gilt also

$\displaystyle i(\eta)(g)=\int_{K}gd\eta=0\quad \forall g\in \ell ip(K)
$

und damit $ i(\eta)=0$. Da $ i$ aber als injektiv angenommen ist, bedeutet dies $ E={\mathbb{R}}^{n}.$ Eine beliebige Fortsetzung einer Funktion $ h\in Lip(A)$ in $ \ell ip(K)$, sprich die Surjektivität der Restriktionsabbildung $ R:\ell ip(K)\to Lip(A)$, erhält man also schon durch die Injektivität von $ i$.

Setze nun $ X=\{g\in \ell ip(K): g_{\vert A}=0\}$ und bemerke zunächst, daß der Annihilator von $ X$ in $ \ell ip(K)'$ gerade $ i(M(A))$ ist. Dies ist lineare Algebra. Wie gerade gezeigt, ist $ E$ schon $ n$-dimensional (genauer als Bild von $ R$ isomorph zum $ n$-dimensionalen Quotientenraum $ \ell ip(K)/\ker(R)$), so daß $ X$ in $ \ell ip(K)$ die Kodimension $ n$ besitzt und damit kanonisch (vgl. III.1.10 in [55]) $ X^{\perp}\cong(\ell ip(K)/X)'$ ein $ n$-dimensionaler Raum ist. Sicher gilt $ i(M(A))\subseteq X^{\perp}$, aber $ i(M(A))$ hat wegen der Injektivität von $ i$ bereits die Dimension $ n$, so daß die beiden Räume gleich sind. Sei nun eine Funktion $ h$ auf $ A$ gegeben. Nach dem oben Gezeigten gibt es eine Funktion $ g_{0}\in \ell ip(K)$ mit $ g_{0\vert A}=h.$ Es gilt

$\displaystyle \mathop{\rm dist}\nolimits (g_{0},X)=\inf_{g_{1}\in X}\Vert g_{0}-g_{1}\Vert _{L}=\Vert[g_{0}]\Vert
$

mit $ [g_{0}]\in \ell ip(K)/X$, und letzteres ist nach Hahn-Banach (siehe III.1.7 in [55])

$\displaystyle \sup\{\ell'([g_{0}]):\ell'\in (\ell ip(K)/X)', \Vert\ell'\Vert=1\},$    

was wegen $ (\ell ip(K)/X)'\cong X^{\perp}$ gleich

$\displaystyle \sup\{\ell(g_{0}): \ell\in \ell ip(K)', \ell(X)=\{0\}, \Vert\ell\Vert'=1\}
$

ist. (Mit $ \Vert\,{\cdot}\,\Vert$ seien hier stets die kanonischen Normen gemeint.) Da aber $ i$ als Isometrie angenommen ist, folgt mit der Tatsache $ X^{\perp}\cong i(M(A))$ und schließlich aus Theorem 3.4.5 (angewandt auf $ A$ statt auf $ K$), daß letzteres nach Wahl von $ g_{0}$ übereinstimmt mit

$\displaystyle %%\biggl\{
\sup\left\{\int_{A}hd\mu:\mu\in M(A), \Vert\mu\Vert _{K}=1\right\}=\Vert h\Vert _{L}.
$

Insgesamt erhält man also für jedes $ c>1$ eine Funktion $ g_{1}\in X$, so daß $ \Vert g_{0}-g_{1}\Vert _{L}\leq c\,\Vert h\Vert _{L}$ gilt, womit in $ g=g_{0}-g_{1}$ die gewünschte Funktion gefunden ist.

Hinlänglichkeit. Sei nun die Bedingung (S) erfüllt. Die Surjektivität von $ i$ ist durch Lemma 3.1.6 gesichert, wenn gezeigt wird, daß $ i$ eine Isometrie ist, und dafür reicht es, die dichte Menge $ M(K)$ in $ M(K)^{c}$ zu betrachten. Seien hierzu $ \varepsilon >0$, $ \mu\in M(K)$ und $ h\in B_{Lip(K)}$ gegeben. Nach Satz 3.4.4 gibt es ein Maß $ \eta$ auf $ K$ mit endlichem Träger $ A$, so daß $ \Vert\eta-\mu\Vert _{K}\leq \varepsilon $ ist. Die Bedingung (S) liefert nun eine Funktion $ g\in \ell ip(K)$ mit $ g_{\vert A}=h_{\vert A}$ und $ \Vert g\Vert _{L}\leq 1+\varepsilon $. Damit gilt zunächst

$\displaystyle \int_{K}hd\mu=\int_{K}hd(\mu-\eta)+\int_{K}gd(\eta-\mu)+\int_{K}gd\mu,
$

wobei hier auf der rechten Seite nach Theorem 3.4.5 das erste Integral höchstens $ \Vert h\Vert _{L}\Vert\eta-\mu\Vert _{K}\leq\varepsilon $ ist und analog das zweite höchstens $ (1+\varepsilon )\varepsilon ,$ so daß man insgesamt

$\displaystyle \int_{K}hd\mu\leq (2+\varepsilon )\varepsilon +\int_{K}gd\mu
$

schließt. Hieraus folgt nun durch nochmalige Anwendung von Theorem 3.4.5 (und nebenbei Hahn-Banach)

$\displaystyle \Vert\mu\Vert _{K}=\sup_{h\in B_{Lip(K)}}\int_{K}hd\mu=\sup_{g\in B_{\ell ip(K)}}\int_{K}gd\mu=\Vert i(\mu)\Vert'.
$

$ \qedsymbol$

Durch das Theorem 3.5.1 ist nach langer Arbeit auch das Problem der Dualität $ \ell ip(K)''\cong Lip(K)$ für Räume reellwertiger Lipschitzfunktionen endlich vollständig geklärt. Mit der Adjungierten $ i': \ell ip(K)''\to (M(K)^{c})'\cong M(K)'$ und dem Isomorphismus $ j^{-1}:M(K)'\to Lip(K)$ aus Theorem 3.4.5 ist die Abbildung

$\displaystyle \tilde{I}:=j^{-1}\circ i': \ell ip(K)''\to Lip(K)
$

genau dann ein isometrischer Isomorphismus, wenn dies für $ i$ gilt. Jetzt muß man nur noch bedenken, daß für jedes Funktional $ F\in \ell ip(K)''$ mit dem Punktmaß $ \delta_{x}\in (M(K),\Vert\,{\cdot}\,\Vert _{K})$ und dem entsprechenden Punktauswertungsfunktional $ i(\delta_{x})\in \ell ip(K)'$ gerade

$\displaystyle F(i(\delta_{x}))=j(\tilde{I}(F))(\delta_{x})=\int_{K}\tilde{I}(F)\delta_{x}=\tilde{I}(F)(x)\quad\forall x\in K,
$

gilt, um schließlich $ \tilde{I}=I$ mit unserer Abbildung $ I$ aus Definition 3.1.1 folgern zu können. Damit sind wir am Ziel angelangt:

Theorem 3.5.2   Für Lipschitzräume reellwertiger Funktionen ist die Abbildung $ I$ aus Definition 3.1.1 genau dann ein isometrischer Isomorphismus, wenn der metrische Raum die Bedingung (S) erfüllt.

Im folgenden Theorem wird zusammenfassend deutlich, worum es in diesem Kapitel eigentlich ging.

