Entwicklung und Test von Simulationsprogrammen
Ziel der Entwicklung eines eigenen Simulationsprogramms zur Verbrennungs- und Strömungsberechnung ist unter anderem die Schaffung eines Vergleichswerkzeuges zur Überprüfung bestehender Brandsimulationsprogramme. Die eigene Entwicklungsarbeit führt dabei nicht nur zu einem vertieften Verständnis der numerischen Detailfragen derartiger Simulationen, sondern zeigt auch den Anwendern, dass die von mir aufgestellten Qualtitätsanforderungen realistisch und erreichbar sind.
Als Ergebnis der Beschäftigung mit der Simulation von Strömungs- und Verbrennungsvorgängen ist der Programmcode MOLOCH entstanden.
Der Programmcode MOLOCH
Grundlage der Berechnung
auftriebsgetriebener, thermisch expandierender Strömungen - wie
bspw. die Simulation der Rauch- und Wärmeausbreitung im Brandfall
- ist die Lösung eines nichtlinearen, gekoppelten
Differentialgleichungssystems der Erhaltungsgleichungen von Massen,
Impuls und Energie. Auf die ferner notwendigen Zustandsgleichungen,
Anfangs- und Randbedingungen soll an dieser Stelle nicht eingegangen
werden.
Bei näherer Untersuchung stellt sich heraus, dass die
Eigenschaften dieses Gleichungssystem wesentlich durch das
Verhältnis von Strömungs- zur Schallgeschwindigkeit
beeinflußt wird. Dieses Verhältnis wird durch die
dimensionslose Kenngröße Mach-Zahl Ma beschrieben
und gibt die Kompressibilität der Strömung an
Klein et al. [2,3] zeigte mit Hilfe einer
asymptotischen Mehrskalenanalyse, dass sich drei charakteristische
Strömungsregime anhand einer Referenz Mach-Zahl M
unterscheiden lassen. Dies sind
- das kompressible Regime (etwa ab M > 0.3),
- das schwachkompressible “Low-Mach”-Regime 0 < M
≤ 0.3,
- das inkompressible “Zero-Mach”-Regime M → 0
Die für die Bildung der
Referenz Mach-Zahl verwendete Referenz-Strömungs- und Schall-
geschwindigkeit repräsentieren hierbei charakteristische
Referenzgrößen. Das bedeutet, dass sie nur eine für das
betrachtete Problem charakteristische Größenordnung der
auftretenden Geschwindigkeiten angeben. Lokal kann es im
Strömungsgebiet also zu davon abweichenden Werten kommen.
Wesentlich ist hierbei eine Abschätzung der Referenz Mach-Zahl
nach oben.
Beispiel:
Eine Abschätzung der
Referenzgrößen typischer im Brandfall auftretender
Strömungen wäre vref = 1 m/s,
cref = 330 m/s und somit
eine Referenz Mach-Zahl in der Größenordnung von M ≈
0.003. Tatsächlich lassen sich im Brandfall, z.B. beim Austritt
heisser Strömungsgase Geschwindigkeiten von 10 m/s und mehr
messen. In diesem Fall ist in den heissen Brandgasen jedoch auch die
Schallgeschwindigkeit höher. Die Größenordnung der
abgeschätzten Referenz Mach-Zahl wird daher nicht
überschritten. Umgekehrt gibt es im Brandfall Bereich kühler
“stillstehender” Umgebungsluft. Auch in diesem Fall wird die
abgeschätzte Referenz Mach-Zahl aufgrund der nun geringeren
Strömungsgeschwindigkeit nicht überschritten.
Wie bereits erwähnt,
beeinflußt die Größenordnung
der Referenz Mach-Zahl die Eigenschaften des zu lösenden
Gleichungssystems respektive die erforderliche Rechenzeit. Insbesondere
zeigt sich, dass dies an der genauen Berechnung der
Schallwellenausbreitung liegt. Für die Untersuchung bspw. von
Gebäudeströmungen, den Transport von Rauchpartikeln oder die
Sauerstoffkonzentration in der Raumluft ist eine genaue Kenntnis der
Schallwellenausbreitung jedoch nicht erforderlich. Vielmehr sollte die
Strömung ohne die genaue Kenntnis der Schallwellenausbreitung
berechnet werden, um die verfügbare Rechenkapazität auf die
interessierenden Größen zu konzentrieren (Details siehe S.
261 ff des vfdb-Tagungsbandes 2006).
Derartige Ideen sind nicht neu und werden auch in zahlreichen
Verfahrensansätzen umgesetzt. Allerdings beschränken sich
diese Verfahrensansätze dann entweder auf eines der
Strömungs- regime oder garantieren nicht die Einhaltung anderer
wichtiger Eigenschaften. Dies kann insbesondere für die Simulation
von Brandströmungen hinderlich sein, wenn sich bspw. im Laufe
eines kleinen Zimmerbrandes eine Rauchgasexplosion entwickelt.
