Es ist in Kapitel 2 deutlich geworden, daß man den kleinen Lipschitzraum mit dem Folgenraum
in Verbindung bringen kann, wohingegen der große Lipschitzraum einiges mit dem Folgenraum
zu tun hat. So liegt zum Beispiel nach Theorem 2.2.1 und Korollar 2.4.6 (ii) für Kompakta
aus endlichdimensionalen Räumen und
bis auf Isomorphie
in
wie der Folgenraum
in
. Wenn man nun bedenkt, daß
der zweite Dualraum von
ist, so könnte man die Frage stellen, ob ähnliches auch auf der ``Lipschitzraumebene'' gilt. Diese Frage ist höchst berechtigt, denn wir wissen ja bereits für kompakte
seit Korollar 2.4.6 (i), daß
richtig ist. Wir werden in diesem Kapitel sehen, daß
für sehr allgemeine Kompakta
stimmt, und wir werden am Ende dieses Kapitels die Kompakta, für die diese Dualität gilt, sogar charakterisieren. Dies steht im Gegensatz zu Kapitel 2, wo einige Fragen nach der Isomorphie zwischen Lipschitzräumen auf Kompakta und den Folgenräumen
und
offen bleiben mußten.
Wir wollen bei den Anfangsgründen zu diesem Thema starten, und diese finden sich, wie schon einige Male erwähnt, in einem Artikel von K. de Leeuw [33] aus dem Jahre 1961. Es sollte darauf hingewiesen werden, daß natürlich auch D. E. Wulbert, von dem Satz 2.4.3 stammt, Kenntnis von de Leeuws Arbeit hatte. Wulbert mußte darüber hinaus das Theorem 2.2.1 von Bonic, Frampton and Tromba bemühen, um sein Korollar 2.4.6 (i) zu folgern. De Leeuw hingegen, zumindest seinem Literaturverzeichnis in [33] nach zu urteilen, nahm noch nicht einmal von dem kurz vorher erschienenen Isomorphieresultat von Ciesielski [7] Notiz, welches er für seine Beweisidee freilich auch nicht benötigt.
De Leeuw betrachtet, ähnlich wie Ciesielski, recht einfache Lipschitzräume, nämlich für
die Räume
aller Hölder-stetigen Funktionen zum Exponenten
auf
mit Periode
und die zugehörigen kleinen Hölderräume
, jeweils versehen mit der Norm
Wieso de Leeuw ausgerechnet periodische Funktionen betrachtet, wird in Abschnitt 3.2 deutlich werden. Dort sehen wir seinen Beweis zur Surjektivität und Normerhaltung des von ihm definierten isometrischen Isomorphismus zwischen
und
, in welchem er auf Ergebnisse aus der Theorie über Fourierreihen zurückgreift. Der Nachweis der Injektivität und der Kontraktivität dieser Abbildung hängt indes nicht von der speziellen Gestalt der von de Leeuw betrachteten Räume ab und kann völlig allgemein geführt werden. Diese Tatsache hat sich zum Beispiel T. M. Jenkins in seiner wunderbaren und vielfach zitierten Doktorarbeit [24] zunutze gemacht, in der er die Ergebnisse aus dem Artikel von de Leeuw stark verallgemeinert. Wir wollen daher an dieser Stelle den grundlegenden Ansatz von de Leeuw in einer so weit als möglich generalisierten Form darstellen und die weiteren noch offenen Fragen, die von unterschiedlichen Autoren auf verschiedensten Wegen angegangen wurden, in den folgenden Abschitten beantworten.
Wir beginnen mit der Definition einer uns mittlerweile bereits wohlbekannten Abbildung (vergleiche Bemerkung 1.1.23 und den Beweis des Satzes 2.4.3).
Zur Untersuchung dieser Abbildung (bzw. zur nachträglichen Rechtfertigung der Definition) benötigen wir das folgende Lemma, dessen einfacher Beweis als Zweizeiler im Beweis von Satz 1.1.22 bereits enthalten ist. Von nun an sei mit
die Norm in
und mit
die Norm in
bezeichnet.