Theorem 3.5.3   Für jeden kompakten metrischen Raum $ K$ sind die folgenden Eigenschaften äquivalent:
  1. Es gibt eine Konstante $ c>1$, so daß für je zwei $ x,y\in K$ stets ein $ f\in \ell ip(K)$ existiert mit $ \vert f(x)-f(y)\vert=d(x,y)$ und $ \Vert f\Vert _{L}\leq c$.
  2. Für jede Konstante $ c>1$ gibt es zu je zwei $ x,y\in K$ ein $ f\in \ell ip(K)$ mit $ \vert f(x)-f(y)\vert=d(x,y)$ und $ \Vert f\Vert _{L}\leq c\max(1,\mathop{\rm diam}\nolimits (K)/2)$.
  3. Es gibt eine Konstante $ c>1$, so daß für jede endliche Menge $ A\subseteq K$ und jede Funktion $ h$ auf $ A$ eine Fortsetzung $ g\in \ell ip(K)$ von $ h$ existiert mit $ \Vert g\Vert _{L}\leq c\,\Vert h\Vert _{L}$.
  4. Für jede Konstante $ c>1$, jede endliche Menge $ A\subseteq K$ und jede reellwertige Funktion $ h$ auf $ A$ gibt es eine Fortsetzung $ g\in \ell ip(K)$ von $ h$ mit $ \Vert g\Vert _{L}\leq c\,\Vert h\Vert _{L}.$
  5. Die Lipschitzräume $ \ell ip(K,{\mathbb{R}})''$ und $ Lip(K,{\mathbb{R}})$ sind auf natürliche Weise isometrisch isomorph.
  6. Die Lipschitzräume $ \ell ip(K,{\mathbb{C}})''$ und $ Lip(K,{\mathbb{C}})$ sind auf natürliche Weise isometrisch isomorph.

Zum guten Schluß stehen jetzt die Ergebnisse für Räume reellwertiger und für Räume komplexwertiger Lipschitzfunktionen (wir verwenden hier die Bezeichnungen aus Abschnitt 2.2) ``relativ'' gleichberechtigt nebeneinander (und die natürliche Isomorphie wird natürlich durch die Abbildung $ I$ aus Definition 3.1.1 vermittelt). Lediglich die Bedingung (iv) (also unser ``bisheriges'' (S)) bezieht sich nur auf Funktionen mit Werten in $ {\mathbb{R}}$, die Bedingungen (i) bis (iii) sind für reellwertige und komplexwertige äquivalent. Diese Untersuchung der Eigenschaft (S) geht auf N. Weaver in [49] und [51] zurück, und sie ist auch in seinem Buch ``Lipschitz Algebras'' [52] dargestellt. In [49, S. 287] und [51, S. 2644] wird behauptet, daß man in (iv) auch komplexwertige Funktionen zulassen kann. Das hierfür vorgebrachte Argument (vergleiche die Darstellung in [52, S. 85]) ist neu und soll deshalb im Beweis von (v) $ \Rightarrow$ (iv) angegeben werden, obwohl für diesen entscheidenden Schritt ja bereits Hanin mit Theorem 3.5.2 zuständig war. Es liefert eine Möglichkeit, unabhängig von der Kantorovich-Rubinstein-Norm die Rückrichtung in diesem Theorem einzusehen, und zwar durch völlig allgemeine Tatsachen der Banachraumtheorie. Es wird im Beweis (vergleiche auch Bemerkung 3.5.5) die Schwierigkeit aufgezeigt, durch diese Argumente (iv) durch (vi) auch für komplexwertige Lipschitzfunktionen zu zeigen, und wieder wird sich die $ \sqrt{2}$ im Fortsetzungssatz 1.1.20 als der Übeltäter herausstellen.

Beweis. [Beweis] (i) $ \Rightarrow$ (iii): Sei eine endliche Menge $ A\subseteq K$ und zunächst ein reellwertiges $ h\in Lip(A)$ (o.B.d.A. nicht die Nullfunktion) gegeben. Wir betrachten $ \tilde{h}:=h/\Vert h\Vert _{L}$. Da (i) gilt, finden wir zu einem $ c>1$ für jedes Paar von Punkten $ x,y\in A$ ein $ f\in \ell ip(K)$ mit $ \Vert f\Vert _{L}\leq c$ und $ \vert f(x)-f(y)\vert=\vert\tilde{h}(x)-\tilde{h}(y)\vert\leq d(x,y)$. Wir können $ f$ als reellwertig ansehen (sonst multiplizieren wir $ f$ mit einer geeigneten Konstanten $ a$ vom Betrag 1, so daß $ af(x)-af(y)\in {\mathbb{R}}$ gilt und betrachten den Realteil der Funktion $ af$ mit den gleichen Eigenschaften). Durch Multiplikation mit $ \pm 1$ kann man sogar $ f(x)-f(y)=\tilde{h}(x)-\tilde{h}(y)$ erreichen, und durch Verschieben von $ f$ und Abschneiden mit den konstanten Funktionen $ \textbf{1}$ und $ -$1 definieren wir

$\displaystyle f_{xy}:=((f+\tilde{h}(x)-f(x))\wedge \textbf{1})\vee -\textbf{1}.
$

Wir erhalten $ f_{xy}(x)=\tilde{h}(x)$ und $ f_{xy}(y)=\tilde{h}(y)$ (man beachte $ \Vert\tilde{h}\Vert _{\infty}\leq 1$), wobei nach Satz 1.1.12 auch $ f_{xy}\in\ell ip(K)$ und $ \Vert f_{xy}\Vert _{L}\leq c$ gilt. Jetzt setzen wir

$\displaystyle \tilde{g}:=\bigvee_{x\in A}\bigwedge_{\substack{y\in A \\  y\neq x}}f_{xy},
$

denken kurz nach und erhalten $ \tilde{g}_{\vert A}=\tilde{h}_{\vert A}$ sowie durch nochmalige Anwendung von Satz 1.1.12 ebenfalls $ \tilde{g}\in\ell ip(K)$ und $ \Vert\tilde{g}\Vert _{L}\leq c$, so daß $ g:=\tilde{g}\cdot\Vert h\Vert _{L}$ die gewünschte Fortsetzung von $ h$ ist. Die Konstante $ c$ kann dabei wie in (i) gewählt werden. Ist $ h$ komplexwertig, so führen wir obige Konstruktion getrennt für den Real- und Imaginärteil durch, wobei über die Summe der fortgesetzten Real- und Imaginärteile (iii) mit der Konstanten $ c\sqrt{2}$ erfüllt ist.

(iii) $ \Rightarrow$ (vi) ist Theorem 3.3.5. Man bemerke, daß einerseits (iii) die in Satz 3.3.4 angegebene Eigenschaft impliziert, andererseits aber wieder über den Fortsetzungssatz 1.1.20 (mit der Konstanten $ c\sqrt{2}$) aus ihr gewonnen werden kann (vergleiche auch mit der Bemerkung vor dem Beweis von Theorem 3.5.1).

(vi) $ \Rightarrow$ (v) folgt durch Einschränkung des Isomorphismus.

