Adolf von Harnack war seit 1890 Mitglied der "Preußischen Akademie der Künste" und wurde 1911 Präsident der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft, die er selbst mitbegründete. Er setzte sich für den Gedanken ein, daß es nötig sei eine Kommunikationsstätte zu schaffen, die es Wissenschaftler aus aller Welt ermöglicht, ihre Erkenntnisse in persönlichem Kontakt austauschen können. Dieser Ort sollte in der Nähe der schon existierenden Institute der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft seinen Platz finden. Bauplanung und Ausführung unter der Leitung des Architekten Carl Sattler löschten auch einige Privatgrundstücke aus. Die Baumaßnahmen gerieten immer wieder ins Stocken. Die nötigen finanziellen Mittel waren knapp und flossen spärlich. 700.000 Mark an staatlichen und privaten Gründungseinlagen machten es möglich, daß dieses Vorhaben zum Ende geführt werden konnte.
Die Eröffnung des "Harnack-Haus" fand am 7. Mai 1929 statt. Es war der 78. Geburtstag von Adolf von Harnack. In seiner Rede sagte der damalige Außenminister Gustav Stresemann, daß versammeltes Wissen und Forschen unter einem Dach mehr Energien freisetzt, als wenn jeder für sich allein herumexperimentiert. Viele namhafte Leute hatten den Wert einer solchen Institution erkannt. Es gingen viele, wenn nicht unzählige Gaben und Spenden ein. An der noch vorhandenen Ausstattung kann man es heute noch erkennen. Die Porzellanmanufaktur spendete aus dem Chinaprogramm ein Service für 48 Personen. Küchengeräte trafen ein. Bilder und Figuretten, Tafelsilber, Servierplatten und andere Silbergeräte mit eingravierten Namen der Spender. Ganz lustig sind die bronzenen Frösche mit den roten Augen, welche von der Chemiefabrik Carl Duisberg eingingen. Der Bismarcksalon erhielt auch ein Relief des ehemaligen "Herrn Reichskanzlers".
Jeden.oder fast jeden Tag werden 150 Gäste gezählt. Studiengemeinschaften und Teilnehmer der umliegenden Institute füllen täglich das Haus. Serviert wird im vornehmen Liebig-Raum oder in den anderen Räumen, welche ebenfalls die Namen bekannter deutscher Wissenschaftler trangen. Man wandelt hier auf den Spuren exklusiver Gäste.
Nobelpreisträger, große Künstler, Ländervertretungen und Industrielle. Das in grünes Leder gebundene Gästebuch ist ein Spiegel unseres Jahrhunderts. Der indische Philosoph Rabindranath Tagore, der weltbekannte Chirurg Ferdinand Sauerbruch, die Bankiers Bleichroeder und Mendelsohn, Flick und Siemens, die Industriellen. Albert Einstein, Max Planck und Otto Hahn. Alle-haben sich im Harnackhaus wohlgefühlt.
Der Goethe-Raum bietet 500 Leuten Platz. Er dient Vorlesungen und Empfängen. Man sagt, daß Albert Einstein hier im Goetheraum zum ersten Mal den Gedanken seiner Relativitätstheorie zur Kenntnis brachte. Auch die Physikerin Lise Meitner hat an diesem Ort über die Verhältnismäßigkeit von Masse und Energie sowie über die atomare Fusion Abhandlungen gehalten. Dieser Saal ist mit allen Apparaturen für Film-, Bild- und Tonvorführungen ausgestattet.Man scheint zu wissen, daß Hitler und Goebbels mit ausgesuchten Gästen sich hier den Film "Der alte und der junge König" angesehen haben. Bei den öfteren Besuchen haben sie sich aber nicht ins Gästebuch eingeschrieben.
Zwischen 230 und 360 Wissenschaftler haben während ihrer Berlinaufenthalte zu annehmbaren Preisen in den oberen Etagen gewohnt. Für 3,85 Reichsmark gab es ein Einbettzimmer ohne Bad. Ein ZweibettZimmer mit Bedienung kostete 12.900 Reichsmark. Der gute Ausblick war umsonst. Die "BZ am Abend" berichtete regelmäßig, wer gerade im Harnack-Haus zu Gast war; im Hotel der Gelehrten.
Während des Krieges war ein Teil des Hauses als Militärkrankenhaus eingerichtet.Als dann die Verwaltung der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft im Berliner Schloß ausgebombt wurde, war dieser Haus die letzte Zuflucht der Gesellschaft. Andere Institutionen folgten. Später wurde alles nach Westdeutschland ausgelagert.
Am 14. Juli 1945 haben die Amerikaner das Haus besetzt.Zwei Tage später zog schon ein wichtiger Gast in die mehr oder weniger benutzbaren Räume. Der US-Präsident Harry Truman war nach Berlin gekommen, um an dem Treffen der alliierten Siegermächte teilzunehmen und mit dem Wunsch einen Blick auf die Stadt zu werfen, die in Trümmern lag.
Ein weiterer namhafter Gast weilte hier. Der oberste Chef der amerikanischen Streitkräfte, Dwight D. Eisenhower. In der Folge wurde das Harnackhaus zum "Harnack-House", und der zentrale Anlaufpunkt aller hier stationierten amerikanischen Bürger. Auch für sie wurde es ein Haus der Feste, Feiern und Versammlungen.
Bis 1994 war das Harnackhaus die deutsche Heimat des US-Missions-Clubs und barg ein formidables Gasthaus in seinen Mauern. Viele schöne und auch ernste Feierlichkeiten hat dieses schöne Haus in den letzten Jahren erlebt. Diese Nutzung, man könnte es als ein Relikt der Nachlkriegszeit nennen, ist nun ausgeklungen. Das Harnackhaus soll wieder dem Zweck dienen für den es einst erbaut wurde. Die Max-Planck-Gesellschaft ist die legale Nachfolgerin der KaiserWilhelm-Gesellschaft und somit auch rechtlicher Nutzer dieses Hauses. Wenn alle Wünsche und Pläne in Erfüllung gehen, realisiert sind, wird es in der Zukunft wieder ein internationaler Treffpunkt der Forscher und Wissenschaftler sein.
Die Max-Planck-Gesellschaft will das Harnackhaus wieder seiner ehemaligen Bestimmung zuführen. Der Umzug der Max-Planck-Gesellschaft nach Berlin-Dahlem bringt diese wichtige Forschung wieder unter ihr Dach und setzt damit ein Signal, dass Berlin ein Zentrum der internationalen Naturwissenschaften ist.
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