Im dem von mir entwickelten
Programmcode MOLOCH ist ein neuer
Verfahrensansatz implementiert, der diese Beschränkungen umgehen
soll. Der Ansatz stammt von Klein, der in [2] eine Verfahrenskonstruktion
vorstellt, die kontinuierlich im gesamten Bereich von anwend- bar ist,
im Bereich M = 1 in ein hierfür gut geeignetes
Godunov-Typ-Verfahren übergeht und die nachfolgenden Anforderungen
erfüllt:
- Anwendbar in 1, 2 und 3 Raumdimensionen.
- Einhaltung der Erhaltungseigenschaften für Masse,
Impuls und Energie.
- Global und lokal zweiter Ordnung genau in Raum und Zeit.
- Verwendung der bewährten expliziten,
hochauflösenden “shock-capturing-Verfahren”
(Godunov-Typ-Verfahren) im kompressiblen Strömungsbereich M
= 1.
- Verwendung effizienter impliziter Verfahren im Bereich .
- Darstellung großer Dichteamplituden im
inkompressiblen Bereich.
- Akurate Beschreibung langwelliger Akustik aufgrund von
Druckamplituden der Größen- ordnung ∂p/p∞=O(M)
bzw. von schwachen nichtlinearen Akustikwellen bei kleinen Machzahlen.
Nachdem in [2] mit Hilfe
einer systematischen asymptotischen Analyse des Gleichungssystems die
prinzipielle Machbarkeit für eindimensionale Probleme gezeigt
wurde, konnte Geratz [1]
diesen Ansatz für Mach-Zahlen auf zwei Raumdimensionen erweitern.
Durch Schneider wurde das Verfahren dann für M = 0
auf drei Raumdimensionen fortentwickelt [3,4,5]. Die drei-
dimensionale Berechnung für das “Low-Mach”-Regime 0 < M
≤ 0.3 ist hingegen noch Gegenstand aktueller Forschung.
Mit dem Ziel diesen neuen Ansatz in der Praxis zu testen, entwickele
ich das Programm MOLOCH. Es benutzt ein einfaches kartesisches Gitter
mit konstanter Gitterweite, beherrscht jedoch eine Gebietszerlegung mit
Hilfe der Multiblock-Methode. Der instationäre
Strömungslöser arbeitet sowohl in 1, 2 und 3 Raumdimensionen,
kann derzeit jedoch nur im Regime verschwindener Mach-Zahl M =
0 oder im kompressiblen Regime M = 1 arbeiten. Bis auf den
Einfluss der Gravitation und einer Volumenwärmequelle sind bislang
keine weiteren physikalischen Prozesse berücksichtigt. Derzeit
können daher nur reibungsfreie, auftriebs- behaftete
Strömungen mit einer Wärmequelle berechnet werden. Details
zum Verfahren finden sich in [6].
- [1] Geratz, K. J.:
- Erweiterung eines Godunov-Typ-Verfahrens für
mehrdimensionale kompressible Strömungen auf die Fälle
kleiner und verschwindender Machzahl. Fakultät für
Maschinenwesen der RWTH-Aachen, 1998.
- [2] Klein, R.:
- Semi-Implicit Extension of a Godunov-Type Scheme
Based on Low Mach Number Asymptotics I: One-Dimensional Flow. Journal
of Computational Physics, 121: 213-237, 1995.
- [3] Klein, R.; Botta,
N.; Schneider, T.; Munz, C.-D.; Roller, S.; Meister, A.;
Hoffmann, L.; Sonar, T.:
- Asymptotic adaptive methods for multi-scale problems
in fluid mechanics. Journal of Engineering Mathematics, 39: 261-343,
2001.
- [4] Schneider, T.:
- Verfolgung von Flammenfronten und Phasengrenzen in
schwach-kompressiblen Strömungen.
Fakultät für Maschinenwesen RWTH-Aachen, 2000.
- [5] Schneider, T.;
Botta, N.; Geratz, K.; Klein, R.:
- Extension of Finite Volume Compressible Flow Solvers
to Multi-dimensional, Variable Density Zero Mach Number Flow. Journal
of Computational Physics, 155: 248-286, 1999.
- [6] Münch, M.:
- MOLOCH - Ein Strömungsverfahren für
inkompressible Strömungen - Technische Referenz 1.0,
PIK-Report No. 109, Potsdamer Institut für Klimafolgenforschung e.V., Januar 2008.
Quelle: http://www.pik-potsdam.de/research/publications/pikreports
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