(v) $ \Rightarrow$ (iv) wird durch Theorem 3.5.2 geliefert, aber auch durch die folgende sehr allgemeine Überlegung: Nach dem Satz von Goldstine (vgl. VIII.3.17 in [55]) ist $ i_{\ell ip(K)}(B_{\ell ip(K)})$ $ w^{*}$-dicht in $ B_{\ell ip(K)''}$. Da $ \ell ip(K)''$ (mit der Abbildung $ I$ aus Definition 3.1.1) natürlich isometrisch isomorph zu $ Lip(K)$ ist, bedeutet dies, daß zu gegebenen $ A=\{x_{i}\}_{i=1}^{n}\subseteq K$ und $ h\in B_{Lip(K)}$ mit $ I^{-1}(h)=H\in B_{\ell ip(K)''}$ für jedes $ \varepsilon >0$ in der $ w^{*}$-Umgebung

$\displaystyle \{G\in \ell ip(K)'':\vert H(\delta_{x_{i}})-G(\delta_{x_{i}})\vert\leq \varepsilon \enspace\forall i=1,\dots,n\}
$

von $ H$ ein $ G=i_{\ell ip(K)}(g)$ für ein $ g\in B_{\ell ip(K)}$ liegt, für welches gemäß Definition von $ I$ damit $ \vert h(x_{i})-g(x_{i})\vert\leq\varepsilon \enspace\forall i=1,\dots,n$ gilt. Da $ A$ endlich ist, finden wir also eine Folge $ (g_{m})\subseteq B_{\ell ip(K)}$ mit $ \Vert(h-g_{m})_{\vert A}\Vert _{L}\to 0$ für $ m\to\infty$, was bedeutet, daß die Restriktionsabbildung $ R:\ell ip(K)\to Lip(A)$ die Eigenschaft

$\displaystyle \overline{R}(B_{Lip(K)})\subseteq\overline{R(B_{\ell ip(K)})}
$

hat, wenn $ \overline{R}$ die Restriktionsabbildung von $ Lip(K)$ auf $ Lip(A)$ bezeichnet. Aufgrund der normgleichen Fortsetzbarkeit von reellwertigen Lipschitzfunktionen (Satz 1.1.20) gilt $ \overline{R}(B_{Lip(K)})=B_{Lip(A)}$, und jetzt kann man durch leichte Modifikation der obigen Folge $ (g_{m})$ auch

$\displaystyle \mathop{\rm int}\nolimits B_{Lip(A)}=\overline{R(\mathop{\rm int}\nolimits B_{\ell ip(K)})}
$

einsehen. Erinnert man sich nun an den Beweis des Satzes von der offenen Abbildung (siehe [55, S. 136 f, 2.Teil!]), so kann man wie dort hieraus sogar

$\displaystyle \mathop{\rm int}\nolimits B_{Lip(A)}=R(\mathop{\rm int}\nolimits B_{\ell ip(K)})
$

schließen, so daß man $ R$ als Quotientenabbildung (siehe [55, S. 54-56]) erkannt hat, und dies ist genau die Behauptung (iv). Da Lipschitzfunktionen mit Werten in $ {\mathbb{C}}$ im allgemeinen nicht normgleich fortgesetzt werden können, ist es mehr als fraglich, ob mit dieser Argumentation (iv) aus (vi) unter Vermeidung der $ \sqrt{2}$ auch für komplexwertige Funktionen hergeleitet werden kann.

(iv) $ \Rightarrow$ (iii) kann wie gehabt für jedes $ c\geq\sqrt{2}$ in (iii) geschlossen werden.

(iv) $ \Rightarrow$ (ii) sieht man durch Betrachtung von $ A=\{x,y\}$ und $ h(x):=d(x,y)/2$ sowie $ h(y):=-d(x,y)/2$ mit $ \Vert h\Vert _{L}\leq \max(1,d(x,y)/2)$ ein.

(ii) $ \Rightarrow$ (i) ist für jedes $ c>\max(1,\mathop{\rm diam}\nolimits (K)/2)$ in (i) offensichtlich. $ \qedsymbol$

Nun wird auch klar, wieso Weaver die Eigenschaft (S) (und damit alle weiteren obigen Eigenschaften sowie diejenigen aus Lemma 3.3.1 und aus Satz 3.3.4) als Separationseigenschaft des Kompaktums $ K$ bzw. des kleinen Lipschitzraums auf $ K$ bezeichnet. Die Bedingung (i) erfordert nämlich nicht nur die Punktetrennung von $ \ell ip(K)$, sondern auch, daß diese in einer gleichmäßigen Art erfolgt, d.h. durch gleichmäßig in der Norm beschränkte kleine Lipschitzfunktionen. Und (ii) besagt sogar, daß die Normbeschränkung fast ``optimal'' gewählt werden kann. Man beachte, daß (ii) im Falle $ \mathop{\rm diam}\nolimits (K)\leq 2$ eine noch schönere Form hat, und in der Tat könnte man (auch für beliebiges $ \mathop{\rm diam}\nolimits (K)$) in (i) und (ii) sogar $ \Vert\,{\cdot}\,\Vert _{L}$ durch $ L(\cdot)$ ersetzen (in (ii) dann sogar ohne den Zusatzfaktor $ \mathop{\rm diam}\nolimits (K)/2$), was zu scheinbar schwächeren Bedingungen (i)$ '$ und (ii)$ '$ führt. Man kann aber durch Verschiebung (und Drehung) von (komplexwertigen) Funktionen (und danach durch Betrachtung des Realteils) immer ein reellwertiges $ f$ mit $ f(x)=d(x,y)/2$ und $ f(y)=-d(x,y)/2$ aus (i)$ '$ oder (ii)$ '$ erhalten, und dann liefert ``Abschneiden'' durch die konstanten Funktionen $ z\mapsto d(x,y)/2$ und $ z\mapsto -d(x,y)/2$ wieder (i) bzw. (ii). Analog kann man in (iii) und (iv) ebenfalls $ \Vert\,{\cdot}\,\Vert _{L}$ durch $ L(\cdot)$ ersetzen, und man erhält (iii)$ '$ (bzw. (iv)$ '$) durch (i) (bzw. (ii)) wie im obigen Beweis, wobei ``Abschneiden'' wieder (iii) (bzw. (iv)) liefert.

Noch eine zur Separationseigenschaft äquivalente Bedingung ist, daß im Falle reellwertiger Lipschitzfunktionen die Einheitskugel $ B_{\ell ip(K)}$ als Unterverband bezüglich der Operationen $ \vee$ und $ \wedge$ ``dicht in'' $ B_{Lip(K)}$ ``liegt'', d.h. daß (vergleiche die Bemerkung zu Satz 1.1.12) $ B_{Lip(K)}$ der kleinste vollständige Verband ist, der $ B_{\ell ip(K)}$ enthält (siehe hierzu 5.4.3 bis 5.4.5 in [52]). Und Weaver krönt seine Sammlung von zu (S) äquivalenten Eigenschaften durch den folgenden Fortsetzungssatz für kleine Lipschitzfunktionen.

Satz 3.5.4   Sei $ K$ ein kompakter metrischer Raum mit der Separationseigenschaft und $ M$ eine abgeschlossene Teilmenge von $ K$. Dann gibt es zu jeder reellwertigen Funktion $ f\in \ell ip(M)$ mit $ \Vert f\Vert _{L}<1$ eine reellwertige Fortsetzung $ F\in \ell ip(K)$ mit $ \Vert F\Vert _{L}<1$. Ist $ f$ komplexwertig, so gibt es auch eine Fortsetzung $ F\in \ell ip(K)$ mit $ \Vert F\Vert _{L}<\sqrt{2}$.