Dies liefert mit einem weiteren Blick auf den Beweis von Satz 1.1.22 und die Bemerkung 1.1.23 das
Wir nähern uns nun dem zweiten Dualraum von
, indem wir zunächst versuchen, den Dualraum
etwas in den Griff zu bekommen. Nun kennt man ja Dualräume gewisser Räume von stetigen Funktionen nach dem Rieszschen Darstellungssatz (siehe Theorem II.2.5 und S. 89 in [55]) sehr genau. De Leeuws weiteres Vorgehen basiert auf der Idee, sich dieses Wissen zunutze zu machen, und zu diesem Zweck hat er seinen Einbettungssatz formuliert, den wir in Kapitel 1 (Satz 1.1.10) bereits kennengelernt haben. Dieser besagt, daß mit dem lokalkompakten Raum
die durch
und
definierte Abbildung
den kleinen Lipschitzraum isometrisch isomorph auf einen Unterraum
in
abbildet. Der Dualraum von
ist nach Riesz der Raum
aller regulären Borelmaße auf
, versehen mit der Variationsnorm
. Damit erhalten wir das gewünschte
Da zur Beschreibung der Funktionale auf
die Maße auf
ausreichen, besteht natürlich die Wunsch, die Aussage des obigen Lemmas noch dahingehend zu verbessern, daß man Funktionalen auf
alleine durch Maße auf
beikommen kann. Die nächsten beiden Lemmata zeigen, daß dieser Wunsch mehr als in Erfüllung geht.
ist also der von den Punktauswertungsfunktionalen
aufgespannte Unterraum von
.
Als ob Lemma 3.1.6 nicht schon genug wäre, hat man auch noch die folgende Verschärfung seiner Aussage. Diese bildet nun das Fundament, auf dem wir die Beweise zur Injektivität und später vor allem zur Surjektivität unserer in Definition 3.1.1 erklärten Abbildung
aufbauen können.
Man beachte in den nachfolgenden Gedanken die Ästhetik im Zusammenspiel des Satzes von Arzelà-Ascoli und des Satzes von Krein-Milman!
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Da wir die Abbildung
in Definition 3.1.1 über die Punktauswertungsfunktionale definiert haben, erhalten wir als Abfallprodukt von Satz 3.1.7 jetzt das begehrte
Die gemäß Definition 3.1.1 gegebene Abbildung
ist injektiv.
Das ``Wulbertsche Analogon'' zu Satz 3.1.7 ist Lemma 2.4.4, welches Wulbert für den Beweis seines Satzes 2.4.3 benötigt. Auch dort hat man die Aussage, daß eine gewisse Menge leicht handhabbarer Funktionale (konkret der von den Funktionalen
aufgespannte Teilraum), über die man die Abbildung
definiert hat, dicht im Dualraum des kleinen Lipschitzraums
liegt. Natürlich sind die Funktionale
gegenüber den Punktauswertungsfunktionalen etwas ``aussagekräftiger'', so daß Wulbert mit Lemma 2.4.4 bereits die Normerhaltung seiner Abbildung
nachweisen kann, wozu wir mit unserem Satz 3.1.7 noch nicht in der Lage zu sein scheinen (siehe jedoch den Beweis zu Theorem 3.3.2). Andererseits benötigt Wulbert als Voraussetzung in Lemma 2.4.4 die Separabilität von
, die wir mit Satz 3.1.7 ``geschenkt'' bekommen.
Wie in Bemerkung 2.3.2 schon erwähnt, zeigt J. A. Johnson in [27], daß im Falle
aus der Separabilität von
wieder die Präkompaktheit von
folgt. Dafür weist Johnson (unter Verwendung der kleinen Hölderfunktionen
,
, auf
) nach, daß für nicht präkompaktes
die Einheitskugel in
nicht
-metrisierbar ist, und hieraus kann man (siehe VIII.6.15 (e) in [55]) die Nicht-Separabilität von
schließen.
Man beachte, daß alle in diesem Abschnitt gemachten Aussagen, einschließlich Satz 3.1.7 und Korollar 3.1.8 nur die Kompaktheit von
erfordern und sonst keine weiteren Anforderungen an den metrischen Raum stellen. Dies wird sich in den folgenden Abschnitten, in denen wir die Surjektivität und die Normerhaltung von
nachweisen wollen, ändern. Und dies muß sich auch ändern, denn im Falle
zum Beispiel ist ja (siehe Bemerkung 1.1.14)
und damit auch
eindimensional, und viel weiter kann dieser Raum von einer isometrischen Isomorphie mit
(siehe die Sätze 1.1.6 und 1.2.3) wohl kaum entfernt sein! Man kann sich jedoch solch krasser Gegenbeispiele entledigen (und nicht nur solcher!), wenn man dafür Sorge trägt, daß der metrische Raum angenehm genug gestaltet ist, um eine gewisse gleichmäßige Annäherung von großen Lipschitzfunktionen durch kleine zu erlauben.