Zum Beweis verweisen wir auf den Originalartikel [51] und den entsprechenden Abschnitt 3.2 im Buch [52]. Hier sei auf eine Darstellung des Beweises verzichtet, da er durch einige technische Lemmata erst vorbereitet werden muß und uns wesentliche Ideen daraus im obigen Beweis von (i) $ \Rightarrow$ (iii) und (v) $ \Rightarrow$ (iv) bereits begegnet sind. Es sei jedoch darauf hingewiesen, daß (im Unterschied zum Fortsetzungssatz 1.1.20 für große Lipschitzfunktionen) eine normgleiche Fortsetzung bereits bei reellwertigen kleinen Lipschitzfunktionen im allgemeinen nicht möglich ist. Dazu betrachte man das Beispiel $ K=\{\frac{1}{n}\}_{n=1}^{\infty}\cup\{0\}$ mit dem Absolutbetrag als Metrik, für welches man relativ einfach (S) einsehen kann. Wählt man aber $ M=\{0,1\}$ und $ f(0)=0$ sowie $ f(1)=1$, so sieht man schnell, daß die einzige mögliche Fortsetzung $ F$ von $ f$ mit $ \Vert F\Vert _{L}=1$ die Funktion $ F:x\mapsto x$ ist, die aber nicht in $ \ell ip(K)$ liegt.

Bemerkung 3.5.5   Es wurde im Vorlauf zu Theorem 3.5.3 bereits von Weavers Behauptung in [49, S. 287] und [51, S. 2644] gesprochen, daß aus der Separationseigenschaft sofort die Aussage (iv) auch für komplexwertige Funktionen folgt, obwohl man diese Version aus (iv) nur für jede Konstante $ c>\sqrt{2}$ schließen kann. Die Fragwürdigkeit dieser Behauptung wurde im obigen Beweis begründet. Man könnte sich aber im Hinblick auf eine weitere Untersuchung dieser Behauptung noch einmal mit dem Beweis des Theorems 3.5.1 von Hanin und der Kantorovich-Rubinstein-Theorie befassen. Dort nämlich sind die meisten Überlegungen auch für komplexe Maße und komplexwertige Lipschitzfunktionen durchführbar. Der Ansatz, Weavers Behauptung mit Hanins Theorem zu zeigen, steht und fällt also mit der Frage, ob und wenn ja, wie eine Kantorovich-Rubinstein-Norm, für welche es ja im reellen Fall eine nette anschauliche Motivation gibt, für komplexe Maße definiert werden kann. Weaver selbst (siehe [52, S. 45]) zieht hier das Theorem 3.4.5 definitorisch heran, indem er

$\displaystyle \Vert\mu\Vert _{K}:=\sup_{\Vert h\Vert _{L}\leq 1}\left\vert\int_{K}hd\mu\right\vert\quad\forall \mu\in M(K)
$

erklärt, aber dieses Vorgehen greift natürlich viel zu kurz, da man dieses Theorem gerade gerne als Aussage auch für komplexwertige Maße hätte.

Der Ansatz, wie in (3.4.6) einfach das Infimum über den Betrag des Integrals zu betrachten, stößt leider schon bei der Definition in (3.4.7), sprich in der Frage, ob überhaupt immer $ \Psi_{\nu}\neq\varnothing$ ist, an seine Grenzen. Angehen müßte man diese Problematik natürlich gemäß Definition von Integralen über komplexe Maße (siehe A.4.5 in [55]), indem man sich die positive und negative Variation sowohl des Realteils $ \nu_{1}$ als auch des Imaginärteils $ \nu_{2}$ eines komplexen Maßes $ \nu$ näher ansieht und zum Beispiel dahingehend die Bedingung (3.4.4) ``zerlegt''. ``Auf's Komplexe übertragen'' könnte die Definition in (3.4.6) dann so aussehen:

$\displaystyle \Vert\nu\Vert^{0}_{K}:=\sqrt{\Vert\nu_1\Vert^{0}_{K}+\Vert\nu_2\Vert^{0}_{K}},
$

und die Vermutung liegt nicht fern, daß sich darin auch wieder ein Faktor $ \sqrt{2}$ ``verbirgt''. Jedenfalls sieht es vielversprechend aus, mit diesen Ideen den von Kantorovich und Rubinstein entwickelten Apparat auch auf komplexwertige Maße zu übertragen und dann die Frage zu stellen, welche Gestalt dabei die entscheidenden Ergebnisse, insbesondere Theorem 3.4.5, annehmen. Diese offene Frage sei an dieser Stelle ausdrücklich als Motivation für weitere Untersuchungen an den Leser gestellt. Und verbunden sei diese Frage noch mit der Information, daß Weavers Behauptung falsch ist, daß also eine komplexe Version von Theorem 3.4.5 unmöglich als Isometrie-Ergebnis vorliegen kann. Das Gegenbeispiel zu Weavers Behauptung stammt nach einem email-Kontakt von Weaver selbst, und es ist genau das gleiche Beispiel, welches schon Jenkins zur ``scharfen komplexen Version'' von Satz 1.1.20 (siehe Bemerkung 1.1.21) angegeben hat: Es handelt sich dabei um einen vierpunktigen metrischen Raum $ K=\{a,b,c,d\}$, für den trivialerweise $ \ell ip(K)''\cong Lip(K)$ gilt, mit der Eigenschaft, daß sich die Norm jeder Lipschitzfunktion $ h$ auf $ A=\{a,b,c\}$ nach beliebiger Fortsetzung von $ h$ auf $ K$ stets um mindestens den Faktor $ 2/\sqrt{3}$ vergrößert.

Und um nun die Verwirrung über die vielen Versionen der Separationseigenschaft zu komplettieren, wollen wir hier Weavers Behauptung doch noch ein wenig zu ihrem Recht verhelfen. Im Zusammenhang mit dem Dualitätsergebnis bringt Weaver in seinem Buch auf S. 84/85 eine ähnliche, nun aber überzeugende, Argumentation. Seine Behauptung wird nämlich richtig, wenn man in der Version (iv) der Separationseigenschaft ``im wesentlichen'' nur einen Buchstaben verändert: Modifiziert man (iv) so, daß man nicht für jede Funktion $ h$ auf $ A$, sondern nur für jede Funktion $ h$ auf $ K$ die Existenz eines $ g\in \ell ip(K)$ mit $ g_{\vert A}=h_{\vert A}$ und $ \Vert g\Vert _{L}\leq c\,\Vert h\Vert _{L}$ fordert, so kann man die Einschränkung ``reellwertig'' tatsächlich weglassen. Die Begründung wurde schon gegeben, und zwar mit dem Lemma von Goldstine im Beweis von (v) $ \Rightarrow$ (iv) -- bevor der Fortsetzungssatz auftauchte (mit dem man das Ergebnis von $ Lip(K)$ auf $ Lip(A)$ ``hochhebt'').

Um dem Vorwurf der ``Erbsenzählerei'' zuvor zu kommen, seien jetzt noch einmal die Schwierigkeiten von Jenkins in Erinnerung gerufen, das Theorem 3.2.7 auch für komplexwertige Hölderfunktionen mit seinem Approximationsansatz (siehe Abschnitt 3.2) zu beweisen. Er hatte nämlich dafür nur Lemma 3.3.1 zur Verfügung, und es stellte sich die Frage, ob nicht die gröbere Normabschätzung im komplexen Fall auch schon die Dualität $ \ell ip(K^{\alpha})''\cong Lip(K^{\alpha})$ sicherstellt. Diese Frage wurde in Abschnitt 3.3 auf zwei verschiedene Weisen mit ``ja'' beantwortet: Jenkins hatte also, ohne es zu wissen, schon alles Nötige zur Hand. Mit Weavers (modifizierter) Behauptung werden jetzt Jenkins ``Probleme'' vollkommen ad absurdum geführt. Nicht nur, daß schon die komplexe (``schwache'') Version seines Lemmas 3.3.1 das Dualitätsergebnis liefert, es sichert über dieses Ergebnis sogar, daß die ``starke'' komplexe Version (mit $ (1+\varepsilon )$ anstelle des Faktors $ (\sqrt{2}+\varepsilon )$) sowieso immer erfüllt ist! Weaver fällt für dieses Phänomen, an das, bei allem Respekt, Jenkins wohl nicht im Traum gedacht hätte, auf S. 287 in [49] (mit gutem Recht!) nur die Bezeichnung ``mysterious'' ein (wenn er auch hier seine ``ursprüngliche'' oben ebenfalls als mysteriös erkannte Behauptung meint). Denn einen ``direkteren'' Weg -- das Lemma von Goldstine scheint ja hierfür wahrlich wie mit Kanonen auf Spatzen geschossen -- die ``starke'' komplexe Version von Lemma 3.3.1 zu beweisen, kennt auch er nicht.

Bemerkung 3.5.6   Im Zusammenhang mit der Diskussion der Separationseigenschaft ist es angebracht, noch einmal auf einen früheren Abschnitt dieser Arbeit zurückzublicken, in dem eine Dualität der Art $ \ell ip(K)''\cong Lip(K)$ erstmalig auftauchte, konkret auf Satz 2.4.3, dessen Beweis unvollendet blieb. Es sollte dort $ \Lambda(K^{\alpha})''\cong H(K^{\alpha})$ gezeigt werden, und mit dem im Beweis gewählten Basispunkt $ x_{0}\in K$ ist die isometrische Isomorphie $ Lip_{0}(K^{\alpha})\cong H(K^{\alpha})$ (siehe Satz 1.1.6) klar. Die im Beweis von Satz 2.4.3 betrachtete Abbildung entspricht genau der im vorliegenden Kapitel gewählten natürlichen Abbildung $ I$ aus Definition 3.1.1, nun allerdings zwischen $ \ell ip_{0}(K)''$ und $ Lip_{0}(K)$. Jetzt kann man sich noch einmal den gesamten in diesem Kapitel entwickelten Apparat anschauen, indem man zum Beispiel bei der im Anschluß an Lemma 3.2.5 gemachten Bemerkung anfängt, um einzusehen, daß auch für diese Räume völlig analog Theorem 3.5.3 mit $ L(\cdot)$ statt mit $ \Vert\,{\cdot}\,\Vert _{L}$ gilt. Dabei betrachtet man anstelle von $ \hat{K}$ in Definition 1.1.9 und Satz 1.1.10 nur $ K^2\backslash \mathop{\rm diag}\nolimits (K^2)$. In der Version von Kantorovich lag Theorem 3.4.5 übrigens ohnehin schon in der Form $ Lip_{0}(K)\cong (M_{0}(K),\Vert\,{\cdot}\,\Vert _{K}^{0})'$ vor. Man kann sich auch die Vorgehensweise von Weaver in den Kapiteln 2 und 3 seines Buches [52] zu Gemüte führen. Dort behandelt er die Dualität für $ Lip_{0}$- bzw. $ \ell ip_{0}$-Räume, indem er sich im Zwischenschritt den im Anschluß an Satz 1.1.22 kurz erwähnten Raum von Arens und Eells in [1], den man als diskretes Analogon von $ (M_{0}(K),\Vert\,{\cdot}\,\Vert _{K}^{0})$ ansehen könnte, näher vorknöpft. Man beachte hier auch, daß die $ Lip_{0}$- bzw. $ \ell ip_{0}$-Räume gemäß Satz 1.1.8 die ``allgemeineren'' Lipschitzräume sind. Insgesamt schließt man, daß im Falle des von Wulbert in Satz 2.4.3 behandelten kleinen Lipschitzraums $ \Lambda(K^{\alpha})$ die Separationseigenschaft folgendermaßen aussieht:

Für jede Konstante $ c>1$, jede endliche Menge $ \{x_{j}\}_{j=1}^{n}\subseteq K$ und jede Funktion $ h\in H(K^{\alpha})$ existiert eine Funktion $ g\in\Lambda(K^{\alpha})$ mit

$\displaystyle h(x_{j})-h(x_{0})=g(x_{j})-g(x_{0})\quad\forall j\in {\mathbb{N}}
$

und $ L_{\alpha}(g)\leq c\cdot L_{\alpha}(h)$.

Insbesondere die Notwendigkeit dieser Eigenschaft für die Existenz der natürlichen isometrischen Isomorphie $ \Lambda(K^{\alpha})''\cong H(K^{\alpha})$ sieht man sofort wie im Beweis von (v) $ \Rightarrow$ (iv) unter Verwendung der Funktionale $ \xi(x,y)$ anstelle der Punktauswertungsfunktionale. Es wurde allerdings bereits im Anschluß an den Beweis zu Satz 2.4.3 bekannt, daß es nach wie vor offen ist, wie man mit dieser Eigenschaft den Beweis von Wulbert vervollständigen kann. Und fraglich bleibt auch, ob aus den Voraussetzungen $ \Lambda(K^{\alpha})\simeq c_{0}$ und der Punktetrennung von $ \Lambda(K^{\alpha})$ in Satz 2.4.3 auf die Separationseigenschaft geschlossen werden kann. Auf der Suche nach einem Gegenbeispiel fallen offenbar die von Ciesielski (Abschnitt 2.1) und von Bonic, Frampton und Tromba (Abschnitt 2.2) betrachteten kleinen Hölderräme, die isomorph zu $ c_{0}$ sind, aus. Damit blieben als potentielle Gegenbeispiele einzig die von Wulbert selbst in Satz 2.4.7 gestifteten, denn weitere Beispiele für $ \Lambda(K^{\alpha})\simeq c_{0}$ sind rar in der Literatur. Nun wurde Satz 2.4.7 von Wulbert ohne die Zusatzvoraussetzung, daß $ C$ eine Nullmenge sein soll, formuliert. Und hier fiel jetzt eine Bemerkung von Weaver in [51, S. 2644] auf, wo er von der Existenz gewisser ``fetter'' Cantor-Mengen $ C$ spricht, auf denen $ \ell ip(C)$ zwar die Punkte trennt, dies aber nicht gleichmäßig, sprich: für welche die Separationsbedingung nicht erfüllt ist -- das gewünschte Gegenbeispiel! Die Cantor-Menge selbst (siehe [52, S. 78]) erfüllt die Separationsbedingung, so daß nach einer nirgends dichten Menge von positivem Maß ohne die Separationseigenschaft gesucht wurde. Leider tauchte damit ein Gegenbeispiel zum Beweis von Wulberts ursprünglichem Satz 2.4.7 auf (siehe Bemerkung 2.4.8). Es konnte Satz 2.4.7 ``nur noch'' für Lebesgue-Nullmengen gezeigt werden. Damit gilt für solche Mengen aber auch sofort die Aussage des Satzes 2.4.3, womit nirgends dichte Teilmengen der reellen Achse vom Maß 0 immer die Separationseigenschaft haben.

Nach alldem, was bisher passiert ist, können wir jetzt sogar auch in der Rückrichtung sehr allgemein argumentieren: Sei $ C_{p}\subseteq {\mathbb{R}}$ kompakt, nirgends dicht mit $ \mu(C_{p})>0$ und das Intervall $ [x,y]\supseteq C_{p}$ kleinstmöglich gewählt. Zu jedem $ f\in B_{\ell ip(C_{p})}$ und jedem $ \varepsilon >0$ kann man ein $ \delta>0$ finden, so daß $ f$ zwischen Punkten in Intervallen der Länge $ \delta$ höchstens die Steigung $ \varepsilon $ hat. Hangelt man sich mit solchen Intervallen von $ x$ nach $ y$, so findet man eine endliche Vereinigung $ V_{\varepsilon }$ von abgeschlossenen Intervallen, die $ C_{p}$ bis auf endlich viele Punkte überdeckt und auf der $ f$ höchstens die Steigung $ \varepsilon $ hat. Da $ f$ auf $ [x,y]\backslash V_{\varepsilon }$ höchstens die Steigung 1 besitzt, führt dies wegen $ \mu(V_{\varepsilon })>\mu(C_{p})>0\enspace\forall\varepsilon >0$ auf die Abschätzung

$\displaystyle \vert f(y)-f(x)\vert\leq y-x-\mu(C_{p})\leq \tilde{c}(y-x)
$

für ein $ \tilde{c}\in (0,1)$ unabhängig von $ f$. Damit erfüllt $ \ell ip(C_{p})$ nicht die Bedingung (ii) in Theorem 3.5.3, wenn man dort $ \Vert f\Vert _{L}$ durch $ L(f)$ ersetzt und $ \mathop{\rm diam}\nolimits (K)/2$ streicht, was man jedoch nach den Bemerkungen im Anschluß an den Beweis dieses Theorems ``ungestraft'' tun darf (diese Bedingung könnte höchstens für $ c\geq \tilde{c}^{-1}$ erfüllt sein). Analoges erhält man für $ \ell ip_{0}(C_{p})\cong\Lambda(C_{p})$ und auch für $ \Lambda(C_{p}^{\alpha})$, wenn $ \alpha>1$ ist (dann ergibt sich $ \vert f(y)-f(x)\vert\leq\tilde{c}(y-x)^{\alpha}$). $ \Lambda(C_{p}^{\alpha})$ trennt damit die Punkte von $ C_{p}$, dies aber nicht gleichmäßig, so daß keine natürliche Isomorphie $ \Lambda(C_{p}^{\alpha})''\cong H(C_{p}^{\alpha})$ vorliegt. Damit folgt aber sofort, daß die Aussage von Satz 2.4.7 nicht gelten kann.

Wir fassen zusammen: Die Aussagen von Satz 2.4.3 (mit dem in dessen Beweis definierten speziellen Isomorphismus $ I$) und Satz 2.4.7 sind für (unendliche) nirgends dichte kompakte Teilmengen $ C$ der reellen Achse äquivalent. Wahr sind die Aussagen genau dann, wenn $ C$ die Separationsbedingung erfüllt, und dies ist genau dann der Fall, wenn $ C$ eine Lebesgue-Nullmenge ist.

Jetzt ist die Zeit gekommen, wo man sich noch etwas der Frage widmen sollte, wann die Separationseigenschaft ``in der Realität'' denn überhaupt erfüllt ist. Ein Blick auf Lemma 3.3.1 liefert sofort für alle Höldermetriken eine positive Antwort auf diese Frage, und bei Hanin findet sich noch eine allgemeinere Bedingung an den metrischen Raum, aus welcher (S) geschlossen werden kann. Schließlich ist die Separationseigenschaft ``eigentlich'' eine Eigenschaft des metrischen Raums $ K$, und man wird bestrebt sein, sie unabhängig von den Elementen aus $ \ell ip(K)$ zu formulieren. In diesem Zusammenhang erinnere man sich an Satz 1.1.16: Notwendig für (S) ist auf jeden Fall die Existenz einer lokal kleineren Metrik.

Definition 3.5.7   Eine Metrik $ d$ auf einer Menge $ K$ heißt nichtkritisch, falls es eine Folge $ (d_{n})_{n\in{\mathbb{N}}}$ von Metriken auf $ K$ gibt mit
  1. $ \lim_{n\to\infty}d_{n}(x,y)=d(x,y) \quad\forall x,y\in K,$
  2. $ \lim_{n\to\infty}\sup\{d_{n}(x,y)/d(x,y): x,y\in K, x\ne y\}=1,$
  3. $ \lim_{d(x,y)\to 0}d_{n}(x,y)/d(x,y)=0\quad\forall n\in{\mathbb{N}}.$

Haben wir also eine Folge $ (d_{n})$ von Metriken auf $ K$ vorliegen, die $ d$ gemäß (i) punktweise und im Sinne von (ii) sogar gleichmäßig annähern und dennoch alle lokal kleiner als $ d$ sind, so sind wir auf der sicheren Seite:

Satz 3.5.8   Jeder metrische Raum mit einer nichtkritischen Metrik besitzt die Separationseigenschaft.

Man beachte, daß im obigen Satz keine Kompaktheit vorausgesetzt wird. Er gilt völlig allgemein, obwohl uns im Hinblick auf Theorem 3.5.3 natürlich hauptsächlich kompakte metrische Räume interessieren. Der Satz mag auf den ersten Blick etwas obskur erscheinen, aber nur so lange, wie man keine Möglichkeit sieht, überhaupt kleine Lipschitzfunktionen zu konstruieren. Dank Jenkins (und Hanin hatte Kenntnis von dessen Arbeit) haben wir aber im Falle der Höldermetriken eine solche Möglichkeit bereits im Beweis zu Lemma 3.2.6 kennengelernt: Die Lösung ist (wieder einmal) der Fortsetzungssatz von McShane, denn große Lipschitzfunktionen zu lokal kleineren Metriken sind kleine Lipschitzfunktionen zu lokal größeren Metriken!

Beweis. [Beweis] Sei $ d$ eine nichtkritische Metrik auf $ K$ und $ (d_{n})$ eine Folge von Metriken, welche die Bedingungen der obigen Definition erfüllt. Wir weisen die Version (iv) der Separationseigenschaft (also (S) aus Theorem 3.5.2) nach. Sei hierfür eine endliche Menge $ A\subseteq K$ und eine reellwertige Funktion $ h$ auf $ A$ gegeben. Definiere nun für alle $ n\in {\mathbb{N}}$

$\displaystyle \alpha_{n}=\max\{d(x,y)/d_{n}(x,y):x,y\in A, x\neq y\},
$

$\displaystyle \beta_{n}=\sup\{d_{n}(x,y)/d(x,y):x,y\in K, x\neq y\}.
$

Es folgt mit (i) $ \alpha_{n}\to 1$ und mit (ii) $ \beta_{n}\to 1$ für $ n\to \infty$. Bezeichnet man für jedes $ n\in {\mathbb{N}}$ mit $ L_{n}(\cdot)$ die Lipschitz-Halbnorm bezüglich der Metrik $ d_{n}$, so gilt offenbar die Abschätzung $ \Vert h\Vert _{L_{n}}\leq \max(\alpha_{n},1)\Vert h\Vert _{L}.$ Nun gibt es nach Satz 1.1.20 eine Fortsetzung $ g_{n}\in Lip(K, d_{n})$ von $ h$ mit $ \Vert g_{n}\Vert _{L_{n}}=\Vert h\Vert _{L_{n}}$, und die Bedingung (iii) sowie die Tatsache $ \beta_{n}<\infty$ liefern $ g_{n}\in \ell ip(K,d).$ Insgesamt ergibt sich

$\displaystyle \Vert g_{n}\Vert _{L}\leq\max(\beta_{n},1)\Vert g_{n}\Vert _{L_{n}}\leq\max(\alpha_{n},1)\max(\beta_{n},1)\Vert h\Vert _{L}.
$

Dies zeigt, daß für jedes $ c>1$ mit $ g_{n}$ für genügend großes $ n$ die Bedingung (S) erfüllt ist. $ \qedsymbol$

Die Definition nichtkritischer Metriken läßt sich mit Leben füllen, denn sie ist maßgeschneidert, um einzusehen, daß auch die verallgemeinerten Höldermetriken, die uns bereits in Kapitel 1 in Definition 1.1.17 begegnet sind, mehr als nur die Punktetrennung von $ \ell ip(K)$ gewährleisten.

Satz 3.5.9   Hat man in $ d$ eine Metrik auf $ K$, so ist $ \omega(d)$ für jedes $ \omega\in\Omega$ aus Definition 1.1.17 eine nichtkritische Metrik auf $ K$.

Beweis. [Beweis] Sei $ d$ eine Metrik auf $ K$ und $ \omega\in\Omega$ gegeben und $ \rho=\omega(d)$. Für jedes $ n\in {\mathbb{N}}$ definiere nun die Funktion $ \varphi_n$ auf $ {\mathbb{R}}^{+}_{0}$ durch

\begin{displaymath}
\varphi_{n}(t)=\left\{
\begin{array}{ll}
0 & \mbox{f\uml ur ...
...\\
1 & \mbox{f\uml ur } t\geq\frac{1}{n}.
\end{array}\right.
\end{displaymath}

Man prüft leicht nach, daß die Funktionen $ \omega_{n}=\varphi_{n}\omega$ für alle $ n$ in $ \Omega$ liegen. Des weiteren folgen aus den Eigenschaften von $ \omega$ für die Funktionenfolge $ (\varphi_{n})$ die drei Tatsachen
  1. $ \lim_{n\to\infty}\varphi_{n}(t)=1\quad\forall t>0$,
  2. $ \sup_{t>0}\varphi_{n}(t)=1\quad\forall n\in{\mathbb{N}}$,
  3. $ \lim_{t\to 0}\varphi_{n}(t)=0\quad\forall n\in{\mathbb{N}}$.
Hiermit sieht man sofort ein, daß die entsprechende Folge $ (\rho_{n})$ der Metriken $ \rho_{n}:=\omega_{n}(\rho)=\varphi_{n}(\rho)\rho$ die Bedingungen von Definition 3.5.7 erfüllt und daher $ \rho$ eine nichtkritische Metrik ist. $ \qedsymbol$

Mit diesen Ergebnissen ist die Separationseigenschaft eines kompakten metrischen Raumes, soweit sie im Hinblick auf die Dualität $ \ell ip(K)''\cong Lip(K)$ in der Literatur auftaucht, einigermaßen ergiebig ausgeleuchtet. Fast nebenbei stößt man im Zusammenhang mit (S) auf ein erstaunliches neues Ergebnis. In der Bemerkung vor dem Satz 3.3.4 wurde bereits darauf hingewiesen, daß Bade, Curtis und Dales in [2] das Lemma 3.3.1 verschärft haben, indem sie nicht nur ein $ f\in \ell ip(K^{\alpha})$, sondern sogar ein $ f\in Lip(K)$ mit den gleichen Eigenschaften konstruiert haben. Hanin gelingt nun das gleiche für die verallgemeinerten Höldermetriken $ \omega(d)$ mit einem ähnlichen Beweis (der wieder eine Art Verfeinerung der Beweistechnik darstellt, die zum Fortsetzungssatz 1.1.20 geführt hat). Mit den Bezeichnungen aus Definition 1.1.18 erhält man also eingedenk Satz 1.1.19 die Tatsache, daß für solche Metriken die Separationsbedingung (S) in verschärfter Form gilt, nämlich schon für $ Lip(K)\subseteq \ell ip(K^{\omega})$.

Satz 3.5.10   Sei $ (K,d)$ ein metrischer Raum $ \omega\in\Omega$. Dann hat der metrische Raum $ K^{\omega}=(K,\omega(d))$ die verschärfte Separationseigenschaft:

Für jede Konstante $ c>1$, jede endliche Menge $ A\subseteq K$ und jede reellwertige Funktion $ h$ auf $ A$ existiert eine Fortsetzung $ g\in Lip(K)$ von $ h$, so daß $ \Vert g\Vert _{L_{\omega}}\leq c\,\Vert h\Vert _{L_{\omega}}$ gilt.

Auf die Darstellung des Beweises zu diesem Satz wollen wir hier verzichten, um das Ende dieses Kapitels nicht zu sehr mit technischem und ansonsten wenig erquicklichem Material zu verunstalten. Stattdessen wollen wir einen ästhetischeren Gedankengang von Weaver aus [49] skizzieren, welcher für die gewöhnlichen Höldermetriken sehr elegant auf obiges Ergebnis führt. Aber natürlich muß erst einmal gesagt werden, wofür dieser Aufwand betrieben wird.

Theorem 3.5.11   Sei $ K$ ein kompakter metrischer Raum und $ U$ ein Unterraum von $ \ell ip(K)$, der die folgende Bedingung erfüllt:

Es gibt eine Konstante $ c>1$, so daß für jede endliche Menge $ A\subseteq K$ und jede Funktion $ f\in \ell ip(K)$ ein $ g\in U$ mit $ g_{\vert A}=f_{\vert A}$ und $ \Vert g\Vert _{L}\leq c\,\Vert f\Vert _{L}$ existiert.

Dann liegt $ U$ dicht in $ \ell ip(K)$.

Wir erhalten also eine Art Stone-Weierstraß-Theorem für kleine Lipschitzräume! Das mag auf den ersten Blick eine Überraschung sein, entpuppt sich aber schnell als eine sehr einfache Schlußfolgerung, die uns im Beweis zu Satz 3.3.4 bereits völlig analog begegnet ist. Was dort für kleine Lipschitzfunktionen gezeigt wurde, kann man jetzt genauso für die Elemente aus $ U$ durchführen, um einzusehen, daß der Annihilator von $ U$ bereits alles andere annuliert. Man beachte, daß sich de Leeuws Satz 3.1.7 hier einmal mehr als Schlüssel zur Lösung des Problems darstellt.

Beweis. [Beweis] Sei $ \varepsilon >0$ und ein $ \varphi\in \ell ip(K)'$ mit $ \varphi_{\vert U}=0$ gegeben. Dann existiert nach Satz 3.1.7 ein Maß $ \eta$ mit endlichem Träger $ A$ in $ K$, so daß

$\displaystyle \left\vert\varphi(f)-\int_{K}fd\eta\right\vert\leq\varepsilon \Vert f\Vert _{L} \quad\forall f\in \ell ip(K)
$

gilt. Wähle nun ein $ f\in \ell ip(K)$. Nach der Voraussetzung existiert ein $ g\in U$ mit $ g_{\vert A}=f_{\vert A}$ und $ \Vert g\Vert _{L}\leq c\,\Vert f\Vert _{L}$, das heißt

$\displaystyle \left\vert\varphi(g)-\int_{K}gd\eta\right\vert\leq\varepsilon \Vert g\Vert _{L}\leq c\,\varepsilon \Vert f\Vert _{L}.
$

Aus $ \int_{K}gd\eta=\int_{K}fd\eta$ und $ \varphi(g)=0$ folgt daher $ \vert\varphi(f)\vert\leq (c+1)\varepsilon \Vert f\Vert _{L}$, mithin $ \varphi(f)=0$, und $ U$ ist dicht in $ \ell ip(K)$. $ \qedsymbol$

Da die Bedingung in Satz 3.5.10 für $ U=Lip(K)\subseteq \ell ip(K^{\omega})$ die im Theorem 3.5.11 geforderte Eigenschaft impliziert (durch die bekannte Anpassung an den komplexen Fall), haben wir als Verschärfung von Satz 1.1.19 das

Korollar 3.5.12   Für kompaktes $ K$ liegt $ Lip(K)$ dicht in jedem verallgemeinerten kleinen Hölderraum auf $ K$.

Man erinnere sich, daß wir dieses Ergebnis bereits im speziellen Fall der Lipschitz- und Hölderräume auf $ [0,1]$ in Satz 1.2.7, allerdings mit völlig anderen Techniken, erhalten haben. Hier wollen wir, wie angekündigt, zumindest im Falle der ``normalen'' Höldermetriken verstehen, warum die in Satz 3.5.10 angegebene Eigenschaft und damit obiges Korollar gilt.

Vergleicht man Theorem 3.5.11 mit dem ``richtigen'' Satz von Stone-Weierstraß (siehe VIII.4.7 in [55]), so könnte man versucht sein, beide so analog wie möglich zu formulieren. Zunächst einmal kann man sich anstelle von Unterräumen $ U$ auf Unteralgebren $ V$ von $ \ell ip(K)$, die die konstanten Funktionen enthalten, beschränken und dann nach einem Analogon für die Punktetrennung suchen. Erfolgreich auf dieser Suche war Weaver in [49, S. 284-287], wo er zunächst für abgeschlossene Unteralgebren $ V$ im Raum $ \ell ip(K)$ reellwertiger Funktionen durch ein gewitztes Argument relativ schnell skizzierend nahelegt, daß diese stets Unterverbände von $ Lip(K)$ sein müssen. Und mit diesem Ergebnis kann er dann völlig analog wie im Beweis von (i) $ \Rightarrow$ (iii) (sowie von (iv) $ \Rightarrow$ (ii)) des Theorems 3.5.3 die Äquivalenz der Eigenschaft in Satz 3.5.10 und der Eigenschaften (i) bzw. (ii) nachweisen, wenn man in den letzteren einfach $ \ell ip(K)$ durch $ V$ ersetzt. Mit anderen Worten: An die Stelle der Punktetrennung tritt natürlicherweise die gleichmäßige Punktetrennung gemäß (i) bzw. (ii) in Theorem 3.5.3, sprich: die ``Separationseigenschaft von $ V$''. Fast unbemerkt wird in diesen Äquivalenzbeweisen (durch die nötige Verschiebung von Funktionen) natürlich auch die Existenz der konstanten Funktionen in $ V$ vorausgesetzt. Und wie beim Satz von Stone-Weierstraß muß man auch hier etwas mit Algebren $ V$ von komplexwertigen Funktionen aufpassen, denn für diese erhält man die Eigenschaft in Theorem 3.5.11 aus derjenigen in Satz 3.5.10 bzw. aus der gerade genannten Separationseigenschaft von $ V$ durch Übergang zu Real- und Imaginärteil, die also auch in $ V$ liegen müssen (was ja für $ \ell ip(K)$ nicht erwähnenswert war). Daher ist auch hier die Forderung der Selbstadjungiertheit angebracht. Wir fassen zusammen und schließen die versprochene Anwendung auf die Hölderräume an.

Theorem 3.5.13   Sei $ K$ kompakt und $ V$ eine selbstadjungierte Unteralgebra von $ \ell ip(K)$, welche die konstanten Funktionen enthält und gemäß (i) aus Theorem 3.5.3 die Punkte von $ K$ gleichmäßig trennt. Dann liegt $ V$ dicht in $ \ell ip(K)$.

Lemma 3.5.14   Für kompaktes $ K$, versehen mit einer Höldermetrik $ d^{\alpha}$, erfüllt $ V=Lip(K)\subseteq\ell ip(K^{\alpha})$ die Bedingungen von Theorem 3.5.13.

Beweis. [Beweis] Es muß nur die gleichmäßige Punktetrennung von $ Lip(K)$ in $ \ell ip(K^{\alpha})$ nachgewiesen werden. Zu gegebenen $ x,y\in K$ definiere hierzu $ f$ auf $ K$ durch

$\displaystyle f(z)=2(d^{\alpha}(x,z)-d^{\alpha}(x,y)/2)\vee 0\quad\forall z\in K.
$

Dann gilt $ \Vert f\Vert _{L_{\alpha}}\leq 2\max(1,\mathop{\rm diam}\nolimits (K^{\alpha}))$ unabhängig von $ x$ und $ y$ und weiter $ \vert f(x)-f(y)\vert=d^{\alpha}(x,y)$. Definiere nun $ g:K\to{\mathbb{R}}_{0}^{+}$ durch $ g(z)=d(x,z)\enspace\forall z\in K$ und $ h:{\mathbb{R}}_{0}^{+}\to{\mathbb{R}}_{0}^{+}$ durch

$\displaystyle h(t)=2(t^{\alpha}-d^{\alpha}(x,y)/2)\vee 0\quad\forall\, t\in {\mathbb{R}}_{0}^{+}.
$

Dann ist $ h$ stückweise differenzierbar mit beschränkter Ableitung, also (siehe Satz 1.2.3) in $ Lip([0,\mathop{\rm diam}\nolimits (K)])$. Folglich ist $ f=h\circ g$ -- wie man sich schnell anhand einer naheliegenden Rechnung überzeugt -- als Komposition von (beschränkten) Lipschitzfunktionen in $ Lip(K)$ mit $ L(f)\leq L(h)L(g)$. $ \qedsymbol$

Man sieht sofort, daß diese Beweisidee von Weaver für jede verallgemeinerte Höldermetrik $ \omega(d)$ durchgeht, für welche $ \omega$ auf $ [\delta,\mathop{\rm diam}\nolimits (K)]$ für jedes $ \delta>0$ (bezüglich $ L(\cdot)$) Lipschitz-stetig ist. Nicht verschwiegen werden sollte an dieser Stelle, daß bereits L. I. Hedberg Ende der 60er Jahre in [19] das Stone-Weierstraß-Theorem für kleine Hölderräume formulierte -- und zwar ohne auch nur die Ergebnisse von de Leeuw zu kennen! Anstelle der in Theorem 3.5.13 angegebenen Separationseigenschaft gab er eine etwas kompliziertere lokale gleichmäßige Punktetrennung an, die einmal mehr von Weaver in [49, S. 286] als (zum Glück!) äquivalent zur Seinigen erkannt wurde.


next up previous contents
Nächste Seite: Anwendung der Theorie der Aufwärts: Die Dualität Vorherige Seite: Die Kantorovich-Rubinstein-Norm   Inhalt
Heiko Berninger 2003-